Donnerstag, 27. August 2009





Bist du johotrope?

Es ist herrlich... Wir sitzen hier in unserer Präsidentensuite bei Mama Kilala und genießen das Leben. Marcus spielt wieder den Künstler und malt, während ich mich wieder meinem Blog widme.

Der heutige Tag war mal wieder ein echtes Highlight, es war auf jeden Fall der amüsanteste bis jetzt. Selten habe ich so viel innerhalb weniger Stunden lachen müssen wie heute. Wir gucken uns an, fangen laut an zu lachen und wissen häufig gar nicht warum. Oder wir sagen ganz normale Sätze wie „Holst du mal dit Klopapier?“ und fangen an zu kichern. Wir sind schon echt ein bisschen bekloppt! Schön war auch folgender Satz von Marcus, den er heute in der Stadt rausgehaun hat: „Ick glob ich verlier schon wieder meene Hose...“. Auch dieser Satz ist jetzt schon ein Klassiker. Und ja lieber Blogleser, du hast den Berliner Akzent richtig erkannt. Wir reden hier nur noch mit Berliner Schnauze, das hat sich so ergeben. Wörter wie „dit“ oder „dat“, aber auch „richtisch jeil“ oder „jefällt mir“ sind hier mittlerweile völlig normal. Das Bier bezeichnen wir nur noch als „Molle“!

Aber wir gehen noch einen Schritt weiter. Ich hab Marcus die einzigen zwei Sätze auf Kölsch beigebracht, die ich mal aufgeschnappt habe. Man fragt „Bist du johotrope?“ und der Gefragte antwortet dann: „Jojodat!“ Ich übersetze sehr gerne, du musst jetzt nicht nachschlagen, lieber Blogleser: „Bist du gut drauf?“ ---> „Aber klar doch!“ Dieses „Gespräch“ ist hier der Running-Gag schlechthin. Wir haben ihn heute sogar unserm Kisuaheli-Lehrer beigebracht, er hat zunächst etwas verwirrt geguckt, aber dann fleißig mitgemacht. Morgen fragen wir ihn diesen Satz und ich hoffe er wird die richtige Antwort geben...

Doch kommen wir zu den wirklich interessanten Dingen, hier solls ja um Afrika gehen, ich bin im vorigen Absatz etwas zu sehr ins Detail gegangen, man möge mir verzeihn.

Wir haben jetzt zusammen mit dem Deo, einem Tansanier, ein Fahrrad gekauft. Er hat uns wirklich gut beraten und den Preis noch gedrückt. Aber was soll ich sagen: Es ist denk ich eins der besseren Räder, aber wir mussten es schon mehrmals reparieren. Und das, obwohl ich noch kein einziges Mal damit gefahren bin... Danach hat uns der Deo noch in seine Wohnung eingeladen und wir haben zusammen Ananas gegessen. Die Tischsitten sind hier schon anders, eine Waschschüssel wird herumgereicht und jeder wäscht sich die Hände. Ein kurzes Tischgebet und dann geht es los. Alle essen vom selben Teller. Wir saßen auf riesigen Sofas, die irgendwie nicht so recht zum Rest der Einrichtung passen wollten.. Sofas sind hier ein Zeichen für Reichtum. Wir haben ihm noch unsere Adressen gegeben und hatten so unsern ersten richtigen Kontakt zu einem Tansanier.

Aber auch andere Europäer haben wir kennen gelernt: Vor ein paar Tagen waren wir in einer Strandbar mit einem wirklich wunderschönen Sandstrand. Das war ein echter Kontrast zu der Armut, die hier herrscht. Hier waren plötzlich jede Menge Weiße, darunter auch der Roland, ein Entwicklungshelfer aus der Schweiz. Ich würd ihn mal auf um die vierzig tippen. Das ist ein echt netter Kerl, den wir bestimmt noch öfter sehen werden... Wir saßen da also mit den nackten Füßen im wunderbaren Sand und haben uns erst mal was schönes zu essen gegönnt, inklusive Eis. Das war ein echtes Urlaubsgefühl, wir haben nett geplaudert, viele andere Menschen kennen gelernt und uns gefreut. Schade, dass das nicht so weitergeht, bald fängt die Arbeit an...

Am Abend waren Roman, Marcus, Roland und ich dann noch so lange in verschiedenen Bars und haben Bier getrunken, bis Romans Zug ankam. Irgendwann um Mitternacht rum war er dann da. Roman will noch ein paar Tage quer durch Tansania reisen, warum er sich das nach einem Jahr noch antut, kann ich nicht so ganz verstehn, aber jeder wie er will... Mittlerweile hat er uns geschrieben mit der freudigen Mitteilung, dass ihm sein komplettes Reisegepäck mit Reisepass und sämtlichen Fotos geklaut wurde. Ist das nicht herrlich? (Ich hoffe, man kann meine Ironie an dieser Stelle herauslesen...). Jetzt sind wir also auf uns allein gestellt, aber es läuft wohl ganz gut. Auf dem Markt handeln können wir und wir können auch locker mit unserem „Homie“ plaudern, den wir jedes Mal treffen und der uns immer gleich Shakehands gibt. Der „Homie“ ist der Mensch, der mir ziemlich am Anfang das Tansania-Armband verkauft hat und zu dem unser Spitzname verdammt gut passt! Ein richtig netter und lockerer Kerl, der uns schon mehrmals weiter geholfen hat.

Gut, wir gucken gleich noch nen Film und trinken unsere wohlverdiente Molle. Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass das unten stehende Motto des Tages von mir stammt und ein wenig doppeldeutig ist. Versuch es mal zu übersetzen, lieber Blogleser!

Motto des Tages: My chair is not so hard today!

(geschrieben und ins Blog gestellt am 27. August 2009)

Sonntag, 23. August 2009






















Malefiz!

Ich habe das noch einmal nachgerechnet: Ich bin jetzt erst seit vier Tagen in Afrika, aber hab jetzt schon das Zeitgefühl verloren. Das sollte mir später in der Schule nicht passieren, da sollte ich schon an einem Montag anwesend sein, sonst schmeißt mich der Headmaster Dagobert (ja, so heißt er wirklich) raus. Jetzt ist es Freitag Nacht und ich liege wieder im Bett. Hier macht das Blog schreiben so richtig viel Laune.

Wir waren wieder mal in der Stadt gewesen heute, wir hatten eine lange Liste abzuarbeiten. Unter anderem wollten wir ein Fahrrad für mich kaufen, Handy-SIM-Karten, Moskitospray und ein Mittel für Hunde gegen Flöhe, da hier so einige Hunde rumlaufen und es mindestens einer dringend nötig hat.
Handysachen zu kaufen geht ohne Probleme, jeder zweite Laden ist ein Handyshop, es ist wirklich unfassbar. Und feilschen ist hier groß angesagt, das macht im Moment noch der Roman für uns, aber der geht Sonntag Abend wieder zurück nach Deutschland, dann müssen wir allein zurechtkommen. Oh nein, das bedeutet ja Verantwortung...

Das Fahrrad haben wir auf morgen verschoben, wir haben noch einen afrikanischen Freund von Roman getroffen, Deo heißt der, er will uns dann helfen und den Preis senken. Für umgerechnet 60 Euro bekommt man hier wohl ein richtig vernünftiges Rädele. Wir haben ihn zufällig auf der Straße getroffen, er kam auf seinem Motorrad, das hatte echt Stil. Er war sehr herzlich zu uns und hat uns gleich mit Umarmung begrüßt.

Relativ am Ende unserer Stadttour hab ich mir noch von einem Straßenverkäufer ein Armband mit der Flagge von Tansania aufschwatzen lassen, er hat mir verschiedene um den Arm gemacht und ich hab mir dann eins ausgesucht. Ich werds wahrscheinlich das ganze Jahr tragen, ich find das schön...

Als wir aus der Stadt zurück waren gabs erst mal was zu essen. Und zum ersten Mal so richtig afrikanisch. Die Namen hab ich mir noch nicht alle gemerkt, aber ich bin absolut nicht abgeneigt, ich möchte sagen: Wunderbar deliziös, geradezu aromatisch.
Was ich aber viel interessanter finde ist, dass das Essen ansonsten überhaupt nicht afrikanisch war bis jetzt. Nur ein Beispiel: Heute Abend gab es ganz klassisch Würstchen mit Kartoffelsalat. Das wird sich in zwei Wochen in Rulenge aber definitiv ändern. Dann gibt es Fischkopf, hurra!

Seit gestern haben wir Kisuaheli-Unterricht. Wir haben einen relativ jungen Lehrer, der sehr freundlich und vor allem geduldig mit uns Unwissenden ist. Marcus und ich sagen häufig nur: „Aaah, okay“ oder auch „What does it mean?“. Mein Lieblingswort bleibt „polepole“, aber ich habe jetzt noch ein tolles anderes Wort kennen gelernt. Tolle Überleitung, bitte im nächsten Absatz weiterlesen, hier gibt es nichts mehr zu sehn... He, du bist ja immer noch hier! Kusch!

Wir sind jetzt schon mehrmals „Daladala“ gefahren, das sind kleine Busse, die Strecken hin-und her fahren und nur ganz wenig Geld kosten, dafür aber auch sehr wenig Komfort haben... um nicht zu sagen: Gar keins! Diese Busse sind proppevoll, die Tansanier fahren wie die Bekloppten, manchmal muss man stehn. Aber jetzt kommt das Entscheidende: Es macht verdammt viel Spaß. Ich tausche jede Zugfahrt in Klasse 1 gegen das Daladala-Feeling.

Abends haben wir uns jetzt schon mehrmals Bier geholt, was auch ein Abenteuer ist, da man auf dem Weg zum Kiosk an einer Meute von Schulkindern vorbei muss, die uns grüßen, hinterherlaufen oder sogar unser gerade gekauftes Bier haben wollen. Wir probieren auf jeden Fall kräftig alle Sorten aus... Mein Favorit ist bis jetzt glaub ich das Kilimanjaro-Bier. Beim Trinken führen wir natürlich wieder schön schwachsinnige Gespräche oder gucken Filme. Der Roman hat ne ganze Sammlung, gerade eben haben wir „Juno“ geguckt, ein richtig guter Film. Ein 16-jähriges Mädchen wird schwanger und muss mit den Konsequenzen leben. Warum schreib ich davon? Nunja, ich wollt den nur mal weiterempfehlen, auch wenn er rein gar nichts mit Tansania zu tun hat...

Den Knaller hab ich mir für den Schluss aufgehoben, das wird besonders meine liebe Familie interessieren. Wir spielen hier Malefiz. Ein Gesellschaftsspiel meiner Kindheit, nur mit holländischem Titel. Der Marcus und der Roman haben aber so was von keine Ahnung von diesem Spiel, wir führen hochwissenschaftliche Gespräche über verschiedene Taktiken, aber am Schluss gewinn dann doch ich. Ein bisschen Angeberei darf doch auch mal sein, nicht wahr?

So, jetzt geh ich schlafen. Morgen besuchen wir wahrscheinlich einen Entwicklungshelfer aus der Schweiz. Laut Roman kann das auch gut im Biertrinken enden. Wie Entwicklungshilfe leisten fühlt sich das alles noch nicht an, das kommt dann in knapp zwei Wochen in Rulenge. Das hier ist noch eher Urlaub!

Motto des Tages: Du kannst es doch auch auf die Muschel schieben!

(geschrieben am 21. August 2009, ins Blog gestellt am 23. August 2009)

Donnerstag, 20. August 2009







Rock City

Tja...
Nun sitz ich hier auf meinem Bett (natürlich mit Moskitonetz) und habe zum ersten Mal so richtig Ruhe um etwas zu schreiben. Der Marcus sitzt genau wie ich auch auf seinem Bett und tippt ebenfalls. Im Moment hört man nur das Klackern der Tastaturen.
Wir sind jetzt für die nächsten zwei Wochen bei Mama Kilala untergebracht, einer etwa 60-jährigen Deutschen, die seit über 40 Jahren in Tansania lebt. Sie hat vor vielen Jahren einen tansanischen Mann geheiratet, der mittlerweile aber verstorben ist. Die Herta (so heißt sie mit Vornamen) ist genau so wie ich mir vorgestellt hatte: Eine unglaublich starke Persönlichkeit, der man nur in die Augen gucken muss um zu sehen, dass sie ein bewegtes Leben hinter sich hat.
Bei uns ist auch der Roman, ein Freiwilliger aus Rulenge, der in ein paar Tagen wieder zurück nach Deutschland geht. Auch ihm merkt man an, dass er einiges erlebt haben muss. Heute Abend haben wir zusammengesessen und er konnte uns einiges erzählen, speziell auch zu Rulenge. Das hat mich natürlich besonders interessiert, da ich ja dann bald für fast ein Jahr leben werde. Jetzt hab ich schon so viel erfahren, aber so richtig vorstellen kann ich mir das alles immer noch nicht. Ich soll in einer Secondary School unterrichten? Unfassbar, wenn ich jetzt wieder drüber nachdenke...

Ich bin ja jetzt schon völlig fertig, so viele Eindrücke die man nach gerade mal zwei Tagen bekommen hat. Der Flug war schon aufregend genug. Morgens um kurz nach sechs ging unser Flug von Berlin nach Amsterdam, dort hatten wir dann ein paar Stunden Aufenthalt. Dann ging es weiter bis Daressalam, über zehn Stunden lang. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sitzen so anstrengend sein kann. Dazu kam noch meine Flugangst: Bei Start und Landung hat mein Herz dermaßen gepocht, das man es hätte hören müssen. Aber ich glaub der Marcus hat davon nichts mitbekommen...
In Daressalam angekommen hatte ich ihn sofort: den berühmt berüchtigten Kulturschock. Ich weiß nicht mehr WAS ich gedacht habe, es war irgendwie... komisch. Manche Situationen kann man einfach nicht in Worten ausdrücken. Wir besorgten uns unsere Visa und holten dann unser Gepäck. Und dann kam natürlich das was kommen musste. Der Koffer von Marcus war nicht zu finden. Normalerweise hab ich immer das Pech, aber das kommt mit Sicherheit dann noch an anderer Stelle... Viel unglaublicher fand ich dann die Reaktion von Marcus. Der hat so unfassbar lässig reagiert und meinte nur trocken, dass er mal eben nachfragt wo denn sein Koffer geblieben ist.
Also ich hätte da mit Sicherheit anders reagiert! Im Moment schauts so aus, dass ihm der Koffer noch nachgeschickt wird, mal sehn ob das klappt.

Kaum waren wir aus dem Flughafen raus, kam ein Tansanier und bot uns ein Taxi an. Wir zeigten ihm die Adresse zu unserm Hotel und fragten nach dem Preis. Wir waren einverstanden und stiegen ins Taxi ein. Sehr schön fand ich den Obama-Aufkleber, der hinten auf dem Taxi draufgeklebt war. Wir fuhren etwa eine Viertelstunde. Es war nachts, aber zu sehn gabs trotzdem eine Menge, es war noch jede Menge los auf den Straßen. Und laut war es. Fahren tun die Tansanier defintiv anders, ich würde es mal vorsichtig als „etwas ruppig“ bezeichnen...
Wir kamen an und plötzlich wollte der Fahrer 30 Dollar von uns. Wir hatten aber 13 Dollar verstanden gehabt vorher. Da haben wir uns wohl gleich klassisch über den Tisch ziehen lassen, aber mir war das in dem Moment sowas von egal... Wir machten trotzdem noch mit ihm ab, dass er uns am nächsten Tag wieder abholen würde, da wir ja gleich weiter nach Mwanza fliegen wollten.
Das Hotel war dann... nunja... wie man sich ein Hotel in Tansania halt so vorstellt: Sehr einfach, aber es gab Internet, was aber wohl immer so zu sein scheint. Es besitzt wohl auch fast jeder Tansanier ein Handy, trotz Armut.
Im Zimmer packten wir noch Geschenke von unseren Eltern bzw. Freunden aus, duschten noch und gingen dann auch schlafen. An diesem ersten Abend war ich ziemlich komisch drauf. Einerseits glücklich da zu sein, aber ich kam mir auch sehr verloren vor. Ich weiß nicht wie ich mich ohne Marcus gefühlt hätte. Ich bin schon sehr glücklich, dass ich da nicht alleine durch muss und ihm geht es wohl ähnlich...

Am nächsten Tag bezahlten wir das Hotel und warteten draußen auf unser Taxi. Und er kam tatsächlich. Allerdings diesmal nicht mit seinem eigenen Taxi, dieses hatte keine Sicherheitsgurte, was mir bei der Fahrweise in Tansania nicht so recht geheuer war... Diesmal verlangte er für die gleiche Strecke nur 15 Dollar. Vielleicht verstehe ich diese Preisschwankungen in ein paar Monaten, jetzt jedenfalls noch nicht.
Wir checkten ein, warteten eine Weile und stiegen dann in eine relativ kleine Propellermaschine. Jetzt sollte ich lernen was Flugangst WIRKLICH bedeutet. Es ruckelte und schwankte während des gesamten Fluges, zudem saß ich am Fenster und hatte den Blick zum rechten Propeller gerichtet. Ich rechnete die ganze Zeit damit, dass der Propeller stehen bleibt. Marcus und lenkten uns wie so oft mit herrlich schwachsinnigen Gesprächen ab. Man kann schwer beschreiben worum es in diesen Gesprächen ging, mir fällt nur noch das Stichwort „Reiner Calmund“ ein...

Irgendwie erreichten wir tatsächlich heil den Boden. Roman und Mama Kilala holten uns ab und wir stiegen in ein riesiges Auto. Die Fahrt durch Mwanza (auch Rock City genannt) war unglaublich. Man sag gleich alle Schichten: Die ganz Armen, die irgendwo in einer Ecke herum liegen, Polizisten, Familien...
Wir saßen uns in einen Imbiss und lernten uns ein bisschen kennen. Dabei musste ich immer wieder einen Blick zur Straße werfen. Kinder beobachten uns, wir fallen hier wirklich auf wie bunte Hunde!

Spruch des Tages: Du Wurst!

(geschrieben am 19. August 2009, ins Blog gestellt am 20. August 2009)