Samstag, 24. Juli 2010

Anekdötchen

Bevor ich zu ein paar Anekdoten über das Leben hier in Tansania komme (ach, was schreib ich... es sind eher Anekdötchen!), hier ein wenig über den letzten Urlaub.

BUKOBA/SCHIFFFAHRT/MWANZA

Mit dem Bus ging es früh morgens nach Bukoba. Wer sich die Karte von Tansania anschaut, wird schnell feststellen, dass diese Stadt von Rulenge/Ngara ungefähr gleich weit entfernt ist wie Mwanza. Die Strecke nach Mwanza ist uns mittlerweile sehr vertraut und dauert (wenn man Glück hat) so ca. sieben Stunden. Die Fahrt nach Bukoba dauerte fast doppelt so lange. Gut, die Fahrt war ziemlich rumplig und es gab kaum Teerstraße. Aber was uns richtig aufregte waren die ewigen Stopps alle zwei Minuten. Der Bus hielt gerade zum Schluss an jedem einzelnen Haus und brauchte dann immer ewig, bis er wieder losfuhr. Wir waren völlig fertig, als wir endlich in Bukoba ankamen und wollten nur noch ins Hotel. Unser Freund Sakafu schlug das Lake Hotel vor und dieses war dann auch wirklich sehr schön. Der Baustil war sehr auffällig, es stammte noch aus der deutschen Kolonialzeit.
Die zwei Tage in Bukoba verbrachten wir dann wirklich wie typische Touristen. Wir saßen am Strand, gingen groß einkaufen auf dem Markt und wollten immerzu essen. Besonders ich. Ins Wasser trauten wir uns nicht, da in fast allen Teilen des Victoriasees das Problem der Bilharziose herrscht. Wirklich schade. Bilharziose wird durch Saugwürmer verursacht. Sie durchbohren die Haut des Menschen und wandern dann in Richtung Leber und Darm. Allein die Vorstellung... nein, danke! Ich erinner mich bis heute an ein Foto auf dem Vorbereitungsseminar. Auf dem Bild war ein Fuß zu sehen und durch die Haut schimmerte ein riesiger Wurm.
So saßen wir also nur am Strand, lasen viel (sehr empfehlenswert: "Firmin" von Sam Savage) und wurden dauernd von Tansaniern angequatscht, die entweder einfach nur plaudern oder ein Foto machen wollten.
Wir genossen den Markt von Bukoba, besonders Caro. Sie konnte wie immer nicht genug von Stoffen bekommen. Ich hielt mich zurück und kaufte nur einen Hosenstoff. Und neue Schuhe, exakt die gleichen grünen Chucks, die ich schon vorher hatte. Schuhe gehen hier wegen der extravaganten Straßen schnell kaputt. Das macht aber nichts, da man nur sehr wenig für Schuhe bezahlt, wenn man gut im Feilschen ist. Und das hab ich hier in Tansania echt gelernt. Wirklich seltsam: In Deutschland kann man ja in fast keinem Geschäft feilschen. Wenn man halbwegs gut ist, bekommt man gute Schuhe für umgerechnet ca. 6 Euro. Und das Bild war herrlich: Ich war kaum drin im Geschäft, da stürzen gleich zehn Verkäufer von allen anderen Schuhgeschäften auf dich zu und versuchen das richtige für dich zu finden. Man muss sich immer wieder klar machen, dass man KEIN König ist. Man fühlt sich aber manchmal so bei solch einer Sonderbehandlung.
Mich plagte schon seit über einer Woche ein extremer Husten und so kaufte ich mir dann einen Hustensaft, der auch wirklich hilfreich war. Ich fühlte mich wie in kleines Kind, als ich diesen einnahm. Ich war so gut wie nie krank in meinem Leben und solch ein Säftchen hab ich zuletzt als Kind genommen.
Tja, und nun zur Frage, ob Bukoba wirklich die schönste Stadt Tansanias ist, wie häufig behauptet wird. Caro und ich sind uns einig: Nein! Und das aus zwei Gründen. Wir kennen Mwanza so gut inzwischen, dass dieses Städtchen wohl für immer unser Liebling bleiben wird. Und jetzt der entscheidende Grund: Bukoba IST wirklich sehr schön, aber es gibt dort unfassbar viele Mücken. Keine Moskito, irgendeine andere Art. Das führte zu absurden Szenen. Auf einer Motorradfahrt konnte ich kaum was sehn, weil ich die ganze Zeit meinen Kopf nach unten halten musste. Die Mücken schossen einem ins Gesicht. Oder das für mich schon legendäre Abendessen. Der Platz war richtig schick und man saß direkt am Wasser des Victoriasees. Aber... genau! Diese verdammten Mücken waren auch da. Wir wechselten dreimal den Platz, in der Hoffnung, einen Platz ohne diese Viecher zu finden. Keine Chance. Hinzu kam die unfreundlichste Bedienung der Welt, die schroff "Give me money" sagte und das Wort "candle" für Kerze einfach nicht verstehen wollte. Wir brauchten aber unbedingt eine Kerze, da wir sonst unser Essen nicht sehen konnten. Dann war da auch noch ein betrunkener Typ, der sich selber für ganz toll hielt, und uns die ganze Zeit vollschwafelte. Als das Essen nach ewiger Zeit endlich kam, waren wir völlig genervt. Das Essen war im Prinzip spitze. Leider sahen wir nichts und hatten das Gefühl mehr Mücken zu essen als Huhn/Fisch. Es ist nicht übertrieben: Der Teller stand da und nach zehn Sekunden war dieser bedeckt mit Mücken. Das muss man echt gesehen haben.
Ohne diese unfassbare Anzahl von Mücken könnte Bukoba meiner Lieblingsstadt Mwanza wirklich Konkurrenz machen. So aber nicht. Wer in Bukoba seit längerer Zeit lebt hat meinen Respekt, dass er es so lange mit diesen Viechern aushält. In Rulenge sind zum Glück nur abends Moskitos, tagsüber schlafen diese ja.

Nach den Tagen in Bukoba ging es also zu unserm "Hauptprojekt", die 12-stündige Fahrt mit dem Schiff von Bukoba nach Mwanza. Nachts. Eine schöne Vorstellung. Wir gönnten uns Tickets für die 1. Klasse (30.000 TSH) und hatten eine kleine Kabine, in der man auch schlafen konnte. Die Menschen in der 3. Klasse mussten die ganze Fahrt über zusammengepfercht in der Kälte auf dem Deck stehen. Man glaubt es nicht, aber in Tansania kann es – besonders nachts – richtig kalt werden. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die ganze Nacht wach zu bleiben. Aber das war nicht möglich. Es war richtig windig, extrem kalt und leider sah man kaum etwas. So verzog ich mich irgendwann auch in die Kabine und schlief ca. die Hälfte der Fahrt. War aber trotzdem eine schöne Sache. Ich lernte noch einen anderen Mzungu (Europäer) kennen und einen Matrosen, der unbedingt mit nach Deutschland wollte. Und irgendwie war es schön, frierend auf dem Deck zu sitzen, ins Nichts zu gucken und nachzudenken.
Morgens kamen wir dann in Mwanza an und gingen in unser Standardhotel, das Nyakahoja. Dort trafen wir auf eine typische deutsche Touristenfamilie. Der Mann hatte ein richtiges Safari-Outfit an, mit breitem Hut - schrecklich. Ich muss gestehen, als ich von Deutschland abgeflogen bin, hatte ich ein ähnliches Outfit, nur ohne Hut. Dieses werde ich nie wieder tragen. Da habe ich auch noch klischeemäßig gedacht. Warum denken bloß alle, man muss in Afrika in einem speziell hergestellten Safari-Outfit rumrennen? Ein ganz normales T-shirt reicht vollkommen. Das ist dieses völlig falsche Bild von Afrika, was von den Medien vermittelt wird und in den Köpfen der Menschen drin ist. Afrika ist Armut und Safari. Dabei hat Afrika doch so viel mehr zu bieten! Oh, das war mal wieder eine meiner typischen Abschweifungen.
Den Tag in Mwanza genossen wir dann mit einkaufen, essen, nichtstun... einkaufen, essen, nichtstun.
Eine herrlich sinnlose Reise, aber das haben wir mal wieder gebraucht und es war doch sehr angenehm.


ANEKDÖTCHEN

Die erste Hälfte des Jahres fanden wir ja alles toll, aber so nach und nach bekommen wir mit, wie die Menschen hier wirklich drauf sind. Es ist nämlich ganz und gar nicht alles so schön, man muss nur ein bisschen mitbekommen, was im Hintergrund so abläuft.
Wir erfahren sehr viel über unseren Freund Sakafu, den Doktor vom Krankenhaus in Rulenge. Er erzählt immer mal wieder Dinge, die einen manchmal richtig schockieren.
So zum Beispiel von einer Schwester, die einen Patienten nicht behandeln wollte, weil dieser nicht bezahlen konnte. Der Mann war in Lebensgefahr und starb auch daraufhin, weil er nicht behandelt wurde. Oder von einem älteren Priester, dem nichts zu essen gegeben wurde, mehrere Tage lang. Oder von Schwestern, die sich gegenseitig "bewitchen", also sich verzaubern.
Nach außen hin sind die Menschen immer (IMMER!) freundlich, aber es gibt leider auch einige unter ihnen, die innen drin überhaupt nicht freundlich sind, sondern eiskalt. Ich meine, von einer Schwester könnte man schon erwarten, dass sie einen Patienten behandelt. Und dann geht sie jeden Tag in die Kirche und tut so als wär nichts gewesen. Die Schwestern sind hier teilweise richtig hinterhältig und fies, das kann ich leider nicht anders sagen. Es gibt eine Schwester im Waisenhaus, die die Kinder immer schlägt und nie liebevoll zu diesen ist. Sie nimmt auch grundsätzlich alle Spielsachen weg und behält Sachen für sich. Von einer Person der Kirche könnte man doch anderes erwarten, oder?
Und dann die Herren Priester. Da hören wir in letzter Zeit Dinge, da stehen einem wirklich die Haare zu Berge. So gibt es hier z.B. einige Priester, die mehrere Kinder haben. Vom Zölibat haben sie wohl noch nie etwas gehört.
Nach außen hin sind also alle Menschen sehr freundlich und scheinen ein ruhiges Leben zu führen, aber viele haben es faustdick hinter den Ohren, wie man so schön sagt...

MELANCHOLIE

Zum Schluss möchte ich ein wenig melancholisch werden. Ich verbringe jetzt noch exakt eine Woche in Rulenge. Am 2. August 2010 werd ich mein Dörfchen hier verlassen. Meine zweite Heimat. Ein ganz komisches Gefühl. Ich will definitiv irgendwann einmal wieder kommen, aber wer weiß wann das sein wird... Tansania kehr ich aber erst zwei Wochen später endgültig den Rücken. Mit Marcus werde ich zum Schluss noch ein letztes Mal kräftig rumreisen. Zunächst geht es nach Mwanza, dann nach Daressalam und zum krönenden Abschluss geht es auf die wunderschöne Insel Sansibar. Da sind wir echt gespannt, da diese den totalen Gegensatz zur vorherrschenden Armut in Tansania bildet. Die Kultur soll auch ganz anders sein, so leben auf Sansibar z.B. fast nur Muslime.
Diesen Montag ging nach sechs Wochen die Schule wieder los und ich habe mich sehr gefreut, meinen besten tansanischen Freund Sylivester wiederzusehen. Er anscheinend auch, denn er hat mir ein wirklich großes Geschenk gemacht. Er hat mir eine Trommel, eine Zeze (ein traditionelles Instrument) und einen riesigen Strohhut geschenkt. Das war mir ja fast ein wenig peinlich, da ich nur einen Stapel Fotos für ihn hatte. Aber er hat sich riesig über diese gefreut. Diesen Mittwoch saßen wir also in der Schule gemütlich auf der Wiese und haben getrommelt. Außerdem zeigte er mir, wie man auf der Zeze spielt. In diesen Minuten spürte ich, dass es wirklich zu Ende geht. Ich habe jetzt nur noch ein paar Arbeitstage. Ein paar Mal gehe ich noch zur Schule und ein paar Mal ins Waisenhaus. Dann ist Schluss. Aus. Ende. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben. Man hat so viel durchgemacht hier, hat sich als Mensch verändert und extrem viel für das Leben und die Zukunft gelernt. Caro und ich reden viel darüber, was uns das Jahr hier gebracht hat. Aber wir können es nicht richtig erklären. Wir wissen nur, dass es zu hundert Prozent die richtige Entscheidung war und wir uns als Mensch anders fühlen.
Meinen Freund Sylivester werde ich ziemlich vermissen. Er hat mir noch einen sehr persönlichen Brief geschrieben und mit den Worten abgeschlossen, dass er wohl noch nie einen so guten Freund hatte und mich nie vergessen wird. Mir geht das ähnlich.
Ich habe ein wenig Angst davor, dass ich mit dem Leben in Europa nicht mehr zurecht komme. Einer anderen Freiwilligen geht es ähnlich. Wir haben schon von mehreren Leuten gehört, die aus Afrika wieder kamen und mit den Menschen und dem Leben in Europa überhaupt nicht mehr klar kamen. Wir haben sogar von einer Person gehört, die nach kurzer Zeit ihren Job gekündigt hat und wieder nach Tansania zurückgekehrt ist. Das ist so schwierig zu erklären. Es klingt ein wenig überheblich, aber ich denke man muss hier gewesen sein um das alles zu verstehen. Man verändert seine Sicht auf das Leben total.
Ok, genug davon. Auf zum Song des Tages, denn dieser macht gute Laune und vertreibt solch melancholische Gedanken!

Song des Tages: ABBA – Dancing Queen

Motto des Tages: Dicke!

(das ist ein ach-so-lässiges Wort, das wir gerne benutzen. Es bedeutet so in etwa: Klasse! Toll! Ich habe dieses Wort einem Schüler an der Secondary School beigebracht und er fand es richtig "dicke"!)

(geschrieben: 22.-25. Juli 2010, ins Blog gestellt am 25. Juli 2010)

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