Sonntag, 18. April 2010










Pack die Badehose ein...

Nee. Wir waren zwar im Kurzurlaub, aber geschwommen sind wir leider nicht. Ist auch ein wenig schwierig, wenn im Wasser Krokodile und anderes Getier ihre Runden drehen. Aber ich liebe unpassende Überschriften, außerdem hat jetzt mindestens jeder zweite Leser einen Ohrwurm. Hahaha.

KURZURLAUB: RUBONDO ISLAND

Caro und ich hatten schon länger das Gefühl, dass wir mal wieder etwas vom Land sehen müssen. Das Leben in Rulenge ist schön, aber der Mensch braucht auch einmal ein wenig Abwechslung. Renate konnte leider nicht mitkommen, da sie krank war. Rubondo Island liegt im Victoriasee und ist ein kleiner Nationalpark.

(1) DIE HUNDE

So stiegen wir also um fünf Uhr morgens in Rulenge in den Bus. Busse fahren hier immer so früh los, keine Ahnung warum. Vorher hatten wir noch einen kleinen Schock erlebt. Wir gingen total verschlafen von zu Hause los, blieben aber plötzlich wie erstarrt stehen. Die Hunde (ja, die Bestien, über die ich mich im letzten Blog schon ausgelassen hab, die schon zwei Menschen hier getötet haben. Ich sags mal so wie es ist.) waren nur ein paar Meter entfernt und bellten uns an. Caro hat mich im Nachhinein gefragt, wie ich in dem Moment so ruhig bleiben konnte, ihr wäre das Herz in die Hose gerutscht. Ich weiß auch nicht, jetzt im Nachhinein hab ich noch total Schiss. Aber in dem Moment sagte ich nur so was wie: "Dann drehn wir mal um..." Und wir nahmen einen anderen Weg und die Hunde folgten uns zum Glück nicht.
Dabei hatte ich Father Bosco noch extra per SMS gefragt und er meinte, er sagt dem Watchman Bescheid. Aber die Hunde waren trotzdem noch da...

(2) BIHARAMULO

Die Busfahrt dorthin war sehr angenehm, es war mal wieder schön unterwegs zu sein. Und die Landschaft auf der Strecke ist einfach grandios. Die Straße leider nicht. Es huckelte ununterbrochen, aber der Fahrer hatte trotzdem ein Wahnsinnstempo drauf. Auf der Fahrt lernte ich noch Fred kennen, einen Schüler. Wie so viele auch ein Fußballfan und durch den Plausch verging die Fahrt wie im Flug.
In Biharamulo angekommen setzten wir uns erst einmal ganz passend ins "Safari-Cafe". Danach besorgten wir uns eine Unterkunft, ein recht einfaches Guesthouse ohne Strom und Wasser, dafür aber mit jeder Menge Kakerlaken.
Wir hatten vor der Reise schon von mehreren Leuten gehört, dass die Menschen in diesem Dorf manchmal ein wenig komisch wären – und das können wir leider nur bestätigen.
Zuerst lernten wir Peter kennen, einen Kenianer. Zuerst ganz nett, aber er hörte einfach nicht auf zu reden und wich uns nicht mehr von der Seite. Das war aber erst der Anfang. Dann kam eine Bekanntschaft, die ich jetzt gar nicht so schlimm fand, aber auch nur weil meine Französischkenntnisse nicht die besten sind und ich kaum etwas sagen konnte. Caro war aber nach dem Treffen einem Wutausbruch nahe. Das Treffen lief folgendermaßen ab: Wir unterhielten uns ein wenig und dann wurden wir von ihm in sein Zuhause eingeladen. Er kam aus Ruanda. Kaum dort angekommen fing er ausgerechnet das Thema Religion an. Das ist hier oft ein schwieriges Thema. Er stellte sich als sehr religiös heraus. Fragte uns nach unserem Glauben, sang Kirchenlieder und las sogar aus der Bibel vor. Caro übersetzte immer wieder für mich. Ich verschwieg lieber, dass ich kein religiöser Mensch bin. Er erzählte uns, dass er seinen Glauben gewechselt hätte und die Menschen zum Christentum bekehren wolle. Er kritisierte uns, dass wir Bier trinken. Überhaupt war er ziemlich kritisch. Nach über drei Stunden Unterhaltung (es war mehr ein Monolog!) konnten wir uns endlich abseilen. Und dann kam was kommen musste und was mir wieder bestätigt hat, dass es verdammt schwierig ist hier in Tansania echte Freunde zu finden. Das ist einfach oft nicht möglich! Er meinte, jetzt wüssten wir über sein Leben Bescheid und könnten ihm nun Geld geben. Hallo!? Dann wollte er Caro noch eine Wunde am Bauch zeigen. Caro explodierte dann doch ein wenig und meinte kühl, dass sie ja nicht Gott wäre. Und wir haben ihm natürlich kein Geld gegeben.
Danach war die Stimmung im Eimer. Caro ging früh ins Bett und ich setzte mich abends noch bei Kerzenschein auf die Terrasse vom Guesthouse. Eigentlich wollte ich ein wenig Tagebuch schreiben, aber das war kaum möglich, da immer wieder jemand vorbeikam. Erst ein Schüler, der Hitler nicht abgeneigt war, dann ein Mädchen (von der ich bis heute nicht weiß was sie eigentlich wollte) und dann noch mal Peter. Irgendwann hatte ich auch genug und verzog mich ins Bett. Zu den Kakerlaken, hurra!

(3) MUGANZA

Ein kleines Dorf direkt an der Westküste vom Victoriasee. Hingekommen sind wir mit dem Dalla-Dalla. Wir sind schon oft Dalla-Dalla gefahren, allerdings noch nie so eine lange Strecke. Dalla-Dallas sind Minibusse und mit diesen zu fahren ist noch viel gefährlicher und unangenehmer als mit richtigen Bussen. Aber gleichzeitig auch irgendwie toll! Wir holperten im Wahnsinnstempo über die Straßen, dazu dudelte afrikanische Musik aus dem Radio und wir hörten von Guido Westerwelle, der gerade in Tansania war. In so einen Minibus passen so unglaublich viele Menschen, die sind immer vollgestopft, so dass manche sogar gebeugt stehen müssen.
Aber nochmal kurz zurück: Vor der Dalla-Dalla-Fahrt gingen wir morgens ins Krankenhaus von Biharamulo. Wir hatten einen Tipp von Sakafu (der Doktor aus Rulenge) bekommen. Ein Freund von ihm, ebenfalls Doktor, wüsste wie man nach Rubondo Island kommt. Wir waren nämlich einfach mal spontan losgefahren, ohne genau zu wissen wie man da eigentlich hinkommt. Also typisch tansanisch, wir haben uns echt angepasst. Im Krankenhaus stellte uns dieser Doktor zwei Holländern (!) vor. Es hängt uns bis heute noch nach, irgendwie hat uns das geschockt, in Tansania "Weißnasen" (so nennen wir Europäer liebevoll) zu begegnen. Die beiden jungen Holländer kamen zur Tür herein und wir waren nahezu sprachlos. Ich hoffe, dass geht uns in Deutschland nicht auch so. Die beiden konnten uns jedenfalls weiterhelfen und gaben uns die Nummer von einem Motorbootfahrer.

(4) RUBONDO ISLAND

Am nächsten Morgen ging es also los. Caro hatte plötzlich Zweifel ob unser Geld ausreichen würde. Aber hey, wir waren jetzt extra hergekommen, also auf gehts.
Mit dem Pikipiki (Motorrad) fuhren wir runter zum Vicoriasee. Jeder einzelne Fahrer wollte uns mitnehmen. Als sie erkannten, dass wir runterfahren wollten, kamen mindestens zwanzig Motorräder auf uns zu. Das war vielleicht ein Bild! Ich hab ja mittlerweile schon einige Erfahrung im Pikipiki-Fahren, aber diese Fahrt war mal wieder ein Highlight. Und zum ersten Mal mit Helm. Und vom Straßenrand winkten uns die Kinder zu und riefen "Wazungu" (Europäer). Da kann man noch so auf dem Teppich bleiben, aber man fühlt sich in solchen Momenten wie ein König. Hey, wir sind ganz normale Menschen!
Am Victoriasee angekommen gings mit einem kleinen Motorboot rüber nach Rubondo Island. Ein Guide mit Waffe saß da auch schon im Boot. Wir fragten extra noch einmal wegen dem Preis und der Fahrer sagte noch einmal: Jaja, 20 Dollar. Die Fahrt dauerte nur zwanzig Minuten, aber war einfach nur... ich entschuldige mich für meine Wortwahl... geil! Um uns herum nur Wasser, der Wind blies einem ins Gesicht und man wusste: Direkt unter einem sind jede Menge Krokodile. Gut, vom Boot aus haben wir keine gesehen, aber später dann... ich glaub neben dem geplanten Führerschein fürs Motorrad mach ich auch noch einen fürs Segeln... oder so ähnlich... das Leben lässt einem ja noch eine Weile Zeit dazu.
Auf Rubondo Island angekommen wurden wir von einem Jeep abgeholt. Der Fahrer hieß doch tatsächlich Sam! Selten fand ich einen Namen so passend. Mit dem Jeep ging es dann 8 km zum Camp. Dort wurden wir an einem Platz abgeladen, der sofort zu einem meiner Lieblingsplätze auf der Welt wurde. Direkt am Wasser stand ein großes Boot, in dem man sich erst einmal ausruhen und die Aussicht genießen konnte. Auch ein guter Platz zum Nachdenken. Dann wurden wir aber von zwei anderen Parkmenschen gestört, die das Finanzielle mit uns besprechen wollten. Eine gute Methode: Die Touris erst einmal in diesem Boot absetzen, damit sie gute Laune bekommen und dann: Her mit eurer Kohle! Plötzlich wollten sie 100 Dollar von uns, allein für den Transport. Und dann ging die Diskussion los: Wir sagten soviel hätten wir nicht dabei und man hätte uns etwas anderes erzählt. Wir dachten schon, wir müssten wieder zurückfahren, aber dann kamen sie uns entgegen und wir mussten für ALLES (Transport mit Boot und Jeep, Guide, Eintritt) jeder nur umgerechnet ca 35 Euro zahlen. Ein Schnäppchen. Aber für das was wir geboten bekamen auch gerade richtig und so hatte ich kein schlechtes Gewissen. Bis auf einen waren die Menschen vom Park aber plötzlich nicht mehr so freundlich. Und Sam hatte plötzlich eine ganz andere Kleidung an, nicht mehr so offiziell! Jaja, das liebe Geld...
Dann gings mit unserm bewaffneten Guide auf Wanderung. Und Wanderung ist das richtige Wort, denn viele Tiere bekamen wir leider nicht zu Gesicht. Ich weiß nicht ob das immer so ist oder ob es an unseren finanziellen Mitteln lag. Wir sahen endlich die "berühmten" Buschböcke, über die wir schon seit Monaten Witze gemacht hatten und ziemlich viele Vögel. Naja, und Nilpferde und Krokodile sahen wir auch, allerdings leider nur von weitem. Angeblich sollte es auch Elefanten und Giraffen geben, aber wohl nicht in diesem Bereich. Als Enttäuschung würde ich es trotzdem nicht bezeichnen, die Insel war auch ohne viele Tiere wunderschön und das Wandern hat mir richtig viel Spaß gemacht. Nach aber nicht einmal zwei Stunden war schon wieder Schluss und wir gingen wieder zum Boot zurück und beobachteten Nilpferde von weitem. Irgendwann wurde ich aber unruhig und bin noch mal alleine auf die "Jagd" gegangen, auch wenn das eigentlich nicht erlaubt ist. Hab dann noch ein paar Buschböcke gesehn, die allerdings immer sofort weggespurtet sind. In dem Moment fühlte ich mich wirklich wie ein Jäger und ich hätte das ewig weitermachen können.
Dann hieß es aber zurück mit Jeep, Boot und Motorrad. Ein Krokodil haben wir dann doch noch von ziemlich nahe gesehn, wie es langsam im Wasser dahinglitt, nur der Kopf war zu sehen. Eine Tansanierin stand barfuß im Wasser, ziemlich in der Nähe. Die traun sich was!
Wieder zurück in Muganza haben wir uns eine andere Unterkunft besorgt, weil uns die erste doch zu teuer war (7000 Schilling). Und die neue Unterkunft hatte es in sich: Kleine Zimmer, ausgestattet mit einem Bett (ohne Kissen und Decke) und einem kleinen Tischchen. Das war alles. Dazu gabs noch kostenlos eine Kerze. Caro war erst skeptisch, aber ich war sofort dafür. Vor meiner Ausreise nach Afrika hab ich noch ziemlich klischeemäßig gedacht und war davon ausgegangen, dass ich ein ganzes Jahr so leben müsste. Ich wollte mir noch einmal klar machen, wie gut wir es doch mit unserm Haus in Rulenge getroffen haben. Und es war dann echt nicht schlimm. Ziemlich heiß war es, aber irgendwie schnuckelig. Nur die "Toilette" war wirklich nicht so angenehm!

(5) RÜCKFAHRT

Wieder um fünf Uhr morgens. Im Dalla-Dalla. Dieses Mal haben sich die Tansanier ganz offen über die beiden "Wazungu" unterhalten. Dass die Tansanier immer denken, wir könnten kein Kisuaheli... Wieder in Biharamulo wollten wir uns Bustickets kaufen, aber die Herren wollten uns über den Tisch ziehn. Wir sind einfach gegangen. Ich meinte zu Caro, die kommen schon wieder und machen einen besseren Preis. Und nach einer Weile kam der eine wirklich wieder und schlug eine Fahrgemeinschaft vor. So landeten wir plötzlich nicht im Bus, sondern in einem recht schicken Auto, das total überfüllt war. Auf der Strecke nach Rulenge wechselten wir noch zweimal das Auto, die Fahrer tauschten unser gezahltes Geld untereinander aus. Das wirkte alles routiniert, das scheinen die Tansanier wohl häufiger so zu machen. Am Schluss saßen wir in einem Taxi und es stiegen immer mehr Leute ein, das hörte gar nicht mehr auf. Der Taxifahrer war echt verrückt! Auf den letzten Kilometern waren wir ELF Leute in einem Taxi. Und es war ganz normales Taxi, vorne zwei Sitze und eine Rückbank. Der Kofferraum war schon voll. Selbst auf dem Fahrersitz saßen zwei Personen, der Fahrer kam kaum an den Schalthebel dran. Und dann hatte er noch die Nerven, plötzlich wütend nach rechts auszuschwenken, weil ihn eine Rinderherde behinderte. Wir wären fast in die Rinder reingebrettert. Ich war heilfroh, als wir endlich wieder im guten alten Rulenge waren und die Fahrt überlebt hatten!

OSTERN IN RULENGE

Das wichtigste Fest in Tansania. Und ich war dann doch froh, als es endlich vorbei war. Ostern heißt nämlich ständig in die Kirche zu gehen. Jeden Tag! Und die Messen sind dann wesentlich länger und gehen locker mal vier oder fünf Stunden. Irgendwann, das muss ich zugeben, konnte ich einfach nicht mehr. Die schönste Messe war die in der Nacht auf den Ostersonntag. Vor der Kirche gab es sogar ein Osterfeuer, das hätte ich nie gedacht. Das war sehr melancholisch und schön. Caro und ich standen mit jede Menge Tansaniern davor und unterhielten uns vor allem über Zukunftsängste. Danach ging die Messe los. Sie ging ca. 3 Stunden bis 1 Uhr. Der Chor war so schön wie noch nie, der ging unter die Haut. Das Interessante war der Gegensatz: Manchmal war es ganz ruhig, aber direkt danach wurde dann plötzlich getanzt. Da gings richtig ab in der Kirche. Ich habs schon öfter gesagt, dieses Klischee stimmt dann doch: Die Tansanier haben ein unglaubliches Rhythmusgefühl und lieben es zu tanzen!

BESUCH IN MURUGARAGARA

Am Ostersonntag waren wir den ganzen Tag unterwegs. Brother Edouard hatte Caro und mich nach Murugaragara eingeladen, dort ist das Jatropha-Projekt. Wir liefen über zwei Stunden dorthin. Wir sind da schon mehrmals hingelaufen, aber noch nie war es so anstrengend, da wir beide einen "Gesprächspartner" hatten. Ich lief mit Brother Edouard und Caro mit seinem Bruder Theoneste. Das waren vielleicht zwei Quatschtanten, die hörten gar nicht mehr auf zu reden! Selber kam man kaum zu Wort. Gut, teilweise war es auch interessant, Brother Edouard weiß gut in philosophischen Dingen Bescheid und ist ein kluger Kopf, aber irgendwann reichte es dann doch. Endlich angekommen kam die nächste Quatschtante: Lorenzo, der ebenfalls bei Jatropha arbeitet. Aber ihn kannten wir ja schon. Immer wieder schön ihn reden zu hören, seine Mischung aus Englisch, Französisch, Italienisch und Kisuaheli ist grandios! Und nach jedem Halbsatz der Einschub: "Donc!" Ich mag Lorenzo wirklich, der ist mit Herz und Seele dabei bei diesem Projekt. Und bitte nicht falsch verstehen: Das ist mehr liebevoll, als bösartig gemeint, wenn ich Tansanier als Quatschtanten bezeichne! ;-)
Bei der Gelegenheit sahen wir nach langer Zeit auch Kila und Kali wieder, unsere beiden Hunde als wir bei Nathalie wohnten. Wir haben sie kaum wiedererkannt, sie sahen nicht wirklich gut aus, Kila war am Bein verletzt. Ich glaube die kommen mit den anderen Hunden im Projekt überhaupt nicht klar, das sind nämlich auch Bestien. Und Kila und Kali... sind eher Katzen!
Beim Mittagessen dort (es gab Kochbananen, die mir zum ersten Mal in Tansania wirklich schmeckten...) erzählte uns Lorenzo eine wirklich traurige Geschichte, die nun so gar nicht zu Ostern passte. Die Woche zuvor hatten sie in ihrer Toilette ein totes Baby gefunden. Es war ein Neugeborenes. Die Mutter hatte es wohl nach der Geburt dort ertränkt. Gut, so etwas hört man ja leider ab und zu, aber es gibt Dinge, die einfach nicht in meinen Kopf reingehen. Wie kann eine Mutter ihr eigenes Kind in der Toilette ertränken!? Ich begreifs einfach nicht.

Das war also unser Ostern. Viel Kirche. Zuviel, einmal war mir das Stehen und Hinknien in der Messe doch zuviel und ich musste mich hinsetzen. Am Ostersonntag waren wir noch bei Caros Schwestern im Waisenhaus eingeladen zum Abendessen. Die Schwestern waren da mal überraschend locker und offen drauf, die Stimmung war echt gut. Eine Schwester war sogar angetrunken, so etwas sieht man auch nicht oft.

UND NOCH EINMAL FUSSBALL!

Ich habe selten so viel Fußball geguckt und selbst Caro hat sich anstecken lassen. Wer mich kennt weiß, dass ich Bayern München immer gehasst habe und GRUNDSÄTZLICH immer für das andere Team war. Hier in Tansania ist vieles anders und selbst da hab ich jetzt eine andere Meinung. Bayern München wird als bestes Team Deutschlands angesehen und wir sind nahezu verpflichtet dann auch für Bayern zu sein. Und sie sind ja auch gerade ziemlich gut, also spring ich über meinen Schatten und jubel für diese Idio... ähem, diese ganz und gar graziös spielenden Fußballer. Die Champions League-Spiele machen extrem viel Spaß, wenn man hier in Tansania Gomez und Lahm spielen sieht. Nächste Woche ist das Halbfinale! Wenn ich aber in Deutschland bin, bin ich natürlich wieder gegen Bayern. Man solls ja nicht übertreiben.
Wir gucken jetzt immer in derselben Bar und der Besitzer ist einfach kultig. Ein Gesicht, das man nicht vergisst. Und er heißt Anton. Total unpassend. Der Strom fällt oft aus und wir sitzen plötzlich im Dunkeln. Dann beschweren sich alle lautstark und schreien rum. Wenn gar nix mehr geht, hängt sich Anton draußen einfach an die Regenrinne und bleibt in der Haltung. Warum das hilft... keine Ahnung – aber das Bild kommt jedes Mal wieder...
Einmal hat Chelsea (mein favorisiertes Team aus England) gespielt und neben mir saß ein Typ, der für das gegnerische Team war. Dieses schoss dann auch zwei Tore. Daraufhin lehnte sich der Typ zu mir, grinste über beide Ohren und rief laut: "Pole sana, Mzungu!" (Das tut mir aber Leid, Europäer!). Ich antwortete darauf nur trocken: "Hamna Mzungu. Ninaitwa Severin!" (Nicht Europäer. Ich heiße Severin!) Dann holte Chelsea das aber noch auf und was ich dann tat kann sich ja jeder denken. Genau: Ich lehnte mich zur Seite, grinste über beide Ohren und rief: "Pole sana!"
Es gibt ein paar Sachen, die werde ich nie vergessen. Dazu gehört wie Caro und ich in dieser Bar hocken (meistens zusammen mit Sakafu oder Renatus) und Fußball gucken. Und dazu ess ich meine geliebten Chips Mayai. Mit Pilipili. Und wir schlürfen ne Soda. Also wenn wir hier nicht integriert sind in der Gemeinschaft, dann weiß ich auch nicht!

GIVE ME MONEY!

Ein Satz, der uns vom ersten Tag an verfolgt und meistens von Kindern gerufen wird. Ein Knaller ist noch eine andere Variante: "Give me MY money!" Hö? Hab ich was verpasst? Father Didas meinte mal zu uns, dass wir ihnen das nicht übel nehmen dürfen, da es bei den Kindern oft an Schulbildung fehlt. Wir lächeln dann auch immer nur und lehnen ab. Aber wenn dieser Satz von erwachsenen Menschen kommt (und das passiert öfters) dann kann man schon ein wenig wütend werden. Wenn man das jeden Tag von allen Ecken hört – dann reicht es irgendwann. Genau wie die "Mzungu!"-Rufe, die immer kommen, selbst wenn wir nur kurz einkaufen gehn. Ich bin gespannt auf die Zeit in Deutschland, wenn einen auf der Straße niemand mehr beachtet.
Es gibt einfach Sachen, die einem dann doch irgendwann auf die Nerven gehen. So zum Beispiel auch diese ständige Freundlichkeit, über die man sich am Anfang noch gefreut hat. Aber hier wird nie, wirklich NIE über etwas Negatives geredet. Das wird einfach immer weggewischt. Das kanns doch echt nicht sein. Es kann doch nicht IMMER alles Friede, Freude, Eierkuchen sein.
Und dann diese leeren Gespräche. Am schlimmsten ist da Sister A. Bei ihr laufen die Gespräche immer gleich ab: Sie begrüßt uns überschwenglich und fragt wo wir denn jetzt hingehen. Obwohl sie genau weiß, dass wir wie immer zum Waisenhaus gehen. Dann noch ein kurzer Plausch über Belangloses. "Kweli?" (Wirklich?) fragt sie immer, auch bei ganz simplen Aussagen. Am schlimmsten ist dann dieses gekünstelte Lachen. Ich vermiss wirklich ein wenig Streitgespräche. Nicht dass ich darauf stehe, aber ab und zu muss das doch auch mal sein!
Ich mag die tansanischen Menschen wirklich gerne, aber GRUNDSÄTZLICH gut drauf sein – das kann ich nicht...

KLEINIGKEITEN

Ein paar erwähnenswerte Dinge, die mir noch einfallen, allerdings ohne jetzt lang und breit auszuholen, wie ich das ja oft gerne mache.

In Muganza hatten wir ein Stammcafe. Die Bedienung hatte es in sich. Die Dame hat sich immer ganz selbstverständlich mit an den Tisch gesetzt und mit uns geplaudert. Das war ja am Anfang noch ganz nett, aber irgendwann nur noch nervig. Besonders weil wir ziemlich schnell gemerkt haben, dass sie auf Geld aus war. Bei unserm letzten Besuch hat sie dann zu Caro gemeint, dass sie für sie in ihrem "Office" arbeiten könnte. Erstens: Welches Office? Zweitens: Glaubte die Dame wirklich so leicht an einen Job zu kommen? Und drittens: Sehen wir wirklich aus wie stinkreiche, arrogante Touristen, die mit Geld nur um sich werfen? Manchmal versteh ich das einfach nicht.

Einmal waren Caro und ich abends gerade am Kochen, da rief mich Father Didas an und sagte nur knapp: "Stop cooking and come!" Das macht er immer so, es klingt immer wie ein Befehl. Aber wir haben mal wieder auf ihn gehört und hatten einen echt netten Abend bei einer Tansanierin in einem ganz kleinen Zimmerchen. War total gemütlich, wir haben nur bei Kerzenschein dort gesessen. Tja, und ich hab mich mal wieder zum Affen gemacht. Es gab eine Kleinigkeit zu essen und dazu gab es wie so oft Pilipili (Chilipfeffer). Irgendwie ist mir das Zeug an die Augen gekommen. Es brannte so höllisch, ich dachte echt kurz mein Augenlicht geht weg. Und da übertreibe ich wirklich nicht! Doch die Gastgeberin hat total nett reagiert und war wie eine Mama zu mir. ;-) Sie reichte mir Wasser und verschiedene Seifen und Father Didas sagte laut lachend: "Cry!" Und ich weinte was das Zeug hielt, damit das Pilipili aus meinen Augen rausging... Die andern haben sich königlich amüsiert.

Die Inderin. Ihren richtigen Namen kennen wir immer noch nicht. Bei uns ist das immer nur "Die dicke Mama". Mittags gehen wir jetzt oft bei ihr essen. Und wir essen immer "Wali na Maharagwe" (Reis mit Bohnen). Das ist unser Lieblingsessen hier. Naja gut, neben Chips Mayai. Und zu Hause wird mir das nicht mehr so schmecken, die Bohnen sind hier irgendwie... anders. Ich bekomm schon wieder Hunger, ich unterbrech mal kurz diesen Blog...

[wieder da; satt und zufrieden]

Ich habe eine Macke. Ich sage ständig das Wort "wohl". Beziehungsweise schreibe es, auch in diesem Blog kommt es vor, ich hab ihn mir extra noch einmal durchgelesen. Caro und Renate machen sich da immer lustig über mich, aber ich kanns mir nicht abgewöhnen. Eine Bitte: Gewöhnt es mir ab, wenn ich wieder da bin, das ist schrecklich! Wohl wahr!

Father Didas lernt ja so gerne Deutsch. Und er ist auch gerne ironisch. Auf einer erneuten Rundreise mit ihm hab ich ihm den Ausdruck "ins Gras beißen" für den Tod beigebracht. Das fand er zu komisch, er hat sich kaum eingekriegt und die Worte dauernd wiederholt. Er meinte, er kenne nur den Ausdruck "kick the bucket". Den Vergleich kannte ich noch nicht...
Auf der gleichen Reise habe ich zwei Schüler getroffen, mit denen ich mich über den "sexual intercourse" unterhielt. Die sind ziemlich offen die Tansanier, aber hier möchte ich nicht näher ins Detail gehen.

"KARIBU, BOSS!" (Willkommen, Chef!) Das sagt der Mehlmann immer, wenn wir... nunja, Mehl kaufen. Dabei grinst er mich an. Und ich kauf Mehl. Das war die ganze Geschichte. Das findet man glaub ich nur lustig, wenn man den Menschen dazu sieht. Und ich seh mich halt nicht als "Boss".

Das wars. Ist ja diesmal gar nicht so lang geworden. Dem werten Leser wird aufgefallen sein, dass ich diesmal auch ein wenig Negatives geschrieben habe. Caro und mir geht es ähnlich: Wir haben beide so langsam das Gefühl, dass es dann doch erst einmal reicht. Ein Leben auf ewig kann ich mir in Tansania dann doch nicht vorstellen. Wobei ich definitiv noch ein paar Mal wiederkommen werde! Aber ein Jahr ist dann wohl doch erst mal genug. Man weiß nun über das Leben hier halbwegs Bescheid, macht seine Arbeit und das Leben macht Spaß. Aber ich sehne mich auch schon wieder nach etwas Neuem. Und ich will auch wieder meinen Kopf benutzen, sprich was lernen. Studium und so. Auf die Zeit freu ich mich wirklich!

Zum Schluss noch der Postkarten-Aufruf. Wer bis August noch eine Karte haben will kann hier oder per Email an mich seine Adresse hinterlassen: soeren.segelken@web.de

Mir fällt keine gescheite Abschiedsfloskel ein. Also mach ich es ganz unkreativ: Machts gut!

Song des Tages: Cucurrucucú

(den Interpreten weiß ich leider nicht, das ist ein Lied aus dem wunderbaren Film "Sprich mit ihr". Der Künstler singt das mit so viel Gefühl... ich kann mir das immer wieder anhören und mir kommen die Tränen... nun gut, ich übertreibe vielleicht ein wenig. Guckt euch den Film an, es lohnt sich...)

Motto des Tages: Krankenheit!

(die spontane Aussage von Father Didas auf mein Niesen. Ich kenn das irgendwie anders...)

(geschrieben: 17.-18. April 2010, ins Blog gestellt am 18. April 2010)