Sonntag, 20. September 2009
Shikamoo Rulenge!
(Achtung: Dieser Blog ist extrem lang, aber wenn der Sören erst einmal anfängt zu schreiben, dann hört der so schnell nicht wieder auf...)
Da bin ich also endlich am Ziel. Rulenge! Eine richtige Großstadt ist das hier. Hier sollen 3500 Einwohner leben, aber manchmal frag ich mich wirklich wo die abgeblieben sind. Es ist also wirklich ein Dorf hier, aber das ist auch genau das was ich wollte. Einen wirklichen Gegensatz zum bisherigen Leben. Keine Großstadt. Anderes Essen. Andere Menschen. Ein anderes Lebensgefühl. Jeder Mensch sollte so etwas mal ausprobieren, es lohnt sich. Ich habe jetzt schon zu schätzen gelernt wie gut es mir in Deutschland geht. Einen Monat bin ich nun hier und ich fühle mich schon wie ein neuer Mensch. Das war bisher meine beste Entscheidung im Leben nach Afrika zu gehen.
Die Fahrt nach Rulenge war schon ziemlich aufregend. Eins gleich vorweg: Wir hatten keinen Platten, was ich fast ein bisschen schade fand. Aber spannend wars trotzdem. Der Fahrer von Nathalie hatte einen ziemlich rasanten Fahrstil, da hab ich am Anfang erst mal schlucken müssen, aber man gewöhnt sich an alles. Die Straßen sind hier größtenteils nur aus Kies, aber der Heini ist da trotzdem mit gefühlten 180 Stundenkilometern drüber gebrettert! Es war ein unbeschreibliches Gefühl diese knapp 7 Stunden, die wir gefahren sind. Ich habe keine Ahnung mehr was wir geredet haben, ich weiß nur noch, dass ich relativ still war und ein wenig melancholisch drauf. Die meiste Zeit hab ich damit verbracht aus dem Fenster zu starren und die Landschaft zu genießen. Relativ am Ende haben wir dann noch Affen auf der Straße gesehn, die dann aber ziemlich schnell geflüchtet sind. Es war Afrika-Feeling pur! Dazu haben wir dann noch die Kooks oder auch The Strokes gehört, das war auch wieder absurd schön: The Kooks in Afrika, eine meiner Lieblingsbands!
Wir wohnen jetzt seit über 2 Wochen bei Nathalie, einer deutschsprachigen Belgierin, die auch Volunteer ist, aber im Moment nicht wirklich etwas zu tun hat. Im Moment dürfen wir noch bei ihr wohnen und es ist wirklich wunderbar, aber es ist offen wie es weitergeht. Für mich war eigentlich ein anderes Zimmer vorgesehn, dass wirklich grausam kalt aussieht und der Marcus sollte eigentlich nach Ngara ziehen. Ich will hier aber ehrlich gesagt gar nicht weg, dieses Haus ist super, mit Garten, Hühnern und zwei Hunden namens Kila und Kali. In die beiden hab ich mich schon verliebt, die ersten Tage hatten sie noch Angst vor mir, aber dann gab es diesen einen magischen Moment: Ich saß nachts auf der Veranda und plötzlich kamen die beiden an und ließen sich streicheln. Es klingt nicht besonders spannend, aber für mich war es ein unglaubliches Gefühl, ich spürte, dass ich glücklich war. Jetzt ist es schon Tradition: Marcus und ich setzen uns abends raus, machen eine Kerze an, streicheln die Hunde und reden. Manchmal schweigen wir auch einfach. Schöner kann man den Abend nicht ausklingen lassen. Von nebenan kommen noch Geräusche von der einzigen Bar in Rulenge, die wir auch schon öfter besucht haben. Ein Fernseher sendet irgendeinen Mist, irgendeine Castingshow oder eine billige Soap. Die Bar ist aber echt klasse, wir haben dort schon öfters mit dem Father Didas gesessen, dem Mann, der den Weltrekord im Langsam-Biertrinken hält. Es ist Comedy pur: Didas sitzt da, trinkt alle 10 Minuten einen winzigen Schluck aus dem Glas, dass noch randvoll ist, gießt dann sofort wieder nach und das Glas läuft über. Nach 2 Stunden bestellt der Kunde dann noch ein Bier. Wir wissen ab jetzt: Wenn er mit uns mal eben ein Bier trinken geht, dann ist der Tag gelaufen...
Doch nochmal zurück zu meiner Wohnsituation: Im Moment wohnen wir noch hier, aber Nathalie überlegt abzubrechen oder eine Stelle woanders anzunehmen und dann müssen wir hier wahrscheinlich ausziehn. Außerdem kommen bald noch die Caro und die Renate und da ist auch noch offen wo sie wohnen werden. Hinzu kommen die Kosten. Ich freue mich über jeden Tag, den ich hier wohnen kann. Die Nathalie hat zwei Angestellte, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen wäre da der Charles, der Gärtner, Hausmeister und Autowäscher in einem ist. Das ist wirklich ein lustiger Kerl, der immer ein kurzes Plauschchen mit uns hält, obwohl er nur Kisuaheli kann und wir kaum ein Wort verstehn. Aber Spaß machts trotzdem. Einmal waren wir mit ihm auf dem Markt ein Huhn kaufen, dass ich kurzerhand Petra getauft habe. Das war das erste Mal, dass ich ein Huhn kopfüber nach Hause getragen habe, war auch mal ein Erlebnis. Heute wäre Petra übrigens fast gestorben, sie hats irgendwie geschafft aus dem Stall zu kommen und die Hunde hätten sie fast getötet. Das haben wir aber grad noch so verhindert.
Die andere Angestellte ist Advera, die uns eher unsympathisch ist. Sie macht hier jeden Tag sauber und backt Brot. Die meiste Zeit verbringt sie aber mit Telefonieren und mit der Sauberkeit hat sies auch nicht so. Hier gibt es z.B. Unmengen von Ameisen und noch schlimmer: riesige Schaben!
Nun also zu Rulenge: Wie gesagt ein Dorf! Am ersten Tag sind wir erst mal mit Nathalie herumgegangen, haben vielen Menschen die Hände geschüttelt, uns kurz vorgestellt und deren Namen danach sofort wieder vergessen. Wichtig ist natürlich der Father Didas, da werd ich nie vergessen wie ich den zum ersten Mal gesehen hab: Nichtsahnend kommt er plötzlich um eine Ecke, reißt die Augen auf, brüllt uns eine Begrüßung entgegen und zerquetscht mich fast in einer innigen Umarmung. Es war herrlich. Das ist schon ne Marke, sein Lachen werd ich nie vergessen.
Er kann auch ein bisschen Deutsch, sein Lieblingswort ist „Mittagsschlaf“. Das war einer meiner größten Lacher überhaupt, als er plötzlich dieses Wort rausgehaun hat.
Dann ist da der Father Sixmund, der Verantwortliche für Marcus, ein wesentlich ruhigerer Typ, der auch ganz sympathisch ist. Außerdem ist da die Sister Augustina, die nur sehr wenig Englisch kann, aber trotzdem versucht uns Kisuaheli beizubringen. Die meisten Menschen hier sind wirklich freundlich und hilfsbereit, aber man fragt sich immer, ob die das auch wirklich ernst meinen. Die Gespräche laufen immer nach gleichem Schema ab: Man sagt „Habari!“, die andere Person antwortet „Nzuri!“ und dann erzählt man vielleicht noch kurz was man hier macht. Ein wirklich tiefgehendes Gespräch ist kaum möglich, man redet hier auch grundsätzlich nur über das Positive.
Wer ist noch bei mir hängen geblieben? Wir haben einen Italiener am Rand von Rulenge besucht, einen sehr netten, aber unfassbar dürren Menschen, der dort mit der Jatropha-Pflanze arbeitet und aus dieser einen Dieselersatz und Seife herstellt. Er lebt unter wirklich erbärmlichen Verhältnissen, aber das schöne war: Er wirkte extrem glücklich! Er meinte, er könnte auch nach Italien zurückgehen, aber das will er nicht. Ich hab ihm diese Aussage abgenommen, man musste ihm nur in die Augen schauen um zu sehen, dass er sein Leben genießt...
Nun also zu meiner Arbeitsstelle: 13 Jahre habe ich eine Schule besucht und nun bin ich wieder in einer, allerdings stehe ich jetzt auf der anderen Seite. Ich bin jetzt seit zwei Wochen von Montag bis Freitag da, hab aber noch kein einziges Mal unterrichtet. Genug zu tun hab ich aber immer und ich bin sehr glücklich mit meiner Arbeit und mit den Menschen dort. Ich soll in Englisch, Geografie und Europäischer Geschichte unterrichten, allerdings nur manchmal. Ich hab immer genügend Zeit mich vorzubereiten. Mein erstes Thema wird wohl entweder die Berliner Mauer oder der Begriff des Faschismus sein. Material hab ich bekommen, genug Bücher gibt es. So sitz ich also oft in meinem Office und arbeite.
Ich muss aber auch zugeben, dass ich oft mit den Lehrern bzw. Schülern relaxe. Es ist eine wirklich schöne Arbeitsstelle: Ein riesiges Schulgelände, die Lehrer haben alle ihr eigenes Haus und wohnen bei der Schule und auch die Schüler wohnen während der Unterrichtszeit dort, natürlich getrennt nach Jungen und Mädchen. Viele Schüler sind älter als ich, manche sind 25. Das liegt daran, dass das Schulgeld teuer ist und manche erst spät die Chance haben, auf die weiterführende Schule zu gehen. Ich soll also Afrikaner unterrichten, die älter sind als ich. Es ist schon ein wenig absurd. Die Sportanlagen sind riesig, das Angebot reicht von Fußball, Volleyball, Basketball zu Tennis und Tischtennis. Sport wird am Nachmittag gemacht.
Ich esse mittags im Haus vom Headmaster, also im Allerheiligsten. Das ist wirklich eine Ehre, die glaub ich nicht jedem zuteil wird. Das Essen ist hier auch wirklich umfangreich, es gibt Schweinefleisch, Kochbananen, Reis, Nudeln, Spinat und manchmal Fisch. Für afrikanische Verhältnisse ist das schon fast fürstlich. Der Headmaster ist sehr nett, er heißt Dagobert. Ich habe ihm einen Comic mit Dagobert Duck gezeigt und er hat sich ziemlich amüsiert darüber.
Woran ich mich auch noch nicht ganz gewöhnt habe: Die Schüler haben teilweise Angst vor mir und begrüßen mich oft kleinlaut mit „Good Morning, Sir!“. Ich dachte, ich spinne. Aber als Weißer wird man einfach ganz anders behandelt. Der Gipfel war, als ich bei einem Lehrer mit im Unterricht saß und zugeguckt habe. Ich saß da, will dem Unterricht folgen und plötzlich fangen die Schüler an mir Zettelchen zu schreiben. Ich hab mich gefühlt wie früher. Auf den Zetteln stand immer das Gleiche: Sie wollten meinen Namen wissen, woher ich komme, was ich hier mache und vor allem: Sie wollten wissen wie Deutschland denn so ist und manche wollten gar, dass ich sie dort mit hin nehme. Vor allem aber wollen sie alle meine Freunde werden. Ein europäischer Freund macht sich immer gut. Ich habe ein paar von den Zetteln aufbewahrt, sonst glaub ich das in einem Jahr nicht mehr... Viele kommen auch in mein Office und stellen sich offiziell vor.
Mittlerweile mach ich das so: Immer wenn ich mich zu einem Lehrer mit in den Unterricht setze, stell ich mich vorne hin und stelle mich mit ein paar Sätzen vor. Am Anfang war ich da noch nervös vor knapp 50 afrikanischen Schülern zu stehn, aber mittlerweile nehm ich das extrem locker. Überhaupt, das ist Marcus und mir aufgefallen: Wir sind nach nun einem Monat so unglaublich entspannt geworden, was bringt es schon sich über irgendwas aufzuregen oder vor irgendwas nervös zu sein? Es wird schon alles irgendwie klappen!
Ich habe zwei wirklich gute Freunde an der Schule: Zum einen ist da der Ricardo, ein sehr junger Lehrer, der fast am selben Tag wie ich geboren wurde. Er hat mich herumgeführt, bei ihm saß ich zum ersten Mal mit im Unterricht und wir saßen nebeneinander im Tea Room. Jeden Tag um 11 Uhr ist Tea Time, dann gibt es so kleine Kuchen und dazu unglaublich süßen Tee. Die Lehrer sitzen hier alle zusammen und es wird miteinander geplaudert oder wichtige schulische Dinge besprochen. Es gibt eine genaue Sitzverteilung: Der Headmaster sitzt natürlich in der Mitte, daneben der Second Master und daneben der Discipline Master. Bestrafung gibt es hier nämlich noch und dagegen sagen sollte ich lieber nichts. Mädchen wird mit einem Stock auf die Finger geschlagen und Jungs auf den Hintern. Ja, lieber Blogleser, du hast richtig gelesen. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag erinnern: Da hatte ich die Ehre, neben Dagobert, dem Headmaster, zu sitzen, auf einem wunderbar flauschigen Sofa. Er hat mich vor allen Lehrern vorgestellt und dann durfte auch ich ein paar Worte sagen. Danach haben alle applaudiert und ich war aufgenommen. Das war wieder einer dieser Momente wo mir wieder aufgefallen war, wie abstrus das doch alles ist was ich hier mache. Aber gleichzeitig dachte ich auch: Es ist wunderbar hier. Mit dem Ricardo kann ich mich z.B. echt gut unterhalten, ich hab ihm Fotos aus Deutschland gezeigt und er hat mir Fotos von seinem Leben gezeigt. Wir haben auch schon mehrere Fotos von uns beiden gemacht, er sagt mir jeden Tag ein paar Mal, wie stolz er doch ist, mich kennen zu dürfen. Das ist schon ein wenig komisch. Leider verlässt er die Secondary School jetzt, um sein Studium weiterzuführen. Das ist echt schade, aber wir haben schon abgemacht, dass wir uns mal in Mwanza treffen und dass er irgendwann mal nach Deutschland kommt. Das ist sein großer Traum, aber das geht vielen so. Alle wollen sie nach Europa, aber für die meisten wird es ein Traum bleiben, da so eine Reise viel zu teuer ist...
Wir haben jedenfalls Adressen ausgetauscht und er hat mir noch zwei Fotos als Erinnerung gegeben.
Ein anderer wirklich guter Freund ist Mr. Muhindi. Er ist ebenfalls Lehrer und so um die 40. Er teilt sich mit mir das Office und er ist sehr, sehr wissbegierig. Ich bringe ihm Deutsch bei und er freut sich über jedes einzelne Wort. Im Gegenzug bringt er mir Kisuaheli bei. Er interessiert sich auch für Geschichte und so haben wir immer was zu plaudern. Er hat mich auch schon mehrmals in sein Haus eingeladen zum Essen. Seine Frau ist auch sehr nett und er hat eine absolut süße kleine Tochter. Kommenden Montag hat er mich eingeladen sein Heimatdorf zu besuchen, dann holt er mich mit seinem Motorrad ab und wir fahren zusammen da hin. Dort lern ich dann seine gesamte Familie kennen, das wird bestimmt spannend.
Sehr lustig fand ich auch, als Mr.Muhindi zum ersten Mal das Tippen auf meinem Laptop geübt hat. Der hat da vorgesessen und gefühlte fünf Minuten für eine Taste gebraucht, das war zu komisch. Mittlerweile ist er aber schon etwas schneller geworden, ab und zu legen wir eine Übungsschicht ein.
Bei Mr. Muhindi hab ich auch zum ersten Mal gesehen, wie eine Klassenarbeit abläuft. Die Fragen werden natürlich alle an die Tafel geschrieben, Blätter sind nicht vorhanden. Und dann der große Unterschied zu den Klassenarbeiten, die ich bisher kannte: Es sind fast ausschließlich Multiple-Choice-Fragen. Und dann auch noch ziemlich einfache, wie ich finde. Mal ein Beispiel: „Wodurch wird der HI-Virus besonders häufig übertragen?“ Die Lösung von den vier Antwortmöglichkeiten war natürlich: „durch Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person“. Ganz ehrlich: Solche Arbeiten hätte ich auch gerne geschrieben. Selbst wenn man nichts weiß, kann man durch Raten weiterkommen. Ich hab ihn danach gefragt ob das so üblich ist und er hat es bejaht.
Achso, und dann noch zu meinem Lieblingsthema: Mit Mr. Muhindi kann man übrigens auch gut ein Bier trinken und er ist zum Glück etwas schneller als Father Didas. Ich möchte in diesem Blog mal die Biersorten festhalten, die es hier gibt: Balimi, Safari, Castle und mein absolutes Lieblingsbier: Kilimanjaro! Ich glaub, das ist nur mein Favorit, weil ich mir fest vorgenommen habe, in diesem Jahr auf die Spitze dieses Berges zu kommen. Mal schauen ob das klappt, Marcus ist noch skeptisch und leider ist es auch ziemlich teuer. Aber das Jahr ist noch lang, es ist erst ein Monat vergangen...
Ich bin also sehr zufrieden mit meiner Arbeit dort, das einzige Problem ist noch wie ich zur Schule komme. Es sind knapp vier Kilometer und es ist nicht ungefährlich, da es extrem bergauf und bergab geht. Ich habe es ein paar Mal mit dem Fahrrad probiert und habe mittlerweile beschlossen, dass ich das so nicht weitermache. Erstens ist es extrem anstrengend (und ich bin in Sachen Rad fahren echt keine Memme!) und zweitens ist das Rad nach fast jeder Tour kaputt, obwohl es noch eins der besseren hier ist. Einmal musste ich es mitten auf dem Weg stehen lassen, weil es unmöglich war weiterzufahren. Auf dem Rückweg war das Rad dann weg und ich dachte schon es wäre geklaut worden. Aber dann hab ich es doch wieder bekommen, jemand hatte es für mich sicher verwahrt.
Einmal musste ich auch zurück laufen, es gibt einfach keine Mitfahrgelegenheit, da die Lehrer alle an der Schule wohnen. Ich könnte auch dort wohnen, aber das möchte ich nicht, da dort wirklich nur die Schule ist und sonst nichts. Bei dem einen Mal wo ich zurücklaufen musste fing es dann natürlich auch noch an zu regnen. Das war mal wieder mein typisches Pech, es regnet so selten hier, aber ausgerechnet dann muss es natürlich sein. Gleichzeitg war es aber auch wieder schön, völlig allein durch diese wunderbare Landschaft zu gehen. Da hatte ich einige Zeit zum Nachdenken. Ich bin aber nicht so naiv, ich weiß auch, dass es gefährlich war, da ich all mein Geld dabei hatte und meinen Laptop. Überfälle sind hier nicht selten.
Für die wenigen Menschen, denen ich an diesem Tag begegnet bin, muss ich ein seltsames Bild abgegeben haben: Ein Europäer, der kein Auto hat? Das gibt’s doch gar nicht. Schon mit dem Fahrrad hab ich einige entsetzte Blicke abbekommen. Hier herrscht halt diese einfache Vorstellung: Aha! Ein Weißer, der ist also reich. Kinder sprechen uns auch häufig nur mit folgenden Worten an:“Give me my money!“ Ja, genau so sagen sie das wirklich.
Im Moment bringt mich jetzt jedenfalls die Nathalie mit ihrem Auto hin, aber das ist auch kein Dauerzustand, da es erstens Kosten für sie verursacht und sie außerdem oft auch woanders unterwegs ist. Da muss also noch eine Lösung gefunden werden und ich hoffe dem Dagobert bzw. Father Didas fällt noch was ein...
Nochmal eine kurze Geschichte zum Didas: Letztens Sonntag wollten wir uns mal einen wirklich entspannten Tag machen und nur faulenzen. Wir waren etwas komisch drauf und hatten uns erst mal früh morgens ein Bier aufgemacht.
Am Vormittag ruft er dann aber plötzlich an und meint er holt uns in einer Viertelstunde ab. Wegen was haben wir nicht verstanden, das haben wir auch erst nach einer Weile rausbekommen. Es ging irgendwie um drei Kühe, die Rulenge bekommen hat und wir sind zu jeder einzelnen Kuh gefahren mit jede Menge anderen Menschen. Dann wurde jede Kuh „begrüßt“, die Frauen haben gesungen, getanzt und vor allem viel gelacht. Nach einer Weile haben wir gemerkt, dass dies ein wirklich wichtiger Tag für sie sein musste. Danach wurden an einem Tisch noch viele Reden geschwungen. Wir hatten Ehrenplätze an diesem Tisch und wurden sehr herzlich aufgenommen. Verstanden haben wir allerdings kaum etwas, da alles auf Kisuaheli gesagt wurde, aber häufig wurde uns auch übersetzt. Danach haben wir dann noch zwei Bier mit dem Didas getrunken und wie lange das gedauert hat, weißt du ja nun, lieber Blogleser.
Bei dieser Rundreise haben wir dann auch noch die Tatjana kennen gelernt, eine andere Freiwillige in unserem Alter. Sie arbeitet auch an einer Schule. Allerdings ist sie nur für zwei Monate hier, und fliegt nächste Woche wieder nach Hause, was ich sehr schade finde, da es sehr angenehm war sich mit ihr zu unterhalten. Man freut sich hier über jeden mit dem man mehr als Small Talk führen kann. Mit dem Marcus geht das sehr gut und ich hoffe mit der Caro und der Renate verstehn wir uns dann auch gut. Nächsten Samstag fahren wir mit der Nathalie nach Mwanza und holen die beiden ab. Ich freu mich auf Mwanza und auf neue Gesellschaft. Die Caro wird dann hier in Rulenge sein und die Renate in Ngara.
Der Didas ist also bekannt dafür, dass er einen mal eben schnell abholt. Wir wissen jetzt: Den Tag kann man vergessen, man kommt definitiv erst abends wieder. Einmal hat er uns auch abgeholt um uns das erste Mal Ngara zu zeigen. Das fanden wir erst auch super, aber irgendwann hatten wir dann doch genug. Der Mann ist nach allen 10 Metern mit seinem Auto stehen geblieben um uns irgendjemandem vorzustellen. Ich weiß nicht mehr, wieviel Menschen wir die Hände geschüttelt haben, aber es waren verdammt viele. Gemerkt haben wir uns kaum einen, das war einfach nicht möglich. Aber diese Reise hat trotzdem viel gebracht. So haben wir z.B. eine Führung bei Radio Kwizera bekommen und das war echt interessant. Und wir haben wir noch oben auf einem Berg zu Mittag gegessen und die Aussicht war... man kann es nicht anders sagen... Atemberaubend. Ja. Manchmal sind solch kitschige Begriffe einfach angebracht. Dort oben hab ich ihm dann noch dieses tolle Handyspiel gezeigt, Snake. Mal wieder einer dieser herrlich absurden Momente, wo ich mir dachte: Junge, was du hier machst ist bescheuert und grandios zugleich!
Zum Schluss möchte ich auf eine neue Rubrik in meinem Blog hinweisen, die auch auf Wunsch
von Marcus in diesem Blog eingeführt wird. Es gibt keinen Tag wo wir nicht irgendeinen Song singen, summen oder grölen. Und es sind meistens keine normalen Songs, sondern irgendwelche total bescheuerte, auf keinen Fall unsere Lieblingsmusik. Der erste Song in dieser Rubrik begleitet uns schon seit den ersten Tagen bis heute. Ich habe keine Ahnung mehr wie wir darauf gekommen sind, aber es ist immer wieder höchst amüsant.
Das diesmalige Motto des Tages stammt von Mr. Muhindi!
Fotos hochladen kostet hier extrem viel und macht das Guthaben sofort wieder alle. Daher werd ich ab jetzt leider nur noch vereinzelt Fotos hochladen können. Aber in einem Jahr mach ich gern mal einen Fotoabend oder so...
Achso, und dann noch etwas zu den Kommentaren hier. Nach stundenlanger Suche hab ich es so einstellen können, dass auch nicht angemeldete Besucher etwas schreiben können. Muss ich noch etwas hinzufügen? ;-)
So, das war ein sehr langer Blog, herzlichen Glückwunsch, du bist am Ende angelangt. Ich bin mal wieder viel zu sehr ins Detail gegangen. Aber ganz ehrlich: Ich tu das in erster Linie auch für mich. Ich freu mich in 10 Jahren, wenn ich das hier wieder lese. Wir gucken jetzt mal wieder einen James Bond. Wir haben nämlich alle vom Roman bekommen und haben uns vorgenommen alle in der richtigen Reihenfolge zu gucken. Das wird ein Spaß. Wir haben auch Scrubs wiederentdeckt, eine der lustigsten Serien, die ich kenne. Tagsüber hat man ne Menge zu tun, aber das Abendprogramm ist meistens etwas eintönig. Ein Höhepunkt ist, wenn wir wieder in die Bar nebenan gehen und Chips Majai essen. Und danach dann wieder die Kerze anzünden, die Nacht genießen und natürlich die Hunde streicheln.
Song des Tages: Icke & Er – Richtig Geil
Motto des Tages: Long call or short call? (in Bezug aufs Toilette gehen...)
(geschrieben am 19. September 2009, ins Blog gestellt am 20. September 2009)
Da bin ich also endlich am Ziel. Rulenge! Eine richtige Großstadt ist das hier. Hier sollen 3500 Einwohner leben, aber manchmal frag ich mich wirklich wo die abgeblieben sind. Es ist also wirklich ein Dorf hier, aber das ist auch genau das was ich wollte. Einen wirklichen Gegensatz zum bisherigen Leben. Keine Großstadt. Anderes Essen. Andere Menschen. Ein anderes Lebensgefühl. Jeder Mensch sollte so etwas mal ausprobieren, es lohnt sich. Ich habe jetzt schon zu schätzen gelernt wie gut es mir in Deutschland geht. Einen Monat bin ich nun hier und ich fühle mich schon wie ein neuer Mensch. Das war bisher meine beste Entscheidung im Leben nach Afrika zu gehen.
Die Fahrt nach Rulenge war schon ziemlich aufregend. Eins gleich vorweg: Wir hatten keinen Platten, was ich fast ein bisschen schade fand. Aber spannend wars trotzdem. Der Fahrer von Nathalie hatte einen ziemlich rasanten Fahrstil, da hab ich am Anfang erst mal schlucken müssen, aber man gewöhnt sich an alles. Die Straßen sind hier größtenteils nur aus Kies, aber der Heini ist da trotzdem mit gefühlten 180 Stundenkilometern drüber gebrettert! Es war ein unbeschreibliches Gefühl diese knapp 7 Stunden, die wir gefahren sind. Ich habe keine Ahnung mehr was wir geredet haben, ich weiß nur noch, dass ich relativ still war und ein wenig melancholisch drauf. Die meiste Zeit hab ich damit verbracht aus dem Fenster zu starren und die Landschaft zu genießen. Relativ am Ende haben wir dann noch Affen auf der Straße gesehn, die dann aber ziemlich schnell geflüchtet sind. Es war Afrika-Feeling pur! Dazu haben wir dann noch die Kooks oder auch The Strokes gehört, das war auch wieder absurd schön: The Kooks in Afrika, eine meiner Lieblingsbands!
Wir wohnen jetzt seit über 2 Wochen bei Nathalie, einer deutschsprachigen Belgierin, die auch Volunteer ist, aber im Moment nicht wirklich etwas zu tun hat. Im Moment dürfen wir noch bei ihr wohnen und es ist wirklich wunderbar, aber es ist offen wie es weitergeht. Für mich war eigentlich ein anderes Zimmer vorgesehn, dass wirklich grausam kalt aussieht und der Marcus sollte eigentlich nach Ngara ziehen. Ich will hier aber ehrlich gesagt gar nicht weg, dieses Haus ist super, mit Garten, Hühnern und zwei Hunden namens Kila und Kali. In die beiden hab ich mich schon verliebt, die ersten Tage hatten sie noch Angst vor mir, aber dann gab es diesen einen magischen Moment: Ich saß nachts auf der Veranda und plötzlich kamen die beiden an und ließen sich streicheln. Es klingt nicht besonders spannend, aber für mich war es ein unglaubliches Gefühl, ich spürte, dass ich glücklich war. Jetzt ist es schon Tradition: Marcus und ich setzen uns abends raus, machen eine Kerze an, streicheln die Hunde und reden. Manchmal schweigen wir auch einfach. Schöner kann man den Abend nicht ausklingen lassen. Von nebenan kommen noch Geräusche von der einzigen Bar in Rulenge, die wir auch schon öfter besucht haben. Ein Fernseher sendet irgendeinen Mist, irgendeine Castingshow oder eine billige Soap. Die Bar ist aber echt klasse, wir haben dort schon öfters mit dem Father Didas gesessen, dem Mann, der den Weltrekord im Langsam-Biertrinken hält. Es ist Comedy pur: Didas sitzt da, trinkt alle 10 Minuten einen winzigen Schluck aus dem Glas, dass noch randvoll ist, gießt dann sofort wieder nach und das Glas läuft über. Nach 2 Stunden bestellt der Kunde dann noch ein Bier. Wir wissen ab jetzt: Wenn er mit uns mal eben ein Bier trinken geht, dann ist der Tag gelaufen...
Doch nochmal zurück zu meiner Wohnsituation: Im Moment wohnen wir noch hier, aber Nathalie überlegt abzubrechen oder eine Stelle woanders anzunehmen und dann müssen wir hier wahrscheinlich ausziehn. Außerdem kommen bald noch die Caro und die Renate und da ist auch noch offen wo sie wohnen werden. Hinzu kommen die Kosten. Ich freue mich über jeden Tag, den ich hier wohnen kann. Die Nathalie hat zwei Angestellte, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen wäre da der Charles, der Gärtner, Hausmeister und Autowäscher in einem ist. Das ist wirklich ein lustiger Kerl, der immer ein kurzes Plauschchen mit uns hält, obwohl er nur Kisuaheli kann und wir kaum ein Wort verstehn. Aber Spaß machts trotzdem. Einmal waren wir mit ihm auf dem Markt ein Huhn kaufen, dass ich kurzerhand Petra getauft habe. Das war das erste Mal, dass ich ein Huhn kopfüber nach Hause getragen habe, war auch mal ein Erlebnis. Heute wäre Petra übrigens fast gestorben, sie hats irgendwie geschafft aus dem Stall zu kommen und die Hunde hätten sie fast getötet. Das haben wir aber grad noch so verhindert.
Die andere Angestellte ist Advera, die uns eher unsympathisch ist. Sie macht hier jeden Tag sauber und backt Brot. Die meiste Zeit verbringt sie aber mit Telefonieren und mit der Sauberkeit hat sies auch nicht so. Hier gibt es z.B. Unmengen von Ameisen und noch schlimmer: riesige Schaben!
Nun also zu Rulenge: Wie gesagt ein Dorf! Am ersten Tag sind wir erst mal mit Nathalie herumgegangen, haben vielen Menschen die Hände geschüttelt, uns kurz vorgestellt und deren Namen danach sofort wieder vergessen. Wichtig ist natürlich der Father Didas, da werd ich nie vergessen wie ich den zum ersten Mal gesehen hab: Nichtsahnend kommt er plötzlich um eine Ecke, reißt die Augen auf, brüllt uns eine Begrüßung entgegen und zerquetscht mich fast in einer innigen Umarmung. Es war herrlich. Das ist schon ne Marke, sein Lachen werd ich nie vergessen.
Er kann auch ein bisschen Deutsch, sein Lieblingswort ist „Mittagsschlaf“. Das war einer meiner größten Lacher überhaupt, als er plötzlich dieses Wort rausgehaun hat.
Dann ist da der Father Sixmund, der Verantwortliche für Marcus, ein wesentlich ruhigerer Typ, der auch ganz sympathisch ist. Außerdem ist da die Sister Augustina, die nur sehr wenig Englisch kann, aber trotzdem versucht uns Kisuaheli beizubringen. Die meisten Menschen hier sind wirklich freundlich und hilfsbereit, aber man fragt sich immer, ob die das auch wirklich ernst meinen. Die Gespräche laufen immer nach gleichem Schema ab: Man sagt „Habari!“, die andere Person antwortet „Nzuri!“ und dann erzählt man vielleicht noch kurz was man hier macht. Ein wirklich tiefgehendes Gespräch ist kaum möglich, man redet hier auch grundsätzlich nur über das Positive.
Wer ist noch bei mir hängen geblieben? Wir haben einen Italiener am Rand von Rulenge besucht, einen sehr netten, aber unfassbar dürren Menschen, der dort mit der Jatropha-Pflanze arbeitet und aus dieser einen Dieselersatz und Seife herstellt. Er lebt unter wirklich erbärmlichen Verhältnissen, aber das schöne war: Er wirkte extrem glücklich! Er meinte, er könnte auch nach Italien zurückgehen, aber das will er nicht. Ich hab ihm diese Aussage abgenommen, man musste ihm nur in die Augen schauen um zu sehen, dass er sein Leben genießt...
Nun also zu meiner Arbeitsstelle: 13 Jahre habe ich eine Schule besucht und nun bin ich wieder in einer, allerdings stehe ich jetzt auf der anderen Seite. Ich bin jetzt seit zwei Wochen von Montag bis Freitag da, hab aber noch kein einziges Mal unterrichtet. Genug zu tun hab ich aber immer und ich bin sehr glücklich mit meiner Arbeit und mit den Menschen dort. Ich soll in Englisch, Geografie und Europäischer Geschichte unterrichten, allerdings nur manchmal. Ich hab immer genügend Zeit mich vorzubereiten. Mein erstes Thema wird wohl entweder die Berliner Mauer oder der Begriff des Faschismus sein. Material hab ich bekommen, genug Bücher gibt es. So sitz ich also oft in meinem Office und arbeite.
Ich muss aber auch zugeben, dass ich oft mit den Lehrern bzw. Schülern relaxe. Es ist eine wirklich schöne Arbeitsstelle: Ein riesiges Schulgelände, die Lehrer haben alle ihr eigenes Haus und wohnen bei der Schule und auch die Schüler wohnen während der Unterrichtszeit dort, natürlich getrennt nach Jungen und Mädchen. Viele Schüler sind älter als ich, manche sind 25. Das liegt daran, dass das Schulgeld teuer ist und manche erst spät die Chance haben, auf die weiterführende Schule zu gehen. Ich soll also Afrikaner unterrichten, die älter sind als ich. Es ist schon ein wenig absurd. Die Sportanlagen sind riesig, das Angebot reicht von Fußball, Volleyball, Basketball zu Tennis und Tischtennis. Sport wird am Nachmittag gemacht.
Ich esse mittags im Haus vom Headmaster, also im Allerheiligsten. Das ist wirklich eine Ehre, die glaub ich nicht jedem zuteil wird. Das Essen ist hier auch wirklich umfangreich, es gibt Schweinefleisch, Kochbananen, Reis, Nudeln, Spinat und manchmal Fisch. Für afrikanische Verhältnisse ist das schon fast fürstlich. Der Headmaster ist sehr nett, er heißt Dagobert. Ich habe ihm einen Comic mit Dagobert Duck gezeigt und er hat sich ziemlich amüsiert darüber.
Woran ich mich auch noch nicht ganz gewöhnt habe: Die Schüler haben teilweise Angst vor mir und begrüßen mich oft kleinlaut mit „Good Morning, Sir!“. Ich dachte, ich spinne. Aber als Weißer wird man einfach ganz anders behandelt. Der Gipfel war, als ich bei einem Lehrer mit im Unterricht saß und zugeguckt habe. Ich saß da, will dem Unterricht folgen und plötzlich fangen die Schüler an mir Zettelchen zu schreiben. Ich hab mich gefühlt wie früher. Auf den Zetteln stand immer das Gleiche: Sie wollten meinen Namen wissen, woher ich komme, was ich hier mache und vor allem: Sie wollten wissen wie Deutschland denn so ist und manche wollten gar, dass ich sie dort mit hin nehme. Vor allem aber wollen sie alle meine Freunde werden. Ein europäischer Freund macht sich immer gut. Ich habe ein paar von den Zetteln aufbewahrt, sonst glaub ich das in einem Jahr nicht mehr... Viele kommen auch in mein Office und stellen sich offiziell vor.
Mittlerweile mach ich das so: Immer wenn ich mich zu einem Lehrer mit in den Unterricht setze, stell ich mich vorne hin und stelle mich mit ein paar Sätzen vor. Am Anfang war ich da noch nervös vor knapp 50 afrikanischen Schülern zu stehn, aber mittlerweile nehm ich das extrem locker. Überhaupt, das ist Marcus und mir aufgefallen: Wir sind nach nun einem Monat so unglaublich entspannt geworden, was bringt es schon sich über irgendwas aufzuregen oder vor irgendwas nervös zu sein? Es wird schon alles irgendwie klappen!
Ich habe zwei wirklich gute Freunde an der Schule: Zum einen ist da der Ricardo, ein sehr junger Lehrer, der fast am selben Tag wie ich geboren wurde. Er hat mich herumgeführt, bei ihm saß ich zum ersten Mal mit im Unterricht und wir saßen nebeneinander im Tea Room. Jeden Tag um 11 Uhr ist Tea Time, dann gibt es so kleine Kuchen und dazu unglaublich süßen Tee. Die Lehrer sitzen hier alle zusammen und es wird miteinander geplaudert oder wichtige schulische Dinge besprochen. Es gibt eine genaue Sitzverteilung: Der Headmaster sitzt natürlich in der Mitte, daneben der Second Master und daneben der Discipline Master. Bestrafung gibt es hier nämlich noch und dagegen sagen sollte ich lieber nichts. Mädchen wird mit einem Stock auf die Finger geschlagen und Jungs auf den Hintern. Ja, lieber Blogleser, du hast richtig gelesen. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag erinnern: Da hatte ich die Ehre, neben Dagobert, dem Headmaster, zu sitzen, auf einem wunderbar flauschigen Sofa. Er hat mich vor allen Lehrern vorgestellt und dann durfte auch ich ein paar Worte sagen. Danach haben alle applaudiert und ich war aufgenommen. Das war wieder einer dieser Momente wo mir wieder aufgefallen war, wie abstrus das doch alles ist was ich hier mache. Aber gleichzeitig dachte ich auch: Es ist wunderbar hier. Mit dem Ricardo kann ich mich z.B. echt gut unterhalten, ich hab ihm Fotos aus Deutschland gezeigt und er hat mir Fotos von seinem Leben gezeigt. Wir haben auch schon mehrere Fotos von uns beiden gemacht, er sagt mir jeden Tag ein paar Mal, wie stolz er doch ist, mich kennen zu dürfen. Das ist schon ein wenig komisch. Leider verlässt er die Secondary School jetzt, um sein Studium weiterzuführen. Das ist echt schade, aber wir haben schon abgemacht, dass wir uns mal in Mwanza treffen und dass er irgendwann mal nach Deutschland kommt. Das ist sein großer Traum, aber das geht vielen so. Alle wollen sie nach Europa, aber für die meisten wird es ein Traum bleiben, da so eine Reise viel zu teuer ist...
Wir haben jedenfalls Adressen ausgetauscht und er hat mir noch zwei Fotos als Erinnerung gegeben.
Ein anderer wirklich guter Freund ist Mr. Muhindi. Er ist ebenfalls Lehrer und so um die 40. Er teilt sich mit mir das Office und er ist sehr, sehr wissbegierig. Ich bringe ihm Deutsch bei und er freut sich über jedes einzelne Wort. Im Gegenzug bringt er mir Kisuaheli bei. Er interessiert sich auch für Geschichte und so haben wir immer was zu plaudern. Er hat mich auch schon mehrmals in sein Haus eingeladen zum Essen. Seine Frau ist auch sehr nett und er hat eine absolut süße kleine Tochter. Kommenden Montag hat er mich eingeladen sein Heimatdorf zu besuchen, dann holt er mich mit seinem Motorrad ab und wir fahren zusammen da hin. Dort lern ich dann seine gesamte Familie kennen, das wird bestimmt spannend.
Sehr lustig fand ich auch, als Mr.Muhindi zum ersten Mal das Tippen auf meinem Laptop geübt hat. Der hat da vorgesessen und gefühlte fünf Minuten für eine Taste gebraucht, das war zu komisch. Mittlerweile ist er aber schon etwas schneller geworden, ab und zu legen wir eine Übungsschicht ein.
Bei Mr. Muhindi hab ich auch zum ersten Mal gesehen, wie eine Klassenarbeit abläuft. Die Fragen werden natürlich alle an die Tafel geschrieben, Blätter sind nicht vorhanden. Und dann der große Unterschied zu den Klassenarbeiten, die ich bisher kannte: Es sind fast ausschließlich Multiple-Choice-Fragen. Und dann auch noch ziemlich einfache, wie ich finde. Mal ein Beispiel: „Wodurch wird der HI-Virus besonders häufig übertragen?“ Die Lösung von den vier Antwortmöglichkeiten war natürlich: „durch Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person“. Ganz ehrlich: Solche Arbeiten hätte ich auch gerne geschrieben. Selbst wenn man nichts weiß, kann man durch Raten weiterkommen. Ich hab ihn danach gefragt ob das so üblich ist und er hat es bejaht.
Achso, und dann noch zu meinem Lieblingsthema: Mit Mr. Muhindi kann man übrigens auch gut ein Bier trinken und er ist zum Glück etwas schneller als Father Didas. Ich möchte in diesem Blog mal die Biersorten festhalten, die es hier gibt: Balimi, Safari, Castle und mein absolutes Lieblingsbier: Kilimanjaro! Ich glaub, das ist nur mein Favorit, weil ich mir fest vorgenommen habe, in diesem Jahr auf die Spitze dieses Berges zu kommen. Mal schauen ob das klappt, Marcus ist noch skeptisch und leider ist es auch ziemlich teuer. Aber das Jahr ist noch lang, es ist erst ein Monat vergangen...
Ich bin also sehr zufrieden mit meiner Arbeit dort, das einzige Problem ist noch wie ich zur Schule komme. Es sind knapp vier Kilometer und es ist nicht ungefährlich, da es extrem bergauf und bergab geht. Ich habe es ein paar Mal mit dem Fahrrad probiert und habe mittlerweile beschlossen, dass ich das so nicht weitermache. Erstens ist es extrem anstrengend (und ich bin in Sachen Rad fahren echt keine Memme!) und zweitens ist das Rad nach fast jeder Tour kaputt, obwohl es noch eins der besseren hier ist. Einmal musste ich es mitten auf dem Weg stehen lassen, weil es unmöglich war weiterzufahren. Auf dem Rückweg war das Rad dann weg und ich dachte schon es wäre geklaut worden. Aber dann hab ich es doch wieder bekommen, jemand hatte es für mich sicher verwahrt.
Einmal musste ich auch zurück laufen, es gibt einfach keine Mitfahrgelegenheit, da die Lehrer alle an der Schule wohnen. Ich könnte auch dort wohnen, aber das möchte ich nicht, da dort wirklich nur die Schule ist und sonst nichts. Bei dem einen Mal wo ich zurücklaufen musste fing es dann natürlich auch noch an zu regnen. Das war mal wieder mein typisches Pech, es regnet so selten hier, aber ausgerechnet dann muss es natürlich sein. Gleichzeitg war es aber auch wieder schön, völlig allein durch diese wunderbare Landschaft zu gehen. Da hatte ich einige Zeit zum Nachdenken. Ich bin aber nicht so naiv, ich weiß auch, dass es gefährlich war, da ich all mein Geld dabei hatte und meinen Laptop. Überfälle sind hier nicht selten.
Für die wenigen Menschen, denen ich an diesem Tag begegnet bin, muss ich ein seltsames Bild abgegeben haben: Ein Europäer, der kein Auto hat? Das gibt’s doch gar nicht. Schon mit dem Fahrrad hab ich einige entsetzte Blicke abbekommen. Hier herrscht halt diese einfache Vorstellung: Aha! Ein Weißer, der ist also reich. Kinder sprechen uns auch häufig nur mit folgenden Worten an:“Give me my money!“ Ja, genau so sagen sie das wirklich.
Im Moment bringt mich jetzt jedenfalls die Nathalie mit ihrem Auto hin, aber das ist auch kein Dauerzustand, da es erstens Kosten für sie verursacht und sie außerdem oft auch woanders unterwegs ist. Da muss also noch eine Lösung gefunden werden und ich hoffe dem Dagobert bzw. Father Didas fällt noch was ein...
Nochmal eine kurze Geschichte zum Didas: Letztens Sonntag wollten wir uns mal einen wirklich entspannten Tag machen und nur faulenzen. Wir waren etwas komisch drauf und hatten uns erst mal früh morgens ein Bier aufgemacht.
Am Vormittag ruft er dann aber plötzlich an und meint er holt uns in einer Viertelstunde ab. Wegen was haben wir nicht verstanden, das haben wir auch erst nach einer Weile rausbekommen. Es ging irgendwie um drei Kühe, die Rulenge bekommen hat und wir sind zu jeder einzelnen Kuh gefahren mit jede Menge anderen Menschen. Dann wurde jede Kuh „begrüßt“, die Frauen haben gesungen, getanzt und vor allem viel gelacht. Nach einer Weile haben wir gemerkt, dass dies ein wirklich wichtiger Tag für sie sein musste. Danach wurden an einem Tisch noch viele Reden geschwungen. Wir hatten Ehrenplätze an diesem Tisch und wurden sehr herzlich aufgenommen. Verstanden haben wir allerdings kaum etwas, da alles auf Kisuaheli gesagt wurde, aber häufig wurde uns auch übersetzt. Danach haben wir dann noch zwei Bier mit dem Didas getrunken und wie lange das gedauert hat, weißt du ja nun, lieber Blogleser.
Bei dieser Rundreise haben wir dann auch noch die Tatjana kennen gelernt, eine andere Freiwillige in unserem Alter. Sie arbeitet auch an einer Schule. Allerdings ist sie nur für zwei Monate hier, und fliegt nächste Woche wieder nach Hause, was ich sehr schade finde, da es sehr angenehm war sich mit ihr zu unterhalten. Man freut sich hier über jeden mit dem man mehr als Small Talk führen kann. Mit dem Marcus geht das sehr gut und ich hoffe mit der Caro und der Renate verstehn wir uns dann auch gut. Nächsten Samstag fahren wir mit der Nathalie nach Mwanza und holen die beiden ab. Ich freu mich auf Mwanza und auf neue Gesellschaft. Die Caro wird dann hier in Rulenge sein und die Renate in Ngara.
Der Didas ist also bekannt dafür, dass er einen mal eben schnell abholt. Wir wissen jetzt: Den Tag kann man vergessen, man kommt definitiv erst abends wieder. Einmal hat er uns auch abgeholt um uns das erste Mal Ngara zu zeigen. Das fanden wir erst auch super, aber irgendwann hatten wir dann doch genug. Der Mann ist nach allen 10 Metern mit seinem Auto stehen geblieben um uns irgendjemandem vorzustellen. Ich weiß nicht mehr, wieviel Menschen wir die Hände geschüttelt haben, aber es waren verdammt viele. Gemerkt haben wir uns kaum einen, das war einfach nicht möglich. Aber diese Reise hat trotzdem viel gebracht. So haben wir z.B. eine Führung bei Radio Kwizera bekommen und das war echt interessant. Und wir haben wir noch oben auf einem Berg zu Mittag gegessen und die Aussicht war... man kann es nicht anders sagen... Atemberaubend. Ja. Manchmal sind solch kitschige Begriffe einfach angebracht. Dort oben hab ich ihm dann noch dieses tolle Handyspiel gezeigt, Snake. Mal wieder einer dieser herrlich absurden Momente, wo ich mir dachte: Junge, was du hier machst ist bescheuert und grandios zugleich!
Zum Schluss möchte ich auf eine neue Rubrik in meinem Blog hinweisen, die auch auf Wunsch
von Marcus in diesem Blog eingeführt wird. Es gibt keinen Tag wo wir nicht irgendeinen Song singen, summen oder grölen. Und es sind meistens keine normalen Songs, sondern irgendwelche total bescheuerte, auf keinen Fall unsere Lieblingsmusik. Der erste Song in dieser Rubrik begleitet uns schon seit den ersten Tagen bis heute. Ich habe keine Ahnung mehr wie wir darauf gekommen sind, aber es ist immer wieder höchst amüsant.
Das diesmalige Motto des Tages stammt von Mr. Muhindi!
Fotos hochladen kostet hier extrem viel und macht das Guthaben sofort wieder alle. Daher werd ich ab jetzt leider nur noch vereinzelt Fotos hochladen können. Aber in einem Jahr mach ich gern mal einen Fotoabend oder so...
Achso, und dann noch etwas zu den Kommentaren hier. Nach stundenlanger Suche hab ich es so einstellen können, dass auch nicht angemeldete Besucher etwas schreiben können. Muss ich noch etwas hinzufügen? ;-)
So, das war ein sehr langer Blog, herzlichen Glückwunsch, du bist am Ende angelangt. Ich bin mal wieder viel zu sehr ins Detail gegangen. Aber ganz ehrlich: Ich tu das in erster Linie auch für mich. Ich freu mich in 10 Jahren, wenn ich das hier wieder lese. Wir gucken jetzt mal wieder einen James Bond. Wir haben nämlich alle vom Roman bekommen und haben uns vorgenommen alle in der richtigen Reihenfolge zu gucken. Das wird ein Spaß. Wir haben auch Scrubs wiederentdeckt, eine der lustigsten Serien, die ich kenne. Tagsüber hat man ne Menge zu tun, aber das Abendprogramm ist meistens etwas eintönig. Ein Höhepunkt ist, wenn wir wieder in die Bar nebenan gehen und Chips Majai essen. Und danach dann wieder die Kerze anzünden, die Nacht genießen und natürlich die Hunde streicheln.
Song des Tages: Icke & Er – Richtig Geil
Motto des Tages: Long call or short call? (in Bezug aufs Toilette gehen...)
(geschrieben am 19. September 2009, ins Blog gestellt am 20. September 2009)
Mittwoch, 2. September 2009
Kwa Heri Mwanza!
Es ist der letzte Abend in Mwanza. Morgen fahren wir nach Rulenge. Allerdings nicht mit Father Didas, wie ursprünglich geplant, sondern mit Nathalie, einer Entwicklungshelferin aus dem deutschsprachigen Belgien. Mindestens 6 Stunden Fahrt liegen vor uns, das Auto ist schwer beladen mit irgendwelchen Dingen für irgendwelche Tansanier. Wir werden zwischendurch wohl noch mehrmals Halt machen. Mein Fahrrad passt selbstverständlich nicht ins Auto, das wird jetzt irgendwie mit dem Bus und dann... aber schreiben wir nicht davon, irgendwie wird es schon ankommen. Wo wir dann wohnen werden? Hachja, auch davon schreiben wir jetzt lieber nichts, es ist alles so herrlich unorganisiert. Aber wir bekommen schon was, immer schön „polepole“! Die Nathalie haben wir heute schon mal kennen gelernt und der erste Eindruck ist ganz gut, ich freu mich richtig auf die Fahrt morgen. Ich bin absolut überzeugt, dass wir einen Platten haben werden und auch darüber würde ich mich fast freuen. Nathalie wird dann auch erstmal in Rulenge bleiben, ihre Lage ist ein bisschen komisch im Moment, sie möchte gerne arbeiten, hat aber keine richtige Arbeit. Da ist wohl organisatorisch einiges schief gelaufen. Mal schaun wie das weitergeht. Marcus bleibt bis Sonntag auch noch in Rulenge, wir wohnen zu dritt in einem Haus. Dann fährt er weiter nach Ngara.
Die letzten Tage haben wir von vielem erst einmal Abschied genommen. Am Montag hatten wir unsere letzte Stunde Unterricht in Kisuaheli bei unserm tollen Lehrer Hezron, der sich wirklich Mühe gegeben hat und viel Geduld mit uns hatte. Wenn ihr also auch einmal diese Sprache lernen wollt, wir können ihn nur weiter empfehlen. Wir haben dann noch ein paar Abschiedsfotos gemacht und er hat uns seine Nummer gegeben. Wir sollen ihn dann anrufen wenn wir irgendeine Frage haben. Von solch engagierten Lehrern sollte es auch mehr in Deutschland geben...
Gestern haben wir uns noch einen netten Abend mit Roland, Herta, Claudia und noch ein paar andern netten Menschen gemacht. Claudia wohnt seit ein paar Tagen auch hier bei uns mit Mama Kilala, sie bleibt sogar für ganze drei Jahre in Tansania. Ich merke immer häufiger was für ein kleiner Fisch ich hier bin. Viele arbeiten gleich für mehrere Jahre, aber die Herta übertrifft uns alle: Sie lebt mittlerweile schon 41 Jahre hier... Der Abend war sehr schön, wir haben gegessen und miteinander geplaudert über Gott und die Welt. Mir fallen spontan die Worte „Kaiserschnitt“ und „Heidi“ ein. Jaja, über was man in Afrika so redet... Aber das ist doch wunderbar, die Gesprächsthemen gehen hier einem nie aus!
Vor ein paar Tagen sind wir zusammen mit der Herta über den Victoriasee gefahren und das war für mich ein absolutes Highlight. Durch Herta haben wir Ehrenplätze ganz oben auf der Fähre bekommen und hatten eine super Aussicht. Das war einer dieser Momente von purem Glück. Ich kann nicht wirklich beschreiben was ich gefühlt habe, aber es fühlte sich verdammt gut an... Dieser Moment hätte gerne ewig weitergehen können, aber leider war die Überfahrt nach einer halben Stunde schon vorüber...
Auf der anderen Seite angekommen hat uns Herta noch einen Einblick gegeben wie wir in Rulenge bzw. Ngara leben werden. Wir haben ein Dorf besucht und wenn ich Dorf schreibe, dann stimmt das auch. Überhaupt nicht zu vergleichen mit Mwanza, dieser Großstadt. Das wird dann ab morgen wirklich ganz anders werden, ein bisschen nervös bin ich schon. In Rulenge wird man dann fast jede Person mit Namen kennen.
Danach gings dann wieder mit der Fähre zurück und ich hatte wieder dieses Gefühl von purem Glück... natürlich wieder nur für eine halbe Stunde. Der Victoriasee ist unfassbar schön und jeder Mensch sollte ihn einmal im Leben gesehen haben, diese These stell ich jetzt und hier einfach mal auf!
Was werd ich hier in Mwanza vermissen? Definitiv die philosophischen Gespräche mit Mama Kilala. An sie werd ich mich denk ich mein ganzes Leben erinnern, sie ist eine total liebenswerte und interessante Person. Ich stimme ihr nicht in allen Weltansichten zu, aber es ist spannend mit ihr zu diskutieren oder ihr einfach nur zuzuhören, wenn sie von ihrem Leben erzählt. Marcus und ich wollten sie immer überreden, dass sie ein Buch schreibt, aber sie möchte leider nicht.
Vermissen werd ich auch diese Kindermusik, von der ich gerade in den ersten Tagen morgens immer geweckt wurde. Es sind wirklich Kinderlieder, die für den Kindergarten bestimmt sind, aber ich fands einfach schön von dieser Musik geweckt zu werden. Ich durfte mir eine dieser CDs überspielen. Die Musik werd ich mir dann anhören, wenns mir mal richtig schlecht geht. Und diese Zeiten werden auch noch kommen, da mach ich mir gar nichts vor. Im Moment ist alles wunderbar, aber das geht mir bestimmt nicht das ganze Jahr so...
Da fällt mir gerade die einzig negativ Erfahrung ein, die ich bis jetzt gemacht habe und auch von dieser möchte ich kurz schreiben, denn es darf ja nicht immer alles nur Friede, Freude, Eierkuchen sein, das nimmt mir ja doch keiner ab! Vor ein paar Tagen hatten wir beim Abendessen ein Gespräch mit einem Tansanier in unserm Alter, der zur Zeit noch in eine Secondary School geht. Ich kann es nicht anders ausdrücken, ich fand ihn ziemlich unsympathisch und vor allem arrogant. Er hatte vollkommen falsche Vorstellungen von Deutschland und dachte z.B., dass ein Studium in Deutschland doch mal so nebenbei zu machen und total einfach sei. Er war die ganze Zeit ziemlich herablassend zu uns und man merkte, dass er sich für etwas besseres hielt. Er wollte uns einfach nicht glauben, dass Prüfungen in Deutschland noch mit Stift und Papier geschehen und nicht per Internet. Hier ist mir wieder klar geworden, wie falsch die Vorstellungen vieler Afrikaner sind, aber irgendwie kann man es ihnen auch nicht übel nehmen. Sie kennen Deutschland nur aus Erzählungen. Anders herum ist es doch genauso: Ich kann von mir jetzt schon behaupten, dass ich vollkommen falsche Vorstellungen von Afrika hatte. Man muss da gewesen sein, um ein Land beurteilen zu können. Viele Europäer denken glaub ich ziemlich klischeehaft und mit vielen Vorurteilen von Afrika...
Dieses Gespräch hat mich echt nachdenklich gemacht und deprimiert, der Abend war danach für mich gelaufen...
Doch noch mal zurück. Vermissen werde ich auch unseren „Homie“, der mir das Tansania-Armband verkauft hat und uns immer in der Stadt mit Handshake gegrüßt hat.
Den Sonnenuntergang werde ich vermissen, den erlebt man zwar überall auf der Welt, aber besonders schön fand ich ihn auf dem Dach vom ehemaligen Cafe von Herta, das sie uns einmal gezeigt hat. Hier hatte man den Blick auf den Victoriasee und es war definitiv Postkarten-Niveau!
Den Victoriasee werde ich natürlich auch vermissen, da muss ich unbedingt noch einmal hin. Überhaupt werden wir hoffentlich viel reisen, Sansibar muss auf jeden Fall sein.
Gut, das war mein letzter Blog aus Mwanza, der nächste kommt dann aus Rulenge. Wenn dort das Internet funktioniert, das wird noch spannend. Es wird auf jeden Fall langsam sein. Noch langsamer als es hier schon ist, das wird herrlich. Letztens ist mein Stromkabel von Computer kaputt gegangen und es war gar nicht so einfach ein neues zu bekommen. Teuer war es auch noch für tansanische Verhältnisse, 30.000 Schillinge hab ich bezahlt. Aber was solls, so ganz ohne Internet geht’s dann doch nicht, schließlich muss ich auch diesen Blog hier schreiben. Wenn ihn denn jemand liest. Ich sehe schon einige Besucher, aber leider sehr wenige Kommentare. Ich schreib hier ganze Romane und von euch kommt nichts – das geht doch nicht. :-)
Wir trinken jetzt unsere letzte Molle in Mwanza. Dann machts mal gut. Lebt euer Leben!
Motto des Tages: Peter kriegt neue Treter!
(geschrieben und ins Blog gestellt am 2. September 2009)
Die letzten Tage haben wir von vielem erst einmal Abschied genommen. Am Montag hatten wir unsere letzte Stunde Unterricht in Kisuaheli bei unserm tollen Lehrer Hezron, der sich wirklich Mühe gegeben hat und viel Geduld mit uns hatte. Wenn ihr also auch einmal diese Sprache lernen wollt, wir können ihn nur weiter empfehlen. Wir haben dann noch ein paar Abschiedsfotos gemacht und er hat uns seine Nummer gegeben. Wir sollen ihn dann anrufen wenn wir irgendeine Frage haben. Von solch engagierten Lehrern sollte es auch mehr in Deutschland geben...
Gestern haben wir uns noch einen netten Abend mit Roland, Herta, Claudia und noch ein paar andern netten Menschen gemacht. Claudia wohnt seit ein paar Tagen auch hier bei uns mit Mama Kilala, sie bleibt sogar für ganze drei Jahre in Tansania. Ich merke immer häufiger was für ein kleiner Fisch ich hier bin. Viele arbeiten gleich für mehrere Jahre, aber die Herta übertrifft uns alle: Sie lebt mittlerweile schon 41 Jahre hier... Der Abend war sehr schön, wir haben gegessen und miteinander geplaudert über Gott und die Welt. Mir fallen spontan die Worte „Kaiserschnitt“ und „Heidi“ ein. Jaja, über was man in Afrika so redet... Aber das ist doch wunderbar, die Gesprächsthemen gehen hier einem nie aus!
Vor ein paar Tagen sind wir zusammen mit der Herta über den Victoriasee gefahren und das war für mich ein absolutes Highlight. Durch Herta haben wir Ehrenplätze ganz oben auf der Fähre bekommen und hatten eine super Aussicht. Das war einer dieser Momente von purem Glück. Ich kann nicht wirklich beschreiben was ich gefühlt habe, aber es fühlte sich verdammt gut an... Dieser Moment hätte gerne ewig weitergehen können, aber leider war die Überfahrt nach einer halben Stunde schon vorüber...
Auf der anderen Seite angekommen hat uns Herta noch einen Einblick gegeben wie wir in Rulenge bzw. Ngara leben werden. Wir haben ein Dorf besucht und wenn ich Dorf schreibe, dann stimmt das auch. Überhaupt nicht zu vergleichen mit Mwanza, dieser Großstadt. Das wird dann ab morgen wirklich ganz anders werden, ein bisschen nervös bin ich schon. In Rulenge wird man dann fast jede Person mit Namen kennen.
Danach gings dann wieder mit der Fähre zurück und ich hatte wieder dieses Gefühl von purem Glück... natürlich wieder nur für eine halbe Stunde. Der Victoriasee ist unfassbar schön und jeder Mensch sollte ihn einmal im Leben gesehen haben, diese These stell ich jetzt und hier einfach mal auf!
Was werd ich hier in Mwanza vermissen? Definitiv die philosophischen Gespräche mit Mama Kilala. An sie werd ich mich denk ich mein ganzes Leben erinnern, sie ist eine total liebenswerte und interessante Person. Ich stimme ihr nicht in allen Weltansichten zu, aber es ist spannend mit ihr zu diskutieren oder ihr einfach nur zuzuhören, wenn sie von ihrem Leben erzählt. Marcus und ich wollten sie immer überreden, dass sie ein Buch schreibt, aber sie möchte leider nicht.
Vermissen werd ich auch diese Kindermusik, von der ich gerade in den ersten Tagen morgens immer geweckt wurde. Es sind wirklich Kinderlieder, die für den Kindergarten bestimmt sind, aber ich fands einfach schön von dieser Musik geweckt zu werden. Ich durfte mir eine dieser CDs überspielen. Die Musik werd ich mir dann anhören, wenns mir mal richtig schlecht geht. Und diese Zeiten werden auch noch kommen, da mach ich mir gar nichts vor. Im Moment ist alles wunderbar, aber das geht mir bestimmt nicht das ganze Jahr so...
Da fällt mir gerade die einzig negativ Erfahrung ein, die ich bis jetzt gemacht habe und auch von dieser möchte ich kurz schreiben, denn es darf ja nicht immer alles nur Friede, Freude, Eierkuchen sein, das nimmt mir ja doch keiner ab! Vor ein paar Tagen hatten wir beim Abendessen ein Gespräch mit einem Tansanier in unserm Alter, der zur Zeit noch in eine Secondary School geht. Ich kann es nicht anders ausdrücken, ich fand ihn ziemlich unsympathisch und vor allem arrogant. Er hatte vollkommen falsche Vorstellungen von Deutschland und dachte z.B., dass ein Studium in Deutschland doch mal so nebenbei zu machen und total einfach sei. Er war die ganze Zeit ziemlich herablassend zu uns und man merkte, dass er sich für etwas besseres hielt. Er wollte uns einfach nicht glauben, dass Prüfungen in Deutschland noch mit Stift und Papier geschehen und nicht per Internet. Hier ist mir wieder klar geworden, wie falsch die Vorstellungen vieler Afrikaner sind, aber irgendwie kann man es ihnen auch nicht übel nehmen. Sie kennen Deutschland nur aus Erzählungen. Anders herum ist es doch genauso: Ich kann von mir jetzt schon behaupten, dass ich vollkommen falsche Vorstellungen von Afrika hatte. Man muss da gewesen sein, um ein Land beurteilen zu können. Viele Europäer denken glaub ich ziemlich klischeehaft und mit vielen Vorurteilen von Afrika...
Dieses Gespräch hat mich echt nachdenklich gemacht und deprimiert, der Abend war danach für mich gelaufen...
Doch noch mal zurück. Vermissen werde ich auch unseren „Homie“, der mir das Tansania-Armband verkauft hat und uns immer in der Stadt mit Handshake gegrüßt hat.
Den Sonnenuntergang werde ich vermissen, den erlebt man zwar überall auf der Welt, aber besonders schön fand ich ihn auf dem Dach vom ehemaligen Cafe von Herta, das sie uns einmal gezeigt hat. Hier hatte man den Blick auf den Victoriasee und es war definitiv Postkarten-Niveau!
Den Victoriasee werde ich natürlich auch vermissen, da muss ich unbedingt noch einmal hin. Überhaupt werden wir hoffentlich viel reisen, Sansibar muss auf jeden Fall sein.
Gut, das war mein letzter Blog aus Mwanza, der nächste kommt dann aus Rulenge. Wenn dort das Internet funktioniert, das wird noch spannend. Es wird auf jeden Fall langsam sein. Noch langsamer als es hier schon ist, das wird herrlich. Letztens ist mein Stromkabel von Computer kaputt gegangen und es war gar nicht so einfach ein neues zu bekommen. Teuer war es auch noch für tansanische Verhältnisse, 30.000 Schillinge hab ich bezahlt. Aber was solls, so ganz ohne Internet geht’s dann doch nicht, schließlich muss ich auch diesen Blog hier schreiben. Wenn ihn denn jemand liest. Ich sehe schon einige Besucher, aber leider sehr wenige Kommentare. Ich schreib hier ganze Romane und von euch kommt nichts – das geht doch nicht. :-)
Wir trinken jetzt unsere letzte Molle in Mwanza. Dann machts mal gut. Lebt euer Leben!
Motto des Tages: Peter kriegt neue Treter!
(geschrieben und ins Blog gestellt am 2. September 2009)
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