Sonntag, 28. März 2010
Kaputtisch!
Bonjour! Ich dachte mir mal, heute beginnst du auf deinem schönsten Französisch. Es sind nun über drei Monate seit meinem letzten Blog vergangen. Aber ich lebe noch. Irgendwie kam ich nie zum Schreiben... erst waren wir im Urlaub, dann war das Zwischenseminar in Daressalam, danach hatten wir einen Autounfall... aber der Reihe nach. Zunächst einmal: Da mein Laptop bei diesem wunderbaren Unfall leider kaputt gegangen ist, komm ich an meine ganzen Stichpunkte nicht mehr heran, die ich jeden Tag mache. Und ohne Stichpunkte bin ich einfach unfähig was zu schreiben. Daher werde ich nichts vom Urlaub in Kigoma schreiben und auch nichts vom Zwischenseminar. Die Fotos von dieser Zeit werde ich ebenfalls nicht reinstellen. Das hole ich dann irgendwann nach, wenn ich wieder an meine Daten rankomme. Wird amüsant werden, irgendwann viel später noch darüber etwas zu schreiben.
Der Unfall war ein einschneidendes Erlebnis. Er unterteilt mein Jahr hier in genau zwei Hälften. Die erste Hälfte war alles total aufregend, in der zweiten Hälfte hat sich ziemlich schnell viel verändert und nun kehrt langsam der Alltag ein. Caro und ich haben schon öfter festgestellt, dass wir uns wie ein altes Ehepaar benehmen. Wir reden mittlerweile sogar oft im Chor, grüßen die Leute gleichzeitig oder denken dasselbe. Mittlerweile kennen wir uns ziemlich gut, aber so ist das, wenn man für eine längere Zeit zusammenwohnt.
Was uns beiden immer wieder auffällt jetzt: Die Zeit rast! Wir staunen immer wieder, wenn das Wochenende vor der Tür steht. Das geht so schnell, die Zeit ist manchmal echt ein Monster. Wir denken immer öfter an das, was nach Afrika kommt: Das Studium. Natürlich sind es noch ein paar Monate bis dahin, aber wenn die Zeit weiterhin so schnell vorbeigeht... schwupps, sitzen wir plötzlich im Flieger nach Hause.
Wie schon geschrieben: Der Alltag kehrt hier ein. Wir arbeiten beide viel. Vieles finden wir gar nicht mehr erwähnenswert in den Blog zu schreiben, da es für uns schon selbstverständlich ist. Ich gebe jetzt mal trotzdem mein Bestes, interessante Dinge hierhin zu schreiben:
UNFALL
Nach dem sehr seltsamen Zwischenseminar in Daresselam beschlossen Marcus und ich spontan doch noch für ein paar Tage mit den anderen Freiwilligen in den Süden von Tansania mitzufahren. Wir hatten Lust noch länger mit ihnen die Zeit zu verbringen und deren Projekte anzuschaun. Außerdem wollten wir auch einfach mal etwas vom Süden sehen. War wohl im Nachhinein eine Fehlentscheidung, aber so etwas kann man ja nicht ahnen. Wir fuhren also zu neunt in einem Jeep los. Wir waren alle etwas müde von den Tagen zuvor und schliefen relativ schnell ein. Ab da habe ich irgendwie kaum Erinnerungen, nur einzelne Bilder. Ich meine mich an Schreie zu erinnern und an irgendeine Mauer, auf die wir zufahren. Unser Fahrer war anscheinend auch müde gewesen und ist ebenfalls eingeschlafen. Laut der Erzählungen von den anderen haben uns irgendwelche Tansanier nach dem Aufprall wohl aus dem Auto gezogen und uns erst einmal auf die Wiese gelegt. Laut Kilian habe ich apathisch guckend rumgelegen. Schon ein wenig seltsam wenn man sich daran überhaupt nicht erinnern kann. Nunja. Wir haben eine Menge Glück gehabt. Der Unfall ist noch im Bereich von Daressalam passiert, so kamen wir relativ schnell in ein Krankenhaus. Wäre der irgendwo in der Pampa passiert, wärs kompliziert geworden. Viele haben sich kaum etwas getan, wir standen nur alle unter Schock. Für mich war das auch der erste Autounfall und ich kann auf einen zweiten gut und gern verzichten. Marcus hatte sich den Oberarm gebrochen und seine Finger waren auch nicht mehr voll bewegungsfähig. Keine weiteren Details von den Krankengeschichten, das will doch keiner wissen. Nur noch so viel zu mir: Meine Schneidezähne waren locker (und sind es immer noch), ein Zahn war abgebrochen (und ist es immer noch) und meine Mundwinkel eingerissen (das bessert sich langsam). So habe ich also überlegt doch in Tansania zu bleiben, da das ja alles gar nicht so schlimm sei. Danke noch einmal an Jacob, der mich überzeugt hat doch vorsichtshalber zurück nach Deutschland zu fliegen. Außerdem hätt ich es auch komisch gefunden, wenn Marcus alleine zurückfliegt. In Deutschland wurde dann plötzlich ein Oberkieferbruch festgestellt und – schwupps – war ich plötzlich in der OP. Das ging alles so schnell, wie im Traum...
DREI WOCHEN DEUTSCHLAND
Eine sehr seltsame Zeit. Drei Wochen waren schon viel zu viel. Marcus ist immer noch in Deutschland, da sich seine Verletzungen als sehr kompliziert herausgestellt haben. An dieser Stelle noch einmal gute Besserung an dich, Marcus. Wir brauchen dich hier, also komm so schnell wie möglich "heim"!
Ich habe mich zugegebenermaßen etwas eigenartig verhalten, was wohl nicht jeder nachvollziehen konnte. Habe jeden Kontakt vermieden. Mich sogar im Zimmer verkrochen, wenn Besuch da war. Ich glaube immer noch, dass es richtig war. Ich hatte einfach zu diesem Zeitpunkt keine Lust auf Deutschland, wollte nur so schnell wie möglich zurück. Nun ja, ich gebe zu, ich war ein wenig stur.
Ein Dankeschön an dich, Vater, dass du mich trotzdem aufgenommen hast. Und meine Macken ertragen hast. Werd mich das nächste Mal schon anders verhalten.:-)
Was ist hängen geblieben... Suppen essen im Krankenhaus... komische Ärzte in meiner Abteilung... eine sehr große kleine Schwester, die immer noch sehr lieb ist... meine große Schwester, die es mir hoffentlich verzeiht, dass ich sie nicht sehen wollte... Maultaschen essen (das Essen ist einfach grandios und zu Hause schmeckts halt doch am besten)... Schnee und Kälte... irgendwie war es das auch schon... ich hab auch einfach nichts gemacht, also beenden wir doch diesen Absatz.
RÜCKKEHR NACH TANSANIA
Von Schnee und Kälte ging es also wieder zurück zu Sonne und Hitze. In mein geliebtes Dorf Rulenge. In die "Westernstadt". Diesen Vergleich hat mir mal jemand gesagt und an manchen Ecken ist der sehr passend. Es gibt eine Hauptstraße, die Häuser sind in diesem Westernstil und die Menschen hocken draußen vor diesen Häusern. Zurückgeflogen bin ich mit Matthias und Andrea, zwei Menschen von unserer Organisation. Übernachtung in Daressalam, am nächsten Tag Flug nach Mwanza. Fühle mich schon wie ein alter Hase. Auch für die andern beiden war das ja nichts neues mehr. Von Mwanza wurden wir dann von Damas, dem Fahrer, abgeholt und nach Rulenge gefahren. Dort wusste interessanterweise keiner was davon, dass wir kommen. Da ist wohl informationstechnisch etwas schiefgelaufen. So standen wir also abends vor dem verschlossenen Tor von Nathalies Haus. Father Didas tauchte plötzlich auf. Nach einer für ihn typisch kräftigen Umarmung entschied er für uns doch die nächsten Tage in Buhororo zu verbringen. Das ist ein Dorf noch viel kleiner als Rulenge, dort war die ersten Monate auch Marcus untergebracht. Dort gabs dann die ersten Gespräche mit Andrea und Matthias, die ja gekommen waren um zu schauen wie es läuft. Auch über meinen Projektwechsel sollte geredet werden, ich hatte nämlich entschieden nicht mehr in der Schule arbeiten zu wollen. Ich mag diesen Ort wirklich gerne, aber eine wirkliche Arbeit gibt es dort nicht für mich. Aber dazu später. Wir haben viel Zeit mit Father Didas verbracht. Haben Ngara besucht. Vor allem aber geredet. Wir haben auch alle zusammen die Graduation an meiner Schule besucht, für mich schon die zweite. Feiern können die Tansanier wirklich. Es begann mit einem Gottesdienst, aber danach wurde gesungen und getanzt. Und danach natürlich gegessen. Viele Schüler kamen auf mich zu und freuten sich mich wieder zu sehen. Vor allem die Nancy ist bei mir hängen geblieben. Als sie mich sah blieb sie abrupt stehen, schlug den Hand vor den Mund und rief: "Oh my God, I can't believe it!". Das ist nicht übertrieben. Hey, ich bin es doch nur, der Severin. So oft musste ich mir noch nie "Pole sana" (Das tut mir Leid) anhören. Aber das war irgendwie auch schön. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass viele mich mögen und mich auch vermisst haben. Um von der gefühlstechnischen Schiene mal wieder herunterzukommen: Bei der Graduation kann ich mich auch noch an den Frosch erinnern. Dieser lag aufgeschlitzt da, aber man sah sein Herz noch, welches pochte. Alle standen um den beschriebenen Frosch herum und es wurde seelenruhig erklärt, wie das Verdauungssystem eines Frosches funktioniert. Nun ja.
Andrea und Matthias wollten auch mit einem älteren Tansanier reden. Ich sollte den Übersetzer spielen. Dabei kann ich immer noch nicht wirklich gut Kisuaheli, aber dafür es hat es noch halbwegs gereicht. Wir saßen da, er trank sein Bier und wir versuchten uns im Gespräch. Das war schon ein interessanter Mensch. Ich habe ihn mehrmals gefragt wieviele Kinder er denn hat, aber irgendwie hab ich das nicht verstanden. Da wohnen welche, in dem Dorf auch... nicht zu vergessen in... naja, bei diesem Menschen habe ich wieder einmal gespürt, was er doch schon alles erlebt haben muss. Er war sehr herzlich, hat viel gelacht und uns zum Schluss kräftig umarmt.
PROJEKTWECHSEL
Es war eine schwere Geburt und ich wollte eigentlich etwas anderes. Aber mehr war einfach nicht möglich und ich bin sehr dankbar für die Arbeitswoche, so wie sie jetzt ist. Dreimal die Woche gehe ich zu Caro mit ins Waisenhaus, mittlerweile kenne ich die Kinder ja auch schon ziemlich gut und sie sind mir ans Herz gewachsen. Während der Schulferien hatte ich ja auch schon mitgeholfen. Freitags gehe ich in ein anderes Waisenhaus, ins Goya Goya. Das liegt etwas außerhalb von Rulenge, etwa eine halbe Stunde zu Fuß. Hier gibt es wesentlich mehr Kinder, ca. 75, in verschiedenen Altersstufen. Auch sehr alte Menschen leben hier und werden betreut. Das finde ich faszinierend, dass diese Menschen alle zusammen leben können. Geführt wird dieses Waisenhaus von Mutter Theresa-Schwestern. Das ist ein relativ großes Gelände, sogar ein eigener Raum für Gottesdienste ist vorhanden. Mir macht die Arbeit dort sehr viel Spaß, die Kinder sind größtenteils super. Der einzige Wehrmutstropfen ist, dass ich keine Fotos machen darf, das ist dort generell verboten.
Caro und ich haben also mehr als genug zu tun und es kommt oft vor, dass wir am Ende des Tages ziemlich kaputt sind. Aber ich finde es ein sehr schönes Gefühl, wenn man am Ende eines Tages das Gefühl hat etwas sinnvolles gemacht zu haben. Die Kinder rennen immer auf einen zu und man merkt ihnen an, dass sie sich wirklich freuen. Mit Kindern zu arbeiten kann anstrengend sein, aber es macht auch unheimlich viel Spaß!
Mittwochs besuche ich doch noch meine Schule, in erster Linie um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Meine Organisation hat nämlich entschieden, im September zwei Freiwillige hinzuschicken. Auch in Caros Waisenhaus sollen in Zukunft zwei Freiwillige geschickt werden. So werden also vier Freiwillige allein in Rulenge sein, der Wahnsinn. Und sie werden alle in einem Haus zusammen wohnen...
DAS NEUE FREIWILLIGENHAUS
Lang hat es gedauert und die verantwortlichen Herren in Rulenge haben sich viel zu lange auf Nathalie verlassen. Aber nun hat sich die Situation komplett verändert und ich bin gerade rechtzeitig zurückgekommen um alles Entscheidende mitzubekommen.
Nathalie ist nach Ngara gezogen und hat zur Zeit ein Office im Radio Kwizera. Sie wird auch teilweise in Bujumbura, Burundi, arbeiten. Das geht aber alles erst ab Ende Mai los, da sie jetzt bald für einen Monat Heimaturlaub in Belgien macht. Caro und ich wohnen jetzt im neuen Freiwilligenhaus. Nur für uns beide ist dieses Haus viel zu groß, es gibt vier Schlafräume, perfekt also wenn unsere Nachfolger kommen. Das Haus ist prinzipiell sehr schön, die Lage ist gut. Allerdings war es fast gar nicht eingerichtet und auch hier haben sich gewisse Herren auf Nathalie verlassen. Sie hat uns sehr viel für die Einrichtung hinterlassen, da sie es zunächst einfach nicht braucht. Es kann aber gut sein, dass sie diese Sachen zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder braucht. Dann muss das Geld aufgetrieben werden für die Einrichtung und das ist ja auch für einen guten Zweck. Die nächsten Jahre sollen alle Freiwilligen in diesem Haus wohnen.
Wir haben also ziemlich viel entrümpelt, da sehr viel Schund hier drin stand. Manchmal haben die Tansanier aber doch einen etwas extravaganten Geschmack. Nur ein spezielles Bild haben wir drin gelassen, da musste ich Caro aber zunächst von überzeugen. Es zeigt einen ehemaligen Menschen aus Rulenge, der jetzt woanders wohnt. Irgendwie hat dieses Bild etwas von Mona Lisa. Egal wo man sitzt, man fühlt sich immer beobachtet.
Alle größeren Sachen haben wir auf einem Truck von Nathalies Haus hier herüber geschafft. War schon ein tolles Gefühl mit all den Sachen oben auf dem Truck zu fahren. Dort hatte ich allerdings dann meinen zweiten "Unfall". Ich übersah einen Ast mit spitzen Nadeln, der voll in mein linkes Auge reinratschte. Manchmal pass ich einfach nicht auf. Ist aber zum Glück nichts passiert, war nur eine hässliche Schramme direkt überm Auge.
Geholfen beim Haus hat uns auch unser Freund Jangole, den ich letztes Jahr zufällig in der Bar kennen gelernt hatte. Er ist an einem Bein behindert und braucht einen Stock, ist aber trotzdem ein sehr guter Fundi (=Handwerker), der sich zu helfen weiß. Er und sein Kollege haben Moskitonetze an die Fenster gemacht, den Abfluss repariert, ein Regal gebaut und einen sehr seltsamen Balken entfernt, der quer durch mein Zimmer ging. Wozu der da war... ich weiß es beim besten Willen nicht.
Wir sind jetzt also sehr zufrieden mit dem Haus. Nathalies Haus vermissen wir kaum, was ich erst befürchtet hatte. Ein bisschen vermiss ich den Garten. Und die Angestellten Charles und Advera, die Nathalie leider entlassen musste. Die beiden haben echt traurig geschaut, aber was soll man machen. Als Abschiedsgeschenk haben sie noch unsere Hühner bekommen.
Das einzig störende im neuen Haus sind die Hunde, die man nicht mit unseren alten (Kila und Kali) vergleichen kann. Das sind sechs richtige Bestien, die vor ein paar Jahren auch schon zwei Menschen getötet haben. Sind die erst einmal losgelassen, zerfleischen die jeden, der ihnen in die Quere kommt. Ich habe sie mir einmal genauer angeguckt und vor denen kann man wirklich Angst haben. Diese Wachhunde werden jeden Abend um elf Uhr rausgelassen und dann sollte man nicht mehr auf dem Gelände sein. Nun kam es aber schon ein paar Mal vor, dass Caro und ich regelrecht nach Hause gerannt sind, weil es schon kurz vor elf war. Ist schon blöd, wenn man einfach nicht länger draußen bleiben kann. So muss ein Besuch plötzlich abgebrochen werden oder das Bier in der Bar schnell ausgetrunken werden... Unsere alten Hunde haben wir ins Auto verfrachtet und zum Projekt "Jatropha" gebracht. Das war schon eine interessante Fahrt mit den Hunden im Kofferraum. Die haben vielleicht verwirrt geschaut... mit den anderen Hunden in dem Projekt sind sie am Anfang nicht wirklich klar gekommen, die haben sich durchgehend angebellt. Am Tor des Projekts standen jede Menge Tansanier und haben interessiert zugeguckt, das war vielleicht ein Bild.
Was fällt mir noch zu unserem neuen Wohnsitz ein? Legendär ist dieses bescheuerte Türschloss, wo man immer ewig rumgurkt bis man diese Tür endlich aufbekommen hat. Wasserprobleme gibt es keine, aber mit dem Strom ist das wieder so eine Sache: Man weiß nie so genau wann welcher da ist... Achja, Father Dennis hat uns sehr viel unterstützt beim Umzug. Ist ein netter Kerl.
Was hier ein wenig fehlt ist eine Katze. Malaika, unsere Katze in Nathalies Haus, ist ja leider verschwunden während wir auf dem Zwischenseminar waren. Sehr schade. Dagobert, der Headmaster, hat schon wieder vier neue kleine Kätzchen und hat mir auch gleich eine angeboten. Aber hier im neuen Haus ist das leider nicht möglich, da eine Katze ja auch raus muss. Und nachts würde sie wohl sofort von den Hunden zerfleischt werden... Diese Hunde sind echt nicht nett! Oft stehen sie nachts direkt unter meinem Fenster und jaulen wie die Wölfe.
ABSCHIEDSPARTY
Zur Verabschiedung vom alten Haus haben wir noch einmal gefeiert. So weit man das in Rulenge zumindest tun kann. Ich hatte vollmundig angekündigt mich zu betrinken und das hab ich auch getan. Die anderen aber auch! Unsere tansanischen Freunde saßen auch mit in der Bar am Tisch. Renatus war dabei, der wohl den andern zugeflüstert hat, ich solle besser jetzt nach Hause. Mr. Massa, den ich immer wieder spontan freudig mit lautem Rufen umarmt habe... nun ja, manchmal muss man sich halt gehen lassen. Ich glaub ich hab ziemlich viel Stuss gelabert und dabei dauernd auf den Tisch gehaun. Zurück in Nathalies Haus haben wir noch im Wohnzimmer getanzt. Obwohl, ich nicht, ich kann ja nicht tanzen. So etwas hat dieses Wohnzimmer noch nicht gesehn gehabt. Ich saß am PC und spielte den DJ, während die anderen herumzuckten. Laut Nathalie habe ich wohl alle zwei Sekunden den Song gewechselt und das Bier umgekippt. Wie gesagt: Manchmal ist es einfach nötig sich gehen zu lassen. Wenn man das nicht dauernd tut ist alles in Ordnung. ;-)
Warum ich diese Feier so detailreich beschreibe: Gestern waren wir wieder in der Bar und Renatus hat mich an diesen doch wunderbaren Abend erinnert. Er ist schon wieder über einen Monat her (nochmal: die Zeit rast!), aber ich scheine einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, da er noch einmal meine Mimik und Gestik nachgemacht hat... nunja.
DER NEUE DOKTOR
Wir nennen ihn immer nur so. Eigentlich heißt er ja Sakafu. Aber das kann sich doch kein Mensch merken. Er wohnt jetzt statt uns in Nathalies ehemaligem Haus. Ganz alleine in so einem riesigen Haus, das muss schon komisch sein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (der nimmt uns das Haus "weg") hat er sich zu einem richtigen Kumpel für uns entwickelt. Wir machen abends zusammen das, was man halt in so einem Dorf machen kann. Wir gehen zusammen in die Bar, gucken Fußball oder Filme, spielen Billard und machen Sport. Das Billardspielen war schon ziemlich amüsant. Alle Besucher dieser Bar standen um uns rum, haben uns Tipps gegeben und interessiert zugeschaut. Nach einem erfolgreichen Stoß wurde kräftig auf den Tisch geklopft. Zwei "Mzungu" (Europäer) spielen Billard, der Wahnsinn. So was absurdes hatten viele anscheinend noch nicht gesehn.
Sport machen wir an meiner Schule, wenn auch die Schüler nachmittags Sport machen. Sakafu spielt Basketball (u.a mit Father Bosco, der darin voll aufgeht), Caro Volleyball und ich probierte mich im Tennis. Ich muss sagen, das macht richtig Spaß. Wir spielten im Doppel gegeneinander, mein Partner war richtig gut. Ich bin noch... hm, verbesserungswürdig... aber ich denke auch keine Vollkatastrophe. Könnte mir vorstellen, dass auch mal in Deutschland regelmäßig zu probieren, mal schauen.
Mal etwas Sport zu machen hat gut getan. Ich war ja noch nie eine Sportskanone, aber hier habe selbst ich gespürt, dass ab und zu etwas Sport einfach nötig ist. Caro und ich waren sogar so bekloppt, dass wir auf der Rückfahrt Father Bosco gebeten haben anzuhalten. Spontan stiegen wir aus und joggten die vier Kilometer nach Hause. Wir hatten beide keine wirklich gute Kondition mehr, aber wir habens gepackt. Ich weiß nicht wer mehr geröchelt hat. Die Tansanier auf dem Weg haben uns teilweise auch sehr seltsam angeschaut. Wo haben die Mzungu denn ihr Auto?
MONTESSORI-SCHULE
Das Problem im Waisenhaus von Caro ist, dass die Kinder leider kaum rausdürfen. An einem Tag war es aber endlich mal wieder so weit. Sister Judy meinte, dass wir jetzt ein bisschen mit ihnen spazieren gehen. Auf dem sehr kurzen Weg machten wir Halt bei der Montessori-Schule, die direkt gegenüber von unserm Haus ist. Immer wenn wir zur Arbeit gehen, rufen uns die Kinder von weitem "Good morning, teacher!" zu und winken kräftig. Heute besuchten wir sie also endlich einmal. Es war sehr interessant zu beobachten wie die Kinder von Caros Waisenhaus plötzlich auf andere Kinder treffen. Wir schauten beim Unterricht zu, die Kinder hatten einen sehr großen Respekt vor der Lehrerin Rose. Sie hatte die Kinder sehr gut im Griff, sie waren plötzlich überhaupt nicht mehr aufsässig, sondern total eingeschüchtert. Es schien ihnen aber auch sehr viel Spaß zu machen, gerade als getanzt wurde. Die Lehrerin Rose trommelte einen Takt und aus dem Kreis wurden immer zwei Kinder (eins von Montessori und eins vom Waisenhaus) in die Mitte gestellt, die dann tanzen sollten. Viele Kinder waren total schüchtern, aber einige gingen auch sehr darin auf. Gerade Mwesige habe ich noch nie so erlebt, der war wie ausgewechselt und wollte gar nicht mehr aufhören zu tanzen. Er wirkte ziemlich glücklich in diesem Moment.
Nach dem Unterricht mussten alle Kinder einzeln vor die Lehrerin treten und fragen: "Please teacher, may I go out?". Erst wenn sie diesen Satz richtig gefragt hatten durften sie hinaus. Ich habe manche der Kinder vom Waisenhaus nicht mehr wieder erkannt, sie hatten einen riesigen Respekt.
Die Montessori-Schule soll jetzt öfters besucht werden, damit ein Austausch stattfindet. Sister Judy hat auch sofort ein paar Unterrichtsmethoden übernommen.
FUSSBALL
Das wird jetzt ein immer größeres Thema. Caro und ich freuen uns immer mehr auf die Weltmeisterschaft und ich würde zu gerne nach Südafrika, aber das wird wohl ein Traum bleiben. Wir hoffen, die Stimmung unter den Tansaniern wird toll. Es ist schon ein schöner Zufall, dass ausgerechnet jetzt die WM mal in Afrika stattfindet. Fast jeder Tansanier ist fußballbegeistert, auch wenn ihre Nationalmannschaft nicht gerade die beste ist.
Wir haben auch eine ganz kleine Bar direkt am Markt entdeckt, in der Fußball gucken einfach Laune macht. Man sitzt auf engstem Raum zusammen, trinkt sein Bier und diskutiert vor allem heftigst. Und wenn ein Tor fällt springen alle auf und es ist unfassbar laut. Die Tansanier schauen am liebsten die Premier League von England, die meisten stehen auf Chelsea (Michael Ballack!) oder Arsenal.
Bei Arsenal fällt mir Father Bosco ein: Caro und ich hatten einmal die Ehre bei ihm in seinem Privatgemach Fußball zu gucken. Sakafu war auch dabei, die beiden sind anscheinend die dicksten Freunde. Father Bosco ist ein riesiger Arsenal-Fan und hat doch tatsächlich ein kleines Arsenal-Kissen. Selten so gelacht, aber er steht dazu und hat es teilweise richtig umklammert. Um ihn ein wenig aufzuziehen, hab ich gemeint, dass Arsenal auf jeden Fall verliert. Da lag ich aber leider falsch, die Heinis haben 5:0 gewonnen. Man kann nicht immer recht haben...
Jeden Freitag guck ich auch den Tansaniern zu, wie sie Fußball spielen. Der Platz liegt auf dem Rückweg vom Goya Goya. So sitz ich abends da, ruh mich ein wenig von der Arbeit aus und freu mich auf die WM. Einmal kamen plötzlich jede Menge Jugendliche in orangenen Trikots auf mich zu. Sie umringten mich regelrecht, sie sahen aus wie die holländische Nationalmannschaft. Sie bombardierten mich mit Fragen zu Deutschland, fragten ob ich denn Ballack persönlich kennen würde. Kurz: Wir redeten über Fußball. Gespräche mit Tansaniern machen immer Spaß und es ist schön, dass ein Austausch stattfindet. Aber das hier war echt ein Highlight, wenn dreißig Leute um dich rumstehen und dich u.a fragen, auf welcher Position du denn Fußball spielst. Es war mal wieder einer dieser kleinen Momente wo ich dachte: Wow, wie grandios und absurd es zugleich ist, dass du hier bist!
DER DEUTSCHE TANSANIER
Nein, er ist schon ein Tansanier. Aber er war schon mal in Deutschland und seine Tochter studiert dort. Er kennt Städte und Dörfer, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Genau so wie Father Didas, der kennt auch Gegenden, wo ich mich dann frage: Bist du wirklich in Deutschland geboren? Gerade in Bayern kennen sich einige gut aus. Andrea (das ist kein Schreibfehler), so heißt dieser Tansanier, kann richtig gut Deutsch und kaum Englisch. So unterhalten wir uns also immer tatsächlich auf Deutsch und er versteht fast alles. Das ist schon irgendwie abstrus und ich muss immer einen Schalter im Kopf umlegen, dass ich jetzt gefälligst Deutsch reden muss. Wir haben ihn schon öfter getroffen und einmal hat er Caro und mich zu sich nach Hause eingeladen. Es war leider nicht der beste Besuch einer tansanischen Familie, seine Frau fand ich nicht so sympathisch und sie hat einen kaum zu Wort kommen lassen. Auch Andrea (männlich!) kam leider nur sehr wenig zu Wort, obwol ich gerne mehr von ihm erfahren hätte. Sie waren aber trotzdem sehr gastfreundlich und es gab Fleisch und Nüsse zum Essen. Wir haben viele Fotos geguckt und einige Landschaften aus Bayern gesehen. Die Welt ist klein, oder?
EINDRÜCKE DER ARBEITSSTELLEN
*Schule
Das ist, wie schon öfter geschrieben, nicht wirklich Arbeit. Aber es ist einmal die Woche trotzdem schön, die Menschen dort wieder zu sehen und zu plaudern. Ich gehe immer erst so um zwölf hin und bleibe dafür bis abends. So kann ich mir jetzt auch immer den Schulchor angucken, der nachmittags stattfindet. Sylivester, mit dem ich mich sehr gut verstehe, hat mich gebeten mal zuzuschauen. War sehr schön, die Schüler hockten auf der Wiese auf Stühlen und sangen was das Zeug hielt. Es ist ein ziemlich großer Chor, Jungs und Mädchen sitzen natürlich getrennt. Aber dieses Zusammenspiel von beiden Stimmen – es macht manchmal Gänsehaut! Am Schluss haben sie extra ein Lied noch einmal für mich gesungen, dass ich besonders schön fand: "Hallelujah". Hat mich irgendwie an Weihnachten erinnert. Nach dem Chor musste ich mich nochmal vor allen kurz vorstellen, da mich einige auch nach einem Jahr immer noch nicht mit Namen kennen. Es ist einfach unmöglich, mit allen 800 Schülern zu reden. Was mir aber gerade da mal wieder aufgefallen ist: Frei vor vielen Tansaniern zu sprechen fiel mir am Anfang noch sehr schwer, aber nun schüttel ich das einfach spontan aus dem Ärmel. Ja, hier verändert man sich in einigen Dingen wirklich...
Was ich jetzt auch öfters mache: Ich setze mich mit Schülern in der unterrichtsfreien Zeit draußen ins Gras und wir spielen Dame. Das Spiel hab ich extra vor der Ausreise noch gelernt, da man mir erzählt hatte, dass das von vielen Tansaniern gern gespielt wird. Die sind da teilweise richtige Experten drin. Oft bildet sich gleich eine große Schar von Schülern um uns zwei Spieler, die interessiert zugucken und lauthals dazwischenrufen, wenn man etwas falsch gemacht hat.
*Waisenhaus "Angels Home"
Hier läuft alles gut. Ich bekomme immer besseren Zugang zu den Kindern. Mein neuer Liebling ist Baracka. Der ist drei Jahre alt und kann noch überhaupt nicht sprechen, außer die "Tatütata"-Sprache. Aber gut, ich hab ja auch erst mit vier Jahren das Sprechen angefangen. Baracka ist so was von lieb. Manchmal will er einen gar nicht mehr loslassen. Ganz begeistert ist er von unserm Hausschlüssel, den ich oft an einem Band um den Hals trage. Dann sag ich "Fungua" (Öffne) und er macht den Schlüssel vom Band ab. Danach sag ich "Funga" (Schließe) und er macht den Schlüssel wieder ran. Damit kann er sich stundenlang beschäftigen. Aber auch die anderen sind von diesem Schlüssel sehr angetan. Oft gibt es Streit, wer denn jetzt den Schlüssel abmachen darf.
*Waisenhaus Goya Goya
Ich war jetzt erst viermal da, aber komme so langsam in die Arbeit rein. Würde gerne öfter hingehen, aber da sind sich die Schwestern leider nicht einig. Gerade die vielen Helferinnen wussten am Anfang überhaupt nichts mit mir anzufangen. Ich denke, das liegt daran, dass ich ein männliches Wesen bin. Mittlerweile gewöhnen sie sich aber langsam an mich und es lockert alles allmählich auf. Sie fangen auch mal von sich aus ein Gespräch an. Eine meinte dann mal zu mir, sie wolle die "Mke" sein und hat dann auf mich gezeigt. Ich schlug das Wort nach und sah, dass es "Ehefrau" hieß. Ich dachte, ich spinne! Hab dann nur den Kopf geschüttelt und entschieden "Hapana" (Nein!) gesagt. Zu mehr war ich dann nicht mehr fähig...
Auch wenn ich erst ein paar Mal da war, bilden sich doch schon gewisse Traditionen heraus. So setze ich mich früh abends, wenn ich wieder gehe, draußen auf ein Mäuerchen und schaue einer Gruppe von Kindern zu, wie sie tanzen. Die Stimmung war gerade das erste Mal nahezu perfekt. Tanzende Kinder unter einem Baum und dazu die Sonne, die langsam untergeht. Die Kinder haben trotz ihres teilweise sehr jungen Alters einen Hüftschwung drauf – unfassbar. Es stimmt schon was man sagt: Die Afrikaner haben ein ziemlich gutes Rhythmusgefühl. Und die Lieder, die sie singen, sind echt klasse. Mein Lieblingslied ist der Rulenge-Song, hätte nicht gedacht, dass dieses kleine Dorf einen eigenen Song hat. Schade, dass man beim Schreiben keine Melodie vermitteln kann, aber es ist ein Ohrwurm. Ich bin dann aber bereit, es vorzusummen, wenn ich daheim bin...
Die Kinder waren das erste Mal ganz aufgeregt, als ich mich da hingesetzt und zugeschaut habe. Sie schlugen teilweise die Hände vor ihr Gesicht, wenn sie einen Fehler gemacht hatten. Relativ am Schluss sind sie dann tanzend auf mich zugekommen und haben mir jeder eine Blume in die Hand gedrückt, um dann wieder ganz schüchtern wegzulaufen...
Auf der ersten Hälfte des Rückwegs werde ich dann noch von jede Menge Kindern begleitet, die alle hinter mir laufen. Ich drehe mich dann andauernd um und erschrecke die Kinder, die dann schreiend oder kichernd (manchmal beides gleichzeitig) davonlaufen. Das scheint denen richtig Spaß zu machen und auch das werd ich wohl jetzt jedes Mal machen.
Achja, bei Traditionen darf ich die Schneiderin vom Goya Goya nicht vergessen, mit der ich mich immer kurz unterhalte, wenn ich ankomme. Eine sehr herzliche Frau, mit der ich auch schon Adressen ausgetauscht habe. Mal schaun, ob sie wirklich schreibt... ich hoffe ja, dass ein paar Kontakte auch nach der Rückkehr bleiben. Wäre doch schade, wenn da überhaupt nichts bleibt. Aber mir ist schon seit längerer Zeit klar: Dieses kleine Dorf Rulenge werde ich nie vergessen und irgendwann werde ich es sicher auch noch einmal besuchen. Finde es absolut interessant zu sehen, wie es hier nach zehn Jahren ausschaut. Und vor allem die Menschen dann wiederzusehen...
FAHRTEN NACH NGARA
Seit Nathalie uns nicht mehr nach nach Ngara fahren kann, ist es wirklich schwierig dort hin zu kommen. Zweimal haben wir es seitdem geschafft. Bei der ersten von den beiden Fahrten musste man mal wieder viel Geduld haben. Da haben wir denke ich gut dazu gelernt, aber irgendwann ist es einfach genug. Father Didas hat es wieder einmal ziemlich übertrieben. Der Beginn der Fahrt führte erst einmal in genau die falsche Richtung. Wir fuhren zu meiner Schule, er wollte dort irgendwas besprechen. Danach haben wir dann mehrmals Leute in Rulenge und Umgebung aufgegabelt, bis das Auto dann halt voll war. Aber das waren nette Menschen, mit dem einem (Franco) haben wir uns gut unterhalten, er hat uns einiges von Tansania erzählt. Gerade von den Gegenden wo wir noch hinwollen. Naja, und dann der Fahrstil. Father Didas fuhr – mal nett ausgedrückt – etwas übertrieben. Da bekam ich dann doch mal wieder etwas Angst beim Autofahren. Und die Schlaglöcher auf der Strecke sind ein Knaller, wortwörtlich gesehn!
Naja, irgendwann ist jede Fahrt auch zu Ende und wir machten das, was wir meistens in Ngara machen: Einkaufen im "Mzungu"-Shop (bei einer Inderin), darunter auch Kaffee aus Burundi. Sie hatte eigentlich keinen da, aber hat mir ihren verkauft, den sie sich selbst besorgt hat. Das ist doch mal nett. Achja, und Musik hab ich mir mal gekauft. Ich wollte mir schon länger mal diese afrikanischen "Hits", die man dauernd in den Bars hört, besorgen. Einiges muss man da einfach haben. Vor allem "Pole sana", meinen absoluten Lieblingssong hier, der Song geht einem so schnell nicht aus dem Kopf. Jetzt gerade hab ich ihn auch wieder im Ohr. Überwiegend kann man leider nur Kassetten kaufen, aber das hat doch irgendwie Stil.
Naja, und was wir halt auch immer machen in Ngara: Wir gehen zum "Kiti Moto" (Heißer Stuhl). Das ist ein Restaurant auf einem kleinen Hügel, von dem man eine wunderbare Aussicht hat. Auf Postkarten-Niveau. Das kann man oft leider nicht auf Bild festhalten. Dort haben wir das übliche gegessen: 2 Kg Fleisch, gegrillte Bananen und Tomatensalat. Das ist immer wieder was Besonderes, richtig lecker und man ist danach pappsatt!
Der Rückweg von Ngara war auch wieder interessant. Wir haben erst einmal "Pole sana" im Auto laut aufgedreht. Plötzlich hielt Father Didas abrupt an und schlug sich an die Stirn: "Aaah, we forgot someone". Dann erst einmal flugs telefoniert und gefragt ob man denn noch gebraucht wird. Wurden wir anscheinend nicht und wir fuhren weiter. Dann hielt Father Didas plötzlich wieder an und eine Mutter mit ihrem Kind stieg ein. Die beiden unterhielten sich mit Father Didas, worüber genau, habe ich leider nicht verstanden. Irgendein Problem mit der Schule. So habe ich ihn jedenfalls noch nie erlebt, er war richtig ärgerlich. So saßen wir im Auto, der Regen prasselte auf die Scheiben, und wir hörten schweigend zu, wie die drei sich stritten. Dann stiegen sie wieder aus und die Fahrt konnte weitergehn. Natürlich nicht lange, wir bogen wieder von der Hauptstraße ab und besuchten irgendwelche Schwestern. Das war vielleicht ein Hallo! Sie begrüßten uns wie gute alte Freunde und umarmten uns kräftig. Das Interessante wieder einmal war: Viele wussten wer ich bin und hatten auch von dem Unfall gehört. Immer wieder faszinierend, wenn Menschen einen kennen, aber man sie nicht. Naja... "Pole sana" und so! Die Übersetzung steht oben.
MEIN SCHNEIDER
Es gibt da einen Schneider in Ngara, den mir jemand von Radio Kwizera empfohlen hat. Hab ich jetzt entdeckt, mir Hosen schneidern zu lassen. Der Stoff und die Verarbeitung kosten meistens nur 10.000 Schilling, das sind umgerechnet ca. 5 Euro. Das ist fast nichts und ich denke mir doch, dass muss man ausnutzen. In Deutschland kostet was Maßgeschneidertes viel mehr. Der Schneider kennt mich mittlerweile und begrüßt mich jedes Mal mit einem freudigen "Severin!". Ich bin jedes Mal zufrieden mit seiner Arbeit. Hab zwar keine Ahnung davon, aber die Hose sitzt gut und darauf kommts doch an... ;-)
Das letzte Mal hab ich es aber übertrieben mit der Stoff-Auswahl. Eine goldene Hose, das geht ja wohl gar nicht! Aber als Ausgleich hab ich jetzt eine dunkelgrüne, die finde ich wirklich schön...
Eigentlich will ich mir auch noch Hemden machen lassen, aber irgendwie bin ich da noch nicht zu gekommen.
KIRCHE
Caro hält mich glaube ich für verrückt, da ich ja so gut wie gar nicht gläubig bin. Aber ich habe mir jetzt vorgenommen jeden Sonntag hinzugehen. Irgendwie finde ich es richtig sich dort zu zeigen. Als Zeichen, dass man an der Gemeinschaft teilnehmen will. Außerdem finde ich den Chor richtig klasse, immer wieder schön. Nach der Kirche trifft man dann noch oft Leute und man plaudert ein wenig und verabredet sich. Da wir sonntags oft sowieso nicht viel zu tun haben, bietet sich der regelmäßige Kirchengang doch wirklich an.
Heute ist Palmsonntag und wir waren natürlich auch in der Kirche. Dieses Mal war sie noch voller und alle hatten ihren Palmenzweig dabei. Wir auch, Renatus hat uns netterweise welche besorgt. Ich hab ja keine Ahnung von Kirche und hab mich erst einmal von Caro aufklären lassen. Hab den Palmsonntag vorher nie genauer beachtet. Ich bekam sogleich einen Rundumschlag in Sachen Kirche und erfuhr unter anderem, was denn nun verdammtnochmal der Unterschied zwischen Kommunion und Konfirmation ist. Der Gottesdienst war dieses Mal noch länger als sonst und ich befand mich ganz ehrlich ein wenig im Halbschlaf, als Father Dennis plötzlich in seiner Predigt "Sören na Caroline" (na=und) erwähnte. Wir schreckten beide auf und alle starrten uns an. Man sollte bei der Predigt aufmerksamer sein...
ABENDESSEN IN DER PARISH
Manchmal werden Caro und ich dazu eingeladen. Manchmal sind wir allerdings auch dazu gezwungen, da unser Gas alle ist und wir nichts kochen können. Gas bekommt man nur in Ngara. Dann sitzen wir also mit jede Menge Priestern zusammen und essen schön afrikanisch. Reis mit Bohnen mag ich ja am liebsten. Ganz einfach, aber extrem lecker. Die Bohnen hier schmecken richtig gut. Kochbananen gibt es auch immer, aber die kann ich schon lange nicht mehr sehen. Dazu sehr leckeres Fleisch (meistens vom Schwein). Einmal gab es sogar Champignons, die waren richtig gut. Aber meistens isst man hier dasselbe. Caro und ich sind beide leidenschaftliche Esser, auch wenn man uns das nicht ansieht. Ich würde Essen sogar als Hobby bezeichnen... wenn wir etwas in Deutschland vermissen, dann ist es das!
Die Tischgespräche sind immer wieder sehr interessant. Manchmal wollen die Herren Priester auch unter sich sein und reden kaum mit uns – es gibt aber auch Abende, da fangen sie sehr seltsame Themen an. So ging es einmal z.B. über Piercings. Gerade Father Bosco schien sehr von dem Thema angetan. Er meinte, es gäbe doch auch versteckte Stellen, wo es möglich ist, dass dort ein Piercing ist. Caro hat es in ihrem Blog geschrieben und ich muss ihr da einfach zustimmen: Manchmal mag man nicht glauben, dass diese Herren Priester sind...
Father Didas geht beim Abendessen oft richtig auf. Er redet ja so gerne Deutsch oder probiert es zumindest. Immer wieder ein Lacher wert. So bezeichnet er seinen Kopf mal als "kaputtisch" oder sagt zur Verabschiedung "Gute Nackt" statt "Gute Nacht". Dabei kommt dann sein markantes Lachen und er zeigt mit seinem Finger auf einen. Das kann man einfach nicht beschreiben, Father Didas muss man erlebt haben. Irgendwie mag ich diesen Kerl sehr gerne, den vergisst man nicht so schnell. Zur Begrüßung sagt er oft "Wie gates" statt "Wie gehts" und lacht sich jedes Mal kringelig. Auf einer Fahrt nach Ngara hat er mich mindestens zehn mal als Banane bezeichnet: "You're a banana, man!" Aber das meint er nicht böse, es ist einfach seine Art. Daran muss man sich gewöhnen.
Was wirklich schade ist: Father Didas wird nach Ostern nach Biharamulo ziehen. Der Bischof (Severin, mein Namensvetter) hat ihn dorthin versetzt. Ob es dann noch möglich ist, dass er die Freiwilligen betreut, mag ich mal bezweifeln. Aber vielleicht wird das bei den nächsten Freiwilligen auch Father Dennis machen, der uns jetzt schon viel geholfen hat. Mal schaun.
PROPHYLAXE
Nehm ich keine mehr. Die Tabletten, die mir Roman hinterlassen hat sind aufgebraucht. Wir haben die Prophylaxe jetzt alle abgesetzt. Fands auch irgendwie ein wenig unheimlich so viele Tabletten zu schlucken, wo ich vorher nie was genommen habe. Wir gehen das Risiko jetzt ein. Schlimmer als ein Autounfall kann auch Malaria nicht sein. Wenn man sie rechtzeitig erkennt ist die Malaria sowieso meistens harmlos. Ich bin da nicht leichtsinnig. Auf dem Zwischenseminar wurde das Thema viel diskutiert und viele nehmen keine Prophylaxe und hatten nie Malaria. Bei dem Thema wurde viel zu viel Panik im Vorfeld gemacht – wie bei so vielen Dingen.
So weit also von mir. Bald ist April. Bereitet euch schon mal auf fiese Aprilscherze vor, es gibt da immer wieder sehr lustige Gesellen. Wir haben uns noch die ein oder andere Reise vorgenommen, mal sehen was davon klappt. Irgendwie läuft einem im Moment echt die Zeit davon, wir wollten doch noch so viel machen. Der 17. August ist plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt.
Kommentare sind wie immer erwünscht.
Ich.
Wünsche.
Eine.
Geruhsame.
Nacht.
Severin.
Song des Tages: Pole sana!
Motto des Tages: Matze Peng!
(geschrieben: 26. März – 28. März 2010, ins Blog gestellt am 28. März 2010)
Der Unfall war ein einschneidendes Erlebnis. Er unterteilt mein Jahr hier in genau zwei Hälften. Die erste Hälfte war alles total aufregend, in der zweiten Hälfte hat sich ziemlich schnell viel verändert und nun kehrt langsam der Alltag ein. Caro und ich haben schon öfter festgestellt, dass wir uns wie ein altes Ehepaar benehmen. Wir reden mittlerweile sogar oft im Chor, grüßen die Leute gleichzeitig oder denken dasselbe. Mittlerweile kennen wir uns ziemlich gut, aber so ist das, wenn man für eine längere Zeit zusammenwohnt.
Was uns beiden immer wieder auffällt jetzt: Die Zeit rast! Wir staunen immer wieder, wenn das Wochenende vor der Tür steht. Das geht so schnell, die Zeit ist manchmal echt ein Monster. Wir denken immer öfter an das, was nach Afrika kommt: Das Studium. Natürlich sind es noch ein paar Monate bis dahin, aber wenn die Zeit weiterhin so schnell vorbeigeht... schwupps, sitzen wir plötzlich im Flieger nach Hause.
Wie schon geschrieben: Der Alltag kehrt hier ein. Wir arbeiten beide viel. Vieles finden wir gar nicht mehr erwähnenswert in den Blog zu schreiben, da es für uns schon selbstverständlich ist. Ich gebe jetzt mal trotzdem mein Bestes, interessante Dinge hierhin zu schreiben:
UNFALL
Nach dem sehr seltsamen Zwischenseminar in Daresselam beschlossen Marcus und ich spontan doch noch für ein paar Tage mit den anderen Freiwilligen in den Süden von Tansania mitzufahren. Wir hatten Lust noch länger mit ihnen die Zeit zu verbringen und deren Projekte anzuschaun. Außerdem wollten wir auch einfach mal etwas vom Süden sehen. War wohl im Nachhinein eine Fehlentscheidung, aber so etwas kann man ja nicht ahnen. Wir fuhren also zu neunt in einem Jeep los. Wir waren alle etwas müde von den Tagen zuvor und schliefen relativ schnell ein. Ab da habe ich irgendwie kaum Erinnerungen, nur einzelne Bilder. Ich meine mich an Schreie zu erinnern und an irgendeine Mauer, auf die wir zufahren. Unser Fahrer war anscheinend auch müde gewesen und ist ebenfalls eingeschlafen. Laut der Erzählungen von den anderen haben uns irgendwelche Tansanier nach dem Aufprall wohl aus dem Auto gezogen und uns erst einmal auf die Wiese gelegt. Laut Kilian habe ich apathisch guckend rumgelegen. Schon ein wenig seltsam wenn man sich daran überhaupt nicht erinnern kann. Nunja. Wir haben eine Menge Glück gehabt. Der Unfall ist noch im Bereich von Daressalam passiert, so kamen wir relativ schnell in ein Krankenhaus. Wäre der irgendwo in der Pampa passiert, wärs kompliziert geworden. Viele haben sich kaum etwas getan, wir standen nur alle unter Schock. Für mich war das auch der erste Autounfall und ich kann auf einen zweiten gut und gern verzichten. Marcus hatte sich den Oberarm gebrochen und seine Finger waren auch nicht mehr voll bewegungsfähig. Keine weiteren Details von den Krankengeschichten, das will doch keiner wissen. Nur noch so viel zu mir: Meine Schneidezähne waren locker (und sind es immer noch), ein Zahn war abgebrochen (und ist es immer noch) und meine Mundwinkel eingerissen (das bessert sich langsam). So habe ich also überlegt doch in Tansania zu bleiben, da das ja alles gar nicht so schlimm sei. Danke noch einmal an Jacob, der mich überzeugt hat doch vorsichtshalber zurück nach Deutschland zu fliegen. Außerdem hätt ich es auch komisch gefunden, wenn Marcus alleine zurückfliegt. In Deutschland wurde dann plötzlich ein Oberkieferbruch festgestellt und – schwupps – war ich plötzlich in der OP. Das ging alles so schnell, wie im Traum...
DREI WOCHEN DEUTSCHLAND
Eine sehr seltsame Zeit. Drei Wochen waren schon viel zu viel. Marcus ist immer noch in Deutschland, da sich seine Verletzungen als sehr kompliziert herausgestellt haben. An dieser Stelle noch einmal gute Besserung an dich, Marcus. Wir brauchen dich hier, also komm so schnell wie möglich "heim"!
Ich habe mich zugegebenermaßen etwas eigenartig verhalten, was wohl nicht jeder nachvollziehen konnte. Habe jeden Kontakt vermieden. Mich sogar im Zimmer verkrochen, wenn Besuch da war. Ich glaube immer noch, dass es richtig war. Ich hatte einfach zu diesem Zeitpunkt keine Lust auf Deutschland, wollte nur so schnell wie möglich zurück. Nun ja, ich gebe zu, ich war ein wenig stur.
Ein Dankeschön an dich, Vater, dass du mich trotzdem aufgenommen hast. Und meine Macken ertragen hast. Werd mich das nächste Mal schon anders verhalten.:-)
Was ist hängen geblieben... Suppen essen im Krankenhaus... komische Ärzte in meiner Abteilung... eine sehr große kleine Schwester, die immer noch sehr lieb ist... meine große Schwester, die es mir hoffentlich verzeiht, dass ich sie nicht sehen wollte... Maultaschen essen (das Essen ist einfach grandios und zu Hause schmeckts halt doch am besten)... Schnee und Kälte... irgendwie war es das auch schon... ich hab auch einfach nichts gemacht, also beenden wir doch diesen Absatz.
RÜCKKEHR NACH TANSANIA
Von Schnee und Kälte ging es also wieder zurück zu Sonne und Hitze. In mein geliebtes Dorf Rulenge. In die "Westernstadt". Diesen Vergleich hat mir mal jemand gesagt und an manchen Ecken ist der sehr passend. Es gibt eine Hauptstraße, die Häuser sind in diesem Westernstil und die Menschen hocken draußen vor diesen Häusern. Zurückgeflogen bin ich mit Matthias und Andrea, zwei Menschen von unserer Organisation. Übernachtung in Daressalam, am nächsten Tag Flug nach Mwanza. Fühle mich schon wie ein alter Hase. Auch für die andern beiden war das ja nichts neues mehr. Von Mwanza wurden wir dann von Damas, dem Fahrer, abgeholt und nach Rulenge gefahren. Dort wusste interessanterweise keiner was davon, dass wir kommen. Da ist wohl informationstechnisch etwas schiefgelaufen. So standen wir also abends vor dem verschlossenen Tor von Nathalies Haus. Father Didas tauchte plötzlich auf. Nach einer für ihn typisch kräftigen Umarmung entschied er für uns doch die nächsten Tage in Buhororo zu verbringen. Das ist ein Dorf noch viel kleiner als Rulenge, dort war die ersten Monate auch Marcus untergebracht. Dort gabs dann die ersten Gespräche mit Andrea und Matthias, die ja gekommen waren um zu schauen wie es läuft. Auch über meinen Projektwechsel sollte geredet werden, ich hatte nämlich entschieden nicht mehr in der Schule arbeiten zu wollen. Ich mag diesen Ort wirklich gerne, aber eine wirkliche Arbeit gibt es dort nicht für mich. Aber dazu später. Wir haben viel Zeit mit Father Didas verbracht. Haben Ngara besucht. Vor allem aber geredet. Wir haben auch alle zusammen die Graduation an meiner Schule besucht, für mich schon die zweite. Feiern können die Tansanier wirklich. Es begann mit einem Gottesdienst, aber danach wurde gesungen und getanzt. Und danach natürlich gegessen. Viele Schüler kamen auf mich zu und freuten sich mich wieder zu sehen. Vor allem die Nancy ist bei mir hängen geblieben. Als sie mich sah blieb sie abrupt stehen, schlug den Hand vor den Mund und rief: "Oh my God, I can't believe it!". Das ist nicht übertrieben. Hey, ich bin es doch nur, der Severin. So oft musste ich mir noch nie "Pole sana" (Das tut mir Leid) anhören. Aber das war irgendwie auch schön. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass viele mich mögen und mich auch vermisst haben. Um von der gefühlstechnischen Schiene mal wieder herunterzukommen: Bei der Graduation kann ich mich auch noch an den Frosch erinnern. Dieser lag aufgeschlitzt da, aber man sah sein Herz noch, welches pochte. Alle standen um den beschriebenen Frosch herum und es wurde seelenruhig erklärt, wie das Verdauungssystem eines Frosches funktioniert. Nun ja.
Andrea und Matthias wollten auch mit einem älteren Tansanier reden. Ich sollte den Übersetzer spielen. Dabei kann ich immer noch nicht wirklich gut Kisuaheli, aber dafür es hat es noch halbwegs gereicht. Wir saßen da, er trank sein Bier und wir versuchten uns im Gespräch. Das war schon ein interessanter Mensch. Ich habe ihn mehrmals gefragt wieviele Kinder er denn hat, aber irgendwie hab ich das nicht verstanden. Da wohnen welche, in dem Dorf auch... nicht zu vergessen in... naja, bei diesem Menschen habe ich wieder einmal gespürt, was er doch schon alles erlebt haben muss. Er war sehr herzlich, hat viel gelacht und uns zum Schluss kräftig umarmt.
PROJEKTWECHSEL
Es war eine schwere Geburt und ich wollte eigentlich etwas anderes. Aber mehr war einfach nicht möglich und ich bin sehr dankbar für die Arbeitswoche, so wie sie jetzt ist. Dreimal die Woche gehe ich zu Caro mit ins Waisenhaus, mittlerweile kenne ich die Kinder ja auch schon ziemlich gut und sie sind mir ans Herz gewachsen. Während der Schulferien hatte ich ja auch schon mitgeholfen. Freitags gehe ich in ein anderes Waisenhaus, ins Goya Goya. Das liegt etwas außerhalb von Rulenge, etwa eine halbe Stunde zu Fuß. Hier gibt es wesentlich mehr Kinder, ca. 75, in verschiedenen Altersstufen. Auch sehr alte Menschen leben hier und werden betreut. Das finde ich faszinierend, dass diese Menschen alle zusammen leben können. Geführt wird dieses Waisenhaus von Mutter Theresa-Schwestern. Das ist ein relativ großes Gelände, sogar ein eigener Raum für Gottesdienste ist vorhanden. Mir macht die Arbeit dort sehr viel Spaß, die Kinder sind größtenteils super. Der einzige Wehrmutstropfen ist, dass ich keine Fotos machen darf, das ist dort generell verboten.
Caro und ich haben also mehr als genug zu tun und es kommt oft vor, dass wir am Ende des Tages ziemlich kaputt sind. Aber ich finde es ein sehr schönes Gefühl, wenn man am Ende eines Tages das Gefühl hat etwas sinnvolles gemacht zu haben. Die Kinder rennen immer auf einen zu und man merkt ihnen an, dass sie sich wirklich freuen. Mit Kindern zu arbeiten kann anstrengend sein, aber es macht auch unheimlich viel Spaß!
Mittwochs besuche ich doch noch meine Schule, in erster Linie um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Meine Organisation hat nämlich entschieden, im September zwei Freiwillige hinzuschicken. Auch in Caros Waisenhaus sollen in Zukunft zwei Freiwillige geschickt werden. So werden also vier Freiwillige allein in Rulenge sein, der Wahnsinn. Und sie werden alle in einem Haus zusammen wohnen...
DAS NEUE FREIWILLIGENHAUS
Lang hat es gedauert und die verantwortlichen Herren in Rulenge haben sich viel zu lange auf Nathalie verlassen. Aber nun hat sich die Situation komplett verändert und ich bin gerade rechtzeitig zurückgekommen um alles Entscheidende mitzubekommen.
Nathalie ist nach Ngara gezogen und hat zur Zeit ein Office im Radio Kwizera. Sie wird auch teilweise in Bujumbura, Burundi, arbeiten. Das geht aber alles erst ab Ende Mai los, da sie jetzt bald für einen Monat Heimaturlaub in Belgien macht. Caro und ich wohnen jetzt im neuen Freiwilligenhaus. Nur für uns beide ist dieses Haus viel zu groß, es gibt vier Schlafräume, perfekt also wenn unsere Nachfolger kommen. Das Haus ist prinzipiell sehr schön, die Lage ist gut. Allerdings war es fast gar nicht eingerichtet und auch hier haben sich gewisse Herren auf Nathalie verlassen. Sie hat uns sehr viel für die Einrichtung hinterlassen, da sie es zunächst einfach nicht braucht. Es kann aber gut sein, dass sie diese Sachen zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder braucht. Dann muss das Geld aufgetrieben werden für die Einrichtung und das ist ja auch für einen guten Zweck. Die nächsten Jahre sollen alle Freiwilligen in diesem Haus wohnen.
Wir haben also ziemlich viel entrümpelt, da sehr viel Schund hier drin stand. Manchmal haben die Tansanier aber doch einen etwas extravaganten Geschmack. Nur ein spezielles Bild haben wir drin gelassen, da musste ich Caro aber zunächst von überzeugen. Es zeigt einen ehemaligen Menschen aus Rulenge, der jetzt woanders wohnt. Irgendwie hat dieses Bild etwas von Mona Lisa. Egal wo man sitzt, man fühlt sich immer beobachtet.
Alle größeren Sachen haben wir auf einem Truck von Nathalies Haus hier herüber geschafft. War schon ein tolles Gefühl mit all den Sachen oben auf dem Truck zu fahren. Dort hatte ich allerdings dann meinen zweiten "Unfall". Ich übersah einen Ast mit spitzen Nadeln, der voll in mein linkes Auge reinratschte. Manchmal pass ich einfach nicht auf. Ist aber zum Glück nichts passiert, war nur eine hässliche Schramme direkt überm Auge.
Geholfen beim Haus hat uns auch unser Freund Jangole, den ich letztes Jahr zufällig in der Bar kennen gelernt hatte. Er ist an einem Bein behindert und braucht einen Stock, ist aber trotzdem ein sehr guter Fundi (=Handwerker), der sich zu helfen weiß. Er und sein Kollege haben Moskitonetze an die Fenster gemacht, den Abfluss repariert, ein Regal gebaut und einen sehr seltsamen Balken entfernt, der quer durch mein Zimmer ging. Wozu der da war... ich weiß es beim besten Willen nicht.
Wir sind jetzt also sehr zufrieden mit dem Haus. Nathalies Haus vermissen wir kaum, was ich erst befürchtet hatte. Ein bisschen vermiss ich den Garten. Und die Angestellten Charles und Advera, die Nathalie leider entlassen musste. Die beiden haben echt traurig geschaut, aber was soll man machen. Als Abschiedsgeschenk haben sie noch unsere Hühner bekommen.
Das einzig störende im neuen Haus sind die Hunde, die man nicht mit unseren alten (Kila und Kali) vergleichen kann. Das sind sechs richtige Bestien, die vor ein paar Jahren auch schon zwei Menschen getötet haben. Sind die erst einmal losgelassen, zerfleischen die jeden, der ihnen in die Quere kommt. Ich habe sie mir einmal genauer angeguckt und vor denen kann man wirklich Angst haben. Diese Wachhunde werden jeden Abend um elf Uhr rausgelassen und dann sollte man nicht mehr auf dem Gelände sein. Nun kam es aber schon ein paar Mal vor, dass Caro und ich regelrecht nach Hause gerannt sind, weil es schon kurz vor elf war. Ist schon blöd, wenn man einfach nicht länger draußen bleiben kann. So muss ein Besuch plötzlich abgebrochen werden oder das Bier in der Bar schnell ausgetrunken werden... Unsere alten Hunde haben wir ins Auto verfrachtet und zum Projekt "Jatropha" gebracht. Das war schon eine interessante Fahrt mit den Hunden im Kofferraum. Die haben vielleicht verwirrt geschaut... mit den anderen Hunden in dem Projekt sind sie am Anfang nicht wirklich klar gekommen, die haben sich durchgehend angebellt. Am Tor des Projekts standen jede Menge Tansanier und haben interessiert zugeguckt, das war vielleicht ein Bild.
Was fällt mir noch zu unserem neuen Wohnsitz ein? Legendär ist dieses bescheuerte Türschloss, wo man immer ewig rumgurkt bis man diese Tür endlich aufbekommen hat. Wasserprobleme gibt es keine, aber mit dem Strom ist das wieder so eine Sache: Man weiß nie so genau wann welcher da ist... Achja, Father Dennis hat uns sehr viel unterstützt beim Umzug. Ist ein netter Kerl.
Was hier ein wenig fehlt ist eine Katze. Malaika, unsere Katze in Nathalies Haus, ist ja leider verschwunden während wir auf dem Zwischenseminar waren. Sehr schade. Dagobert, der Headmaster, hat schon wieder vier neue kleine Kätzchen und hat mir auch gleich eine angeboten. Aber hier im neuen Haus ist das leider nicht möglich, da eine Katze ja auch raus muss. Und nachts würde sie wohl sofort von den Hunden zerfleischt werden... Diese Hunde sind echt nicht nett! Oft stehen sie nachts direkt unter meinem Fenster und jaulen wie die Wölfe.
ABSCHIEDSPARTY
Zur Verabschiedung vom alten Haus haben wir noch einmal gefeiert. So weit man das in Rulenge zumindest tun kann. Ich hatte vollmundig angekündigt mich zu betrinken und das hab ich auch getan. Die anderen aber auch! Unsere tansanischen Freunde saßen auch mit in der Bar am Tisch. Renatus war dabei, der wohl den andern zugeflüstert hat, ich solle besser jetzt nach Hause. Mr. Massa, den ich immer wieder spontan freudig mit lautem Rufen umarmt habe... nun ja, manchmal muss man sich halt gehen lassen. Ich glaub ich hab ziemlich viel Stuss gelabert und dabei dauernd auf den Tisch gehaun. Zurück in Nathalies Haus haben wir noch im Wohnzimmer getanzt. Obwohl, ich nicht, ich kann ja nicht tanzen. So etwas hat dieses Wohnzimmer noch nicht gesehn gehabt. Ich saß am PC und spielte den DJ, während die anderen herumzuckten. Laut Nathalie habe ich wohl alle zwei Sekunden den Song gewechselt und das Bier umgekippt. Wie gesagt: Manchmal ist es einfach nötig sich gehen zu lassen. Wenn man das nicht dauernd tut ist alles in Ordnung. ;-)
Warum ich diese Feier so detailreich beschreibe: Gestern waren wir wieder in der Bar und Renatus hat mich an diesen doch wunderbaren Abend erinnert. Er ist schon wieder über einen Monat her (nochmal: die Zeit rast!), aber ich scheine einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, da er noch einmal meine Mimik und Gestik nachgemacht hat... nunja.
DER NEUE DOKTOR
Wir nennen ihn immer nur so. Eigentlich heißt er ja Sakafu. Aber das kann sich doch kein Mensch merken. Er wohnt jetzt statt uns in Nathalies ehemaligem Haus. Ganz alleine in so einem riesigen Haus, das muss schon komisch sein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (der nimmt uns das Haus "weg") hat er sich zu einem richtigen Kumpel für uns entwickelt. Wir machen abends zusammen das, was man halt in so einem Dorf machen kann. Wir gehen zusammen in die Bar, gucken Fußball oder Filme, spielen Billard und machen Sport. Das Billardspielen war schon ziemlich amüsant. Alle Besucher dieser Bar standen um uns rum, haben uns Tipps gegeben und interessiert zugeschaut. Nach einem erfolgreichen Stoß wurde kräftig auf den Tisch geklopft. Zwei "Mzungu" (Europäer) spielen Billard, der Wahnsinn. So was absurdes hatten viele anscheinend noch nicht gesehn.
Sport machen wir an meiner Schule, wenn auch die Schüler nachmittags Sport machen. Sakafu spielt Basketball (u.a mit Father Bosco, der darin voll aufgeht), Caro Volleyball und ich probierte mich im Tennis. Ich muss sagen, das macht richtig Spaß. Wir spielten im Doppel gegeneinander, mein Partner war richtig gut. Ich bin noch... hm, verbesserungswürdig... aber ich denke auch keine Vollkatastrophe. Könnte mir vorstellen, dass auch mal in Deutschland regelmäßig zu probieren, mal schauen.
Mal etwas Sport zu machen hat gut getan. Ich war ja noch nie eine Sportskanone, aber hier habe selbst ich gespürt, dass ab und zu etwas Sport einfach nötig ist. Caro und ich waren sogar so bekloppt, dass wir auf der Rückfahrt Father Bosco gebeten haben anzuhalten. Spontan stiegen wir aus und joggten die vier Kilometer nach Hause. Wir hatten beide keine wirklich gute Kondition mehr, aber wir habens gepackt. Ich weiß nicht wer mehr geröchelt hat. Die Tansanier auf dem Weg haben uns teilweise auch sehr seltsam angeschaut. Wo haben die Mzungu denn ihr Auto?
MONTESSORI-SCHULE
Das Problem im Waisenhaus von Caro ist, dass die Kinder leider kaum rausdürfen. An einem Tag war es aber endlich mal wieder so weit. Sister Judy meinte, dass wir jetzt ein bisschen mit ihnen spazieren gehen. Auf dem sehr kurzen Weg machten wir Halt bei der Montessori-Schule, die direkt gegenüber von unserm Haus ist. Immer wenn wir zur Arbeit gehen, rufen uns die Kinder von weitem "Good morning, teacher!" zu und winken kräftig. Heute besuchten wir sie also endlich einmal. Es war sehr interessant zu beobachten wie die Kinder von Caros Waisenhaus plötzlich auf andere Kinder treffen. Wir schauten beim Unterricht zu, die Kinder hatten einen sehr großen Respekt vor der Lehrerin Rose. Sie hatte die Kinder sehr gut im Griff, sie waren plötzlich überhaupt nicht mehr aufsässig, sondern total eingeschüchtert. Es schien ihnen aber auch sehr viel Spaß zu machen, gerade als getanzt wurde. Die Lehrerin Rose trommelte einen Takt und aus dem Kreis wurden immer zwei Kinder (eins von Montessori und eins vom Waisenhaus) in die Mitte gestellt, die dann tanzen sollten. Viele Kinder waren total schüchtern, aber einige gingen auch sehr darin auf. Gerade Mwesige habe ich noch nie so erlebt, der war wie ausgewechselt und wollte gar nicht mehr aufhören zu tanzen. Er wirkte ziemlich glücklich in diesem Moment.
Nach dem Unterricht mussten alle Kinder einzeln vor die Lehrerin treten und fragen: "Please teacher, may I go out?". Erst wenn sie diesen Satz richtig gefragt hatten durften sie hinaus. Ich habe manche der Kinder vom Waisenhaus nicht mehr wieder erkannt, sie hatten einen riesigen Respekt.
Die Montessori-Schule soll jetzt öfters besucht werden, damit ein Austausch stattfindet. Sister Judy hat auch sofort ein paar Unterrichtsmethoden übernommen.
FUSSBALL
Das wird jetzt ein immer größeres Thema. Caro und ich freuen uns immer mehr auf die Weltmeisterschaft und ich würde zu gerne nach Südafrika, aber das wird wohl ein Traum bleiben. Wir hoffen, die Stimmung unter den Tansaniern wird toll. Es ist schon ein schöner Zufall, dass ausgerechnet jetzt die WM mal in Afrika stattfindet. Fast jeder Tansanier ist fußballbegeistert, auch wenn ihre Nationalmannschaft nicht gerade die beste ist.
Wir haben auch eine ganz kleine Bar direkt am Markt entdeckt, in der Fußball gucken einfach Laune macht. Man sitzt auf engstem Raum zusammen, trinkt sein Bier und diskutiert vor allem heftigst. Und wenn ein Tor fällt springen alle auf und es ist unfassbar laut. Die Tansanier schauen am liebsten die Premier League von England, die meisten stehen auf Chelsea (Michael Ballack!) oder Arsenal.
Bei Arsenal fällt mir Father Bosco ein: Caro und ich hatten einmal die Ehre bei ihm in seinem Privatgemach Fußball zu gucken. Sakafu war auch dabei, die beiden sind anscheinend die dicksten Freunde. Father Bosco ist ein riesiger Arsenal-Fan und hat doch tatsächlich ein kleines Arsenal-Kissen. Selten so gelacht, aber er steht dazu und hat es teilweise richtig umklammert. Um ihn ein wenig aufzuziehen, hab ich gemeint, dass Arsenal auf jeden Fall verliert. Da lag ich aber leider falsch, die Heinis haben 5:0 gewonnen. Man kann nicht immer recht haben...
Jeden Freitag guck ich auch den Tansaniern zu, wie sie Fußball spielen. Der Platz liegt auf dem Rückweg vom Goya Goya. So sitz ich abends da, ruh mich ein wenig von der Arbeit aus und freu mich auf die WM. Einmal kamen plötzlich jede Menge Jugendliche in orangenen Trikots auf mich zu. Sie umringten mich regelrecht, sie sahen aus wie die holländische Nationalmannschaft. Sie bombardierten mich mit Fragen zu Deutschland, fragten ob ich denn Ballack persönlich kennen würde. Kurz: Wir redeten über Fußball. Gespräche mit Tansaniern machen immer Spaß und es ist schön, dass ein Austausch stattfindet. Aber das hier war echt ein Highlight, wenn dreißig Leute um dich rumstehen und dich u.a fragen, auf welcher Position du denn Fußball spielst. Es war mal wieder einer dieser kleinen Momente wo ich dachte: Wow, wie grandios und absurd es zugleich ist, dass du hier bist!
DER DEUTSCHE TANSANIER
Nein, er ist schon ein Tansanier. Aber er war schon mal in Deutschland und seine Tochter studiert dort. Er kennt Städte und Dörfer, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Genau so wie Father Didas, der kennt auch Gegenden, wo ich mich dann frage: Bist du wirklich in Deutschland geboren? Gerade in Bayern kennen sich einige gut aus. Andrea (das ist kein Schreibfehler), so heißt dieser Tansanier, kann richtig gut Deutsch und kaum Englisch. So unterhalten wir uns also immer tatsächlich auf Deutsch und er versteht fast alles. Das ist schon irgendwie abstrus und ich muss immer einen Schalter im Kopf umlegen, dass ich jetzt gefälligst Deutsch reden muss. Wir haben ihn schon öfter getroffen und einmal hat er Caro und mich zu sich nach Hause eingeladen. Es war leider nicht der beste Besuch einer tansanischen Familie, seine Frau fand ich nicht so sympathisch und sie hat einen kaum zu Wort kommen lassen. Auch Andrea (männlich!) kam leider nur sehr wenig zu Wort, obwol ich gerne mehr von ihm erfahren hätte. Sie waren aber trotzdem sehr gastfreundlich und es gab Fleisch und Nüsse zum Essen. Wir haben viele Fotos geguckt und einige Landschaften aus Bayern gesehen. Die Welt ist klein, oder?
EINDRÜCKE DER ARBEITSSTELLEN
*Schule
Das ist, wie schon öfter geschrieben, nicht wirklich Arbeit. Aber es ist einmal die Woche trotzdem schön, die Menschen dort wieder zu sehen und zu plaudern. Ich gehe immer erst so um zwölf hin und bleibe dafür bis abends. So kann ich mir jetzt auch immer den Schulchor angucken, der nachmittags stattfindet. Sylivester, mit dem ich mich sehr gut verstehe, hat mich gebeten mal zuzuschauen. War sehr schön, die Schüler hockten auf der Wiese auf Stühlen und sangen was das Zeug hielt. Es ist ein ziemlich großer Chor, Jungs und Mädchen sitzen natürlich getrennt. Aber dieses Zusammenspiel von beiden Stimmen – es macht manchmal Gänsehaut! Am Schluss haben sie extra ein Lied noch einmal für mich gesungen, dass ich besonders schön fand: "Hallelujah". Hat mich irgendwie an Weihnachten erinnert. Nach dem Chor musste ich mich nochmal vor allen kurz vorstellen, da mich einige auch nach einem Jahr immer noch nicht mit Namen kennen. Es ist einfach unmöglich, mit allen 800 Schülern zu reden. Was mir aber gerade da mal wieder aufgefallen ist: Frei vor vielen Tansaniern zu sprechen fiel mir am Anfang noch sehr schwer, aber nun schüttel ich das einfach spontan aus dem Ärmel. Ja, hier verändert man sich in einigen Dingen wirklich...
Was ich jetzt auch öfters mache: Ich setze mich mit Schülern in der unterrichtsfreien Zeit draußen ins Gras und wir spielen Dame. Das Spiel hab ich extra vor der Ausreise noch gelernt, da man mir erzählt hatte, dass das von vielen Tansaniern gern gespielt wird. Die sind da teilweise richtige Experten drin. Oft bildet sich gleich eine große Schar von Schülern um uns zwei Spieler, die interessiert zugucken und lauthals dazwischenrufen, wenn man etwas falsch gemacht hat.
*Waisenhaus "Angels Home"
Hier läuft alles gut. Ich bekomme immer besseren Zugang zu den Kindern. Mein neuer Liebling ist Baracka. Der ist drei Jahre alt und kann noch überhaupt nicht sprechen, außer die "Tatütata"-Sprache. Aber gut, ich hab ja auch erst mit vier Jahren das Sprechen angefangen. Baracka ist so was von lieb. Manchmal will er einen gar nicht mehr loslassen. Ganz begeistert ist er von unserm Hausschlüssel, den ich oft an einem Band um den Hals trage. Dann sag ich "Fungua" (Öffne) und er macht den Schlüssel vom Band ab. Danach sag ich "Funga" (Schließe) und er macht den Schlüssel wieder ran. Damit kann er sich stundenlang beschäftigen. Aber auch die anderen sind von diesem Schlüssel sehr angetan. Oft gibt es Streit, wer denn jetzt den Schlüssel abmachen darf.
*Waisenhaus Goya Goya
Ich war jetzt erst viermal da, aber komme so langsam in die Arbeit rein. Würde gerne öfter hingehen, aber da sind sich die Schwestern leider nicht einig. Gerade die vielen Helferinnen wussten am Anfang überhaupt nichts mit mir anzufangen. Ich denke, das liegt daran, dass ich ein männliches Wesen bin. Mittlerweile gewöhnen sie sich aber langsam an mich und es lockert alles allmählich auf. Sie fangen auch mal von sich aus ein Gespräch an. Eine meinte dann mal zu mir, sie wolle die "Mke" sein und hat dann auf mich gezeigt. Ich schlug das Wort nach und sah, dass es "Ehefrau" hieß. Ich dachte, ich spinne! Hab dann nur den Kopf geschüttelt und entschieden "Hapana" (Nein!) gesagt. Zu mehr war ich dann nicht mehr fähig...
Auch wenn ich erst ein paar Mal da war, bilden sich doch schon gewisse Traditionen heraus. So setze ich mich früh abends, wenn ich wieder gehe, draußen auf ein Mäuerchen und schaue einer Gruppe von Kindern zu, wie sie tanzen. Die Stimmung war gerade das erste Mal nahezu perfekt. Tanzende Kinder unter einem Baum und dazu die Sonne, die langsam untergeht. Die Kinder haben trotz ihres teilweise sehr jungen Alters einen Hüftschwung drauf – unfassbar. Es stimmt schon was man sagt: Die Afrikaner haben ein ziemlich gutes Rhythmusgefühl. Und die Lieder, die sie singen, sind echt klasse. Mein Lieblingslied ist der Rulenge-Song, hätte nicht gedacht, dass dieses kleine Dorf einen eigenen Song hat. Schade, dass man beim Schreiben keine Melodie vermitteln kann, aber es ist ein Ohrwurm. Ich bin dann aber bereit, es vorzusummen, wenn ich daheim bin...
Die Kinder waren das erste Mal ganz aufgeregt, als ich mich da hingesetzt und zugeschaut habe. Sie schlugen teilweise die Hände vor ihr Gesicht, wenn sie einen Fehler gemacht hatten. Relativ am Schluss sind sie dann tanzend auf mich zugekommen und haben mir jeder eine Blume in die Hand gedrückt, um dann wieder ganz schüchtern wegzulaufen...
Auf der ersten Hälfte des Rückwegs werde ich dann noch von jede Menge Kindern begleitet, die alle hinter mir laufen. Ich drehe mich dann andauernd um und erschrecke die Kinder, die dann schreiend oder kichernd (manchmal beides gleichzeitig) davonlaufen. Das scheint denen richtig Spaß zu machen und auch das werd ich wohl jetzt jedes Mal machen.
Achja, bei Traditionen darf ich die Schneiderin vom Goya Goya nicht vergessen, mit der ich mich immer kurz unterhalte, wenn ich ankomme. Eine sehr herzliche Frau, mit der ich auch schon Adressen ausgetauscht habe. Mal schaun, ob sie wirklich schreibt... ich hoffe ja, dass ein paar Kontakte auch nach der Rückkehr bleiben. Wäre doch schade, wenn da überhaupt nichts bleibt. Aber mir ist schon seit längerer Zeit klar: Dieses kleine Dorf Rulenge werde ich nie vergessen und irgendwann werde ich es sicher auch noch einmal besuchen. Finde es absolut interessant zu sehen, wie es hier nach zehn Jahren ausschaut. Und vor allem die Menschen dann wiederzusehen...
FAHRTEN NACH NGARA
Seit Nathalie uns nicht mehr nach nach Ngara fahren kann, ist es wirklich schwierig dort hin zu kommen. Zweimal haben wir es seitdem geschafft. Bei der ersten von den beiden Fahrten musste man mal wieder viel Geduld haben. Da haben wir denke ich gut dazu gelernt, aber irgendwann ist es einfach genug. Father Didas hat es wieder einmal ziemlich übertrieben. Der Beginn der Fahrt führte erst einmal in genau die falsche Richtung. Wir fuhren zu meiner Schule, er wollte dort irgendwas besprechen. Danach haben wir dann mehrmals Leute in Rulenge und Umgebung aufgegabelt, bis das Auto dann halt voll war. Aber das waren nette Menschen, mit dem einem (Franco) haben wir uns gut unterhalten, er hat uns einiges von Tansania erzählt. Gerade von den Gegenden wo wir noch hinwollen. Naja, und dann der Fahrstil. Father Didas fuhr – mal nett ausgedrückt – etwas übertrieben. Da bekam ich dann doch mal wieder etwas Angst beim Autofahren. Und die Schlaglöcher auf der Strecke sind ein Knaller, wortwörtlich gesehn!
Naja, irgendwann ist jede Fahrt auch zu Ende und wir machten das, was wir meistens in Ngara machen: Einkaufen im "Mzungu"-Shop (bei einer Inderin), darunter auch Kaffee aus Burundi. Sie hatte eigentlich keinen da, aber hat mir ihren verkauft, den sie sich selbst besorgt hat. Das ist doch mal nett. Achja, und Musik hab ich mir mal gekauft. Ich wollte mir schon länger mal diese afrikanischen "Hits", die man dauernd in den Bars hört, besorgen. Einiges muss man da einfach haben. Vor allem "Pole sana", meinen absoluten Lieblingssong hier, der Song geht einem so schnell nicht aus dem Kopf. Jetzt gerade hab ich ihn auch wieder im Ohr. Überwiegend kann man leider nur Kassetten kaufen, aber das hat doch irgendwie Stil.
Naja, und was wir halt auch immer machen in Ngara: Wir gehen zum "Kiti Moto" (Heißer Stuhl). Das ist ein Restaurant auf einem kleinen Hügel, von dem man eine wunderbare Aussicht hat. Auf Postkarten-Niveau. Das kann man oft leider nicht auf Bild festhalten. Dort haben wir das übliche gegessen: 2 Kg Fleisch, gegrillte Bananen und Tomatensalat. Das ist immer wieder was Besonderes, richtig lecker und man ist danach pappsatt!
Der Rückweg von Ngara war auch wieder interessant. Wir haben erst einmal "Pole sana" im Auto laut aufgedreht. Plötzlich hielt Father Didas abrupt an und schlug sich an die Stirn: "Aaah, we forgot someone". Dann erst einmal flugs telefoniert und gefragt ob man denn noch gebraucht wird. Wurden wir anscheinend nicht und wir fuhren weiter. Dann hielt Father Didas plötzlich wieder an und eine Mutter mit ihrem Kind stieg ein. Die beiden unterhielten sich mit Father Didas, worüber genau, habe ich leider nicht verstanden. Irgendein Problem mit der Schule. So habe ich ihn jedenfalls noch nie erlebt, er war richtig ärgerlich. So saßen wir im Auto, der Regen prasselte auf die Scheiben, und wir hörten schweigend zu, wie die drei sich stritten. Dann stiegen sie wieder aus und die Fahrt konnte weitergehn. Natürlich nicht lange, wir bogen wieder von der Hauptstraße ab und besuchten irgendwelche Schwestern. Das war vielleicht ein Hallo! Sie begrüßten uns wie gute alte Freunde und umarmten uns kräftig. Das Interessante wieder einmal war: Viele wussten wer ich bin und hatten auch von dem Unfall gehört. Immer wieder faszinierend, wenn Menschen einen kennen, aber man sie nicht. Naja... "Pole sana" und so! Die Übersetzung steht oben.
MEIN SCHNEIDER
Es gibt da einen Schneider in Ngara, den mir jemand von Radio Kwizera empfohlen hat. Hab ich jetzt entdeckt, mir Hosen schneidern zu lassen. Der Stoff und die Verarbeitung kosten meistens nur 10.000 Schilling, das sind umgerechnet ca. 5 Euro. Das ist fast nichts und ich denke mir doch, dass muss man ausnutzen. In Deutschland kostet was Maßgeschneidertes viel mehr. Der Schneider kennt mich mittlerweile und begrüßt mich jedes Mal mit einem freudigen "Severin!". Ich bin jedes Mal zufrieden mit seiner Arbeit. Hab zwar keine Ahnung davon, aber die Hose sitzt gut und darauf kommts doch an... ;-)
Das letzte Mal hab ich es aber übertrieben mit der Stoff-Auswahl. Eine goldene Hose, das geht ja wohl gar nicht! Aber als Ausgleich hab ich jetzt eine dunkelgrüne, die finde ich wirklich schön...
Eigentlich will ich mir auch noch Hemden machen lassen, aber irgendwie bin ich da noch nicht zu gekommen.
KIRCHE
Caro hält mich glaube ich für verrückt, da ich ja so gut wie gar nicht gläubig bin. Aber ich habe mir jetzt vorgenommen jeden Sonntag hinzugehen. Irgendwie finde ich es richtig sich dort zu zeigen. Als Zeichen, dass man an der Gemeinschaft teilnehmen will. Außerdem finde ich den Chor richtig klasse, immer wieder schön. Nach der Kirche trifft man dann noch oft Leute und man plaudert ein wenig und verabredet sich. Da wir sonntags oft sowieso nicht viel zu tun haben, bietet sich der regelmäßige Kirchengang doch wirklich an.
Heute ist Palmsonntag und wir waren natürlich auch in der Kirche. Dieses Mal war sie noch voller und alle hatten ihren Palmenzweig dabei. Wir auch, Renatus hat uns netterweise welche besorgt. Ich hab ja keine Ahnung von Kirche und hab mich erst einmal von Caro aufklären lassen. Hab den Palmsonntag vorher nie genauer beachtet. Ich bekam sogleich einen Rundumschlag in Sachen Kirche und erfuhr unter anderem, was denn nun verdammtnochmal der Unterschied zwischen Kommunion und Konfirmation ist. Der Gottesdienst war dieses Mal noch länger als sonst und ich befand mich ganz ehrlich ein wenig im Halbschlaf, als Father Dennis plötzlich in seiner Predigt "Sören na Caroline" (na=und) erwähnte. Wir schreckten beide auf und alle starrten uns an. Man sollte bei der Predigt aufmerksamer sein...
ABENDESSEN IN DER PARISH
Manchmal werden Caro und ich dazu eingeladen. Manchmal sind wir allerdings auch dazu gezwungen, da unser Gas alle ist und wir nichts kochen können. Gas bekommt man nur in Ngara. Dann sitzen wir also mit jede Menge Priestern zusammen und essen schön afrikanisch. Reis mit Bohnen mag ich ja am liebsten. Ganz einfach, aber extrem lecker. Die Bohnen hier schmecken richtig gut. Kochbananen gibt es auch immer, aber die kann ich schon lange nicht mehr sehen. Dazu sehr leckeres Fleisch (meistens vom Schwein). Einmal gab es sogar Champignons, die waren richtig gut. Aber meistens isst man hier dasselbe. Caro und ich sind beide leidenschaftliche Esser, auch wenn man uns das nicht ansieht. Ich würde Essen sogar als Hobby bezeichnen... wenn wir etwas in Deutschland vermissen, dann ist es das!
Die Tischgespräche sind immer wieder sehr interessant. Manchmal wollen die Herren Priester auch unter sich sein und reden kaum mit uns – es gibt aber auch Abende, da fangen sie sehr seltsame Themen an. So ging es einmal z.B. über Piercings. Gerade Father Bosco schien sehr von dem Thema angetan. Er meinte, es gäbe doch auch versteckte Stellen, wo es möglich ist, dass dort ein Piercing ist. Caro hat es in ihrem Blog geschrieben und ich muss ihr da einfach zustimmen: Manchmal mag man nicht glauben, dass diese Herren Priester sind...
Father Didas geht beim Abendessen oft richtig auf. Er redet ja so gerne Deutsch oder probiert es zumindest. Immer wieder ein Lacher wert. So bezeichnet er seinen Kopf mal als "kaputtisch" oder sagt zur Verabschiedung "Gute Nackt" statt "Gute Nacht". Dabei kommt dann sein markantes Lachen und er zeigt mit seinem Finger auf einen. Das kann man einfach nicht beschreiben, Father Didas muss man erlebt haben. Irgendwie mag ich diesen Kerl sehr gerne, den vergisst man nicht so schnell. Zur Begrüßung sagt er oft "Wie gates" statt "Wie gehts" und lacht sich jedes Mal kringelig. Auf einer Fahrt nach Ngara hat er mich mindestens zehn mal als Banane bezeichnet: "You're a banana, man!" Aber das meint er nicht böse, es ist einfach seine Art. Daran muss man sich gewöhnen.
Was wirklich schade ist: Father Didas wird nach Ostern nach Biharamulo ziehen. Der Bischof (Severin, mein Namensvetter) hat ihn dorthin versetzt. Ob es dann noch möglich ist, dass er die Freiwilligen betreut, mag ich mal bezweifeln. Aber vielleicht wird das bei den nächsten Freiwilligen auch Father Dennis machen, der uns jetzt schon viel geholfen hat. Mal schaun.
PROPHYLAXE
Nehm ich keine mehr. Die Tabletten, die mir Roman hinterlassen hat sind aufgebraucht. Wir haben die Prophylaxe jetzt alle abgesetzt. Fands auch irgendwie ein wenig unheimlich so viele Tabletten zu schlucken, wo ich vorher nie was genommen habe. Wir gehen das Risiko jetzt ein. Schlimmer als ein Autounfall kann auch Malaria nicht sein. Wenn man sie rechtzeitig erkennt ist die Malaria sowieso meistens harmlos. Ich bin da nicht leichtsinnig. Auf dem Zwischenseminar wurde das Thema viel diskutiert und viele nehmen keine Prophylaxe und hatten nie Malaria. Bei dem Thema wurde viel zu viel Panik im Vorfeld gemacht – wie bei so vielen Dingen.
So weit also von mir. Bald ist April. Bereitet euch schon mal auf fiese Aprilscherze vor, es gibt da immer wieder sehr lustige Gesellen. Wir haben uns noch die ein oder andere Reise vorgenommen, mal sehen was davon klappt. Irgendwie läuft einem im Moment echt die Zeit davon, wir wollten doch noch so viel machen. Der 17. August ist plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt.
Kommentare sind wie immer erwünscht.
Ich.
Wünsche.
Eine.
Geruhsame.
Nacht.
Severin.
Song des Tages: Pole sana!
Motto des Tages: Matze Peng!
(geschrieben: 26. März – 28. März 2010, ins Blog gestellt am 28. März 2010)
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