Samstag, 12. Dezember 2009






















Pole ya Scheiße!

(Alternativüberschrift: 100 Tage Tansania... nun gut, mittlerweile deutlich mehr, aber als ich begonnen habe diesen Blog zu schreiben, waren es exakt so viele Tage...)

Bonjour! Ich hab mir gedacht, diesmal fängst du einfach mal auf deinem schönsten Französisch an. Jetzt hab ich meine Kenntnisse in dieser Sprache allerdings schon fast ausgeschöpft, also belassen wir es mal dabei.
Also: Der Sören meldet sich zurück. Oder auch der Ruben. So hat mich doch tatsächlich mal eine aus Österreich genannt, ich dachte ich spinne. Man hört doch immer wieder neue Abwandlungen seines Namens.
Dieser Blog ist in zwei Hälften unterteilt. Die erste Hälfte finde ich persönlich total uninteressant, bei der zweiten kommen dann wieder die echten Geschichten zum Zuge.
Da dies der längste Blog aller Zeiten wird, habe ich ihn in einzelne Themen unterteilt, zur besseren Übersicht. Also keine absurden Überleitungen mehr! In Zukunft versuche ich jeden Sonntag (oder zumindest jeden zweiten) einen Blog zu schreiben, der dann kürzer ist. Der letzte ist ja eine kleine Ewigkeit her und ich will schon eine gewisse Regelmäßigkeit. Du sollst mich schließlich nicht vollständig vergessen, werter Blogleser.

Zunächst möchte ich mal einige Fragen beantworten, die mir von verschiedenen Menschen (teilweise mehrfach) über die Zeit gestellt wurden. Mehrfach wurde ich kritisiert, dass ich nichts über das Wetter schreibe. Aber was soll ich sagen: Es gibt kaum ein Thema was ich uninteressanter finde. Also haken wir das jetzt mal ganz schnell ab, ich hoffe dann sind alle zufrieden!

WETTER

Ich habe mich über mich selbst gewundert, aber ich bin von Anfang an ziemlich gut klar gekommen mit der Hitze. Klar ist es heiß, aber auch ich hatte von Afrika diese klischeehafte Vorstellung, dass man hier auf seinem großen Zeh ein Spiegelei zubereiten könnte. Aber so ist es definitiv nicht oder ich spür jedenfalls nichts mehr davon. Die ersten Tage in Mwanza hatte ich ein bisschen Sonnenbrand vielleicht, aber das wars dann auch. Meine mitgebrachte Sonnencreme habe ich vielleicht ein- oder zweimal benutzt... Und meinen extra gekauften (nebenbei bemerkt schrecklichen) Sonnenhut hatte ich kein einziges Mal auf. Ist auch besser so.
Die Warnungen von wegen der langen Regenzeit habe ich überhaupt nicht ernst genommen. In Afrika solls regnen!? Dass ich nicht lache! Tja, aber da wurde ich in den letzten Tagen belehrt: Es regnet so gut wie jeden Tag, was schreib ich: Es schüttet, als würden dort oben 4200 Elefanten Elefantentränen vergießen! Das bringt Probleme mit sich: So muss ich z.B. lange warten bis ich wieder von der Schule zurückfahren kann, da es teilweise wirklich überschwemmt ist. Aber manchmal ist der Regen auch einfach nur schön. Gestern hat mich (ausnahmsweise) der Bruder von Mr. Massa zurückbracht, der übrigens aussieht wie 13, aber behauptet 18 zu sein, was wohl auch stimmt. Beim Alter hab ich mich hier schon oft vertan, außerdem bin ich allgemein schlecht im Schätzen. Jedenfalls vergießen während der Fahrt plötzlich wieder die 4200 Elefanten (vielleicht sinds auch nur 4199) ihre Elefantentränen und ich werde trotz meiner grandiosen Regenjacke patschnass und muss meine Augen zukneifen. Kurz: Wahrscheinlich sah ich herrlich bescheuert aus, aber das war mir egal. Das Glücksgefühl kam wieder, ein Gefühl, was ich jetzt auch mal nicht in Worten ausdrücken kann...
Einmal saßen Caro und ich beim Abendessen und plötzlich fängt eins der größten Gewitter an, das meine Äuglein je gesehen haben. Ich aß schnell auf und meinte nur: „Sorry, aber ich muss jetzt raus.“ Caro setzte sich mit raus und zunächst quatschten wir (auch über dieses elende Thema: was tun nach Afrika) aber irgendwann wollte ich einfach nicht mehr und sagte nur knapp: „Ich möchte jetzt doch mal einfach nur schweigen...“ Sie begriff glaub ich, dass ich allein sein wollte, und ging wieder rein. Aber ich blieb trotz extremer Kälte draußen sitzen und starrte ins Leere. Nachdenken kann manchmal verdammt gut tun. Und im Nachdenken bin ich verdammt gut. Manchmal möcht ich das auch ausschalten können, aber das geht ja nicht. Nunja.
Wo wir gerade bei Kälte sind: Ja, in letzter Zeit ist es manchmal verdammt kalt. Gerade am frühen Morgen. Da wach ich auf und denk ich hab Schüttelfrost und denk gleich an Malaria. Dann hol ich panisch mein Fieberthermometer raus, nur um festzustellen, dass es leider doch keine Malaria ist. Oder zum Glück? Huch, ich glaub ich hab da gerade zwei Ausdrücke verwechselt...
Oh, ich bemerke, jetzt hab ich beim Thema Wetter doch ziemlich weit ausgeholt. Ich hoffe dir sind die Augen noch nicht zugeklappt, werter Blogleser. Aber ich werde auch nie wieder über das Wetter hier schreiben.

Kommen wir zur nächsten Frage: Wie sieht es in Sachen Hygiene aus? Ich weiß die Antwort. Wenn du sie wissen willst, werter Blogleser, dann lies einfach weiter. Ansonsten diesen Absatz bitte überspringen.

HYGIENE

Wasser haben wir hier ausreichend, wir haben hier einen Wassertank, den wir alle paar Tage wieder vollpumpen müssen. Das ist ein Vorgang von ca. 45 Minuten, allerdings vergessen wir häufig den Schalter wieder umzulegen und der Tank läuft über. Meistens hört das Plätschern Nathalie zuerst. Dann springt sie panisch auf und hechtet zum Schalter, damit der Hof sich nicht vollständig in das Kaspische Meer verwandelt. Hö, wie komm ich denn jetzt ausgerechnet auf das Kaspische Meer? Egal. Beim Duschen ist das Wasser meistens extrem kalt, sodass man das so kurz wie möglich macht. Manchmal ist das Wasser auch warm, aber fragt mich nicht warum.
Viel bekloppter ist das Thema Strom. Wir haben hier die meiste Zeit Solarstrom, was aber irgendwie nicht zuverlässig funktioniert. Oft ist tagsüber einfach keiner mehr da, obwohl die Sonne einen ihrer besten Tage hat. Wirklich sicher haben wir den Strom nur zwischen sieben und elf Uhr abends. Da zapfen wir ihn uns nämlich vom Generator des Krankenhauses nebenan. Manchmal schmeißen sie den Generator auch tagsüber an, aber nur bei Operationen. Da freuen wir uns zwar über den Strom, müssen aber gleichzeitig an die arme Seele denken, die gerade operiert wird.
Die Wäsche wäscht in der Woche Advera für uns und das ist nicht gerade wenig. Ich erinner mich gerade, dass ich Advera in einem meiner ersten Blogs eher nicht so positiv rübergebracht habe, aber da muss ich mich korrigieren. Sie ist viel netter und aufgeschlossener zu uns geworden und arbeitet jetzt auch extrem viel. Außerdem spricht sie meinen Namen richtig aus. Das nur nebenbei.
Am Wochenende waschen wir unsere Wäsche selber. Da merkt man dann was für eine Heidenarbeit das ist. Allein um die verdreckten Socken vernünftig sauber zu kriegen!
Viehzeug gibt’s hier jede Menge. Ich glaube die Ameisen und Kakerlaken hab ich schon mal erwähnt. Vor allem die Kakerlaken sind meine persönlichen Lieblinge. Ich konnte früher nicht mal eine Fliege töten, aber bei einer Kakerlake brennen selbst bei mir alle Sicherungen durch. Da gibts immer mal wieder herrlich absurde Situationen. So hab ich z.B. letztens mit Caro gekocht. Ich mach den Küchenschrank auf und seh zwei Kakerlaken umherflitzen. Ich schnapp mir irgendeinen langen Löffel und haue wie ein Besessener den Schrank kaputt um eventuell per Zufall eine Kakerlake zu erwischen. Dabei hüpfe ich wie ein Verrückter umher und mache unkontrollierte Bewegungen, während Caro schreit. Naja, ich glaub ich hab während dieses Vorgangs auch geschrien, aber ich war mehr auf meine unkontrollierten Bewegungen fixiert. Das war jedenfalls ein Vorgang von vielleicht zwanzig Minuten. Sehr amüsant ist auch der Marcus manchmal. Ich lieg z.B. schon im Bett, während er noch im Bad ist. Plötzlich hör ich ein lautes Klatschen und einen undefinierbaren Laut von Marcus. Das war dann das Klatschen seines Latschens auf eine Kakerlake...
Internet haben wir, man hat da ein Telefon, über das man sich einwählt (TTCL). Man kauft sich immer 5000 TSH und lädt dann das Guthaben auf. Das bescheuerte ist, dass nicht die Zeit die Kosten verursacht, sondern die Art der Seite, die man aufklappt. So Seiten wie Spiegel Online kann man z.B. vergessen, die frisst das Guthaben sofort wieder auf.

Okay, jetzt aber genug von diesem ganzen Blabla. Wieso interessiert euch das bloß? Jetzt kommen die Geschichten, hurra!

FRANK & JUSTIN

Mich juckts nämlich schon die ganze Zeit in den Fingern von meinen beiden Spezies Frank und Justin zu berichten. Die beiden sind Schüler der Form 6 und sind beide ein Knaller. Den Frank würde ich mittlerweile schon als echten Freund bezeichnen. Beide sind älter als ich. Es ist schon zur Tradition geworden, dass ich mehrmals die Woche die beiden in ihrem Dormitory (Unterkunft bei der Schule) besuche. 6-8 Schüler sind meistens in solch einem Dormitory untergebracht. Und was haben wir jedes Mal für einen Spaß! Das schöne ist, dass wir uns sowohl ernsthaft als auch total bekloppt unterhalten können. Wobei ich aber gestehen muss, dass die schwachsinnigen Gespräche eindeutig überwiegen. Ein absolutes Highlight war als Justin behauptete, dass er eine Herzoperation in Indien hatte. Wobei... er besteht da immer noch drauf. Die beiden sind schon ziemlich makaber. Es ist ein Running Gag geworden: Jedes Mal frage ich Justin wie genau er denn nach Indien gekommen ist und jedes Mal erzählt er was anderes. Der Gipfel war als er plötzlich anfängt Indisch zu reden. Angeblich hat er das dort gelernt. Es klingt aber mehr nach Russisch als nach Indisch!
Ich hatte vorher noch gelesen, dass die Tansanier keine Ironie verstehn, aber das ist definitiv eine Fehlinformation! Die beiden sind die Inkarnation (sagt man das so?) der Ironie. Aber wie schon geschrieben: Man kann sich auch vernünftig mit ihnen unterhalten, so haben wir uns z.B. schon öfter über die tansanische Politik oder über europäische Geschichte unterhalten. So fühl ich mich dann da auch sinnvoll, viele Schüler sind da echt interessiert was zu erfahren. Es sind immer schöne Stunden, die ich dort verbringe. Wir spielen Dame (hab ihnen auch schon versucht Schach beizubringen, aber das kann irgendwie keiner), gucken Fotos und quatschen. Letztens hab ich mal das Lunch beim Headmaster ausfallen lassen und hab einfach zusammen mit 800 Schülern in einer riesigen Halle gegessen. Das Essen war zwar längst nicht so gut, aber die Atmosphäre war dafür toll. Meistens gibt es Ugali und Bohnen. Ich komm also in die Halle und viele kommen gleich auf mich zugestürzt und rufen „Sören!“, „Severin“ oder einfach nur „Mzungu“ (Europäer/Weißer). Jeder wollte, dass ich mit bei ihnen am Tisch sitze. Schon absurd!

CARO IN MEINER SCHULE

Vor einer Weile hat mich Caro mal mit in die Schule begleitet. Ein absolutes Highlight kam gleich am Anfang: Die Motorradfahrt! Ich hatte Mr. Massa vorher gefragt, ob das denn zu dritt geht und er hat nur sein übliches „Don't worry“ rausgehaun. Ich wollts nicht glauben, aber er hatte natürlich Recht. Wir fuhren also zu dritt, der Wind ruinierte unsere Dauerwellen und wir genossen diese zehn Minuten einfach nur. Auch Mr. Massa war nur am Grinsen. Bei der Schule angekommen musste Caro erst einmal jede Menge Lehrern die Hände schütteln. Dann zeigte ich ihr das Gelände und mein Office und wir liefen teilweise auch abseits des Geländes mitten durch die Pampa. Das Wetter war herrlich! Dann gingen wir zu Frank und Justin. Die beiden musste sie einfach kennen lernen. Und es war wie immer herrlich. Caro zeigte diesmal ihre Fotos und ich hielt mich ausnahmsweise mal mit meinen schlechten Witzen zurück. Ich hatte den Eindruck sie wollten uns gar nicht mehr weglassen. Aber dann war wie jeden Tag die Tea Time um elf und die darf man sich auch nicht entgehen lassen, weil es da immer was zu gucken gibt. Die Lehrer unterhalten sich nicht einfach nur zusammen, sondern reißen Witze, stehn auf und tanzen und der eine macht sogar den Eindruck als würde er rappen. Nach der Tea Time gings dann mit Mr. San Francisco zum Biologie-Unterricht in die Form 3. Thema war Sexualkunde. Wir sitzen also inmitten von 50 Schülern und schaun ihm zu, wie er Geschlechtsteile an die Tafel malt und dabei einmal sogar „Halleluja“ ruft.
Danach haben wir noch beim Dagobert gegessen und dann gings auch wieder zurück. Aber nicht nach Rulenge, da Mr. Massa sich noch was vorgenommen hatte. Wir machten wieder mal bei diesem kleinen Hügel halt und stiegen rauf. Die Aussicht war wieder einmal herrlich. Danach kraxelten wir noch weiter herum und ich wollte gar nicht mehr weg. Aber irgendwann ist auch der schönste Tag vorbei. Auf dem Rückweg bezeichnete ich noch mal eben ein Schaf als „Dog“, worüber sich Caro vor Lachen gar nicht mehr einkriegte...

Aber apropos Tiere (ich liebe meine Überleitungen):

HAUSTIERE

So langsam haben wir hier einen ganzen Zoo: Wir haben zwei Hunde, drei Hühner, einen Hahn, die beschriebenen Kakerlaken und jetzt auch noch eine Babykatze. Nathalie wollte schon immer eine haben, was aber in Tansania gar nicht so einfach ist. Ich hab jetzt eine von Dagobert bekommen, Nathalie hat sie Malaika (Engel) getauft. Das Einfangen war das Schwierigste: Ich und der Hausmann von Dagobert haben mindestens zwanzig Minuten dafür gebraucht. Wir hechteten hinterher, krabbelten auf dem Boden herum und wurden dabei von der Mutter gejagt. Auf dem Rückweg mit Mr. Massa wäre sie dann noch beinahe aus meiner Tasche gesprungen. Aber jetzt ist sie hier. Am ersten Tag hat sie ununterbrochen miaut und sich nicht aus ihrer Ecke bewegt, aber mittlerweile hat sie sich eingelebt. Ich nimm sie nachts manchmal mit ins Zimmer und sie schläft mit in meinem Bett. Katzen sind echt gemütlich, manchmal dann aber auch wieder extrem aggressiv. Ich hatte ja eigentlich beschlossen mir dann in Deutschland irgendwann einen Hund zuzulegen, aber jetzt tendier ich doch zur Katze. Malaika hat mir nämlich einen magischen Moment gegeben. Am ersten Tag wollte sie nichts fressen, wir haben es echt oft probiert. Kurz vorm Schlafengehn dacht ich mir, probierst es noch ein letztes Mal. Ich nahm mir also ein paar Reiskörner auf den Zeigefinger und hielt ihr diesen hin. Nach einigem Zögern begann sie sie abzuschlecken. Es klingt banal, aber es war wirklich ein magischer Moment. Ich ging kurz weg um auch noch Milch zu holen und sie begann plötzlich laut zu miauen, als würde sie nach ihrer Mama rufen. Nunja, ich bin aber wirklich nicht die Mama.

CHRISTUS KOCHBANANE

Bei Mr. Massa fallen mir noch mehrere kleine Geschichten ein. Bei jeder Fahrt kommen wir an dem schon erwähnten kleinen Berg vorbei und auf diesem steht ein Kreuz. Auf dem Kreuz steht „Christo Ndiye Mwokozi“. Mr. Massa hat es sich zur Aufgabe gemacht mir diese Worte beizubringen und ich hab lange gebraucht bis ich das endlich drauf hatte. Er fragt dann immer im selben für ihn untypischen piepsigen Tonfall „Christo?“ und ich muss den Rest sagen. Es sind diese ganz kleinen Sachen die ich nie vergessen werde, so auch dieser ganz bestimmte Tonfall... Fälschlicherweise habe ich nach „Christo“ einmal „Ndizi“ gesagt, was übersetzt dann so in etwa „Christus Kochbanane“ heißt. Das ist mir bis heute peinlich!
Eine andere Tradition ist das Wort „Hoppsala“. Wir fuhren einmal etwas zu schnell über einen Huckel und mir entfuhr dieses Wort, was ich in meinem ganzen Leben noch nie gesagt hatte. Mr. Massa war aber sofort begeistert und nahm es in seinen Wortschatz auf. Er fährt jetzt so gut wie jedes Mal absichtlich zu schnell über besagten Huckel und sagt laut „Hoppsala!“. Es sind auch diese winzigen Dinge im Leben, die das Leben lebenswert machen. Huch, das war jetzt dreimal „Leben“ in einem Satz...
Ansonsten macht Massa immer noch weiter mit seinen Ausflügen. Letztens sind wir noch zu einem kleinen Bach gefahren, einmal waren wir an einem kleinen See und er scheint es jedes Mal zu genießen und sagt immer nur „Enjoy!“. Und ich „enjoye“ auch.
Nachdem er mir einmal geholfen hat Eier zu finden, hab ich ihn zu uns nach Hause eingeladen. Wir haben gequatscht (soweit es ging) und Fotos geguckt. Am nächsten Tag hat er mir wieder gesagt wie sehr er das doch enjoyt hat. Mich hat er aber auch mal in die Bar eingeladen. Er trinkt allerdings wohl grundsätzlich kein Bier. Die Besitzerin hat sich beim Gehen mehrmals fürs Kommen bedankt, es ist doch immer wieder komisch...
Ich bin mehrmals selber Motorrad gefahren. Mr. Massa hat es mir gezeigt und es ist im Prinzip ganz einfach. Man fühlt sich so frei, wenn man Motorrad fährt, das Gefühl ist unbeschreiblich. Wenn ich wieder in Deutschland bin, mache ich auch den Motorrad-Führerschein. Vielleicht. Mal schauen. Irgendwann. Und so.

PROSTITUTION

Dann möchte ich gerne über einen Lehrer berichten, mit dem ich das bisher seltsamste Gespräch geführt habe. Deshalb erwähn ich seinen Namen nicht. Aber er kam schon öfter in meinen Blogs vor... Mit besagtem Lehrer saß ich auch in einer Bar und wir haben uns normal unterhalten. Plötzlich kam das Gespräch (warum auch immer) auf das Thema Prostitution. Er sagte ganz offen, dass er da nicht abgeneigt ist und erwähnte sogar Details. Ich saß nur da und dachte mir, dass ich das so genau doch gar nicht wissen will... und dann hat er auch noch eine Frau und vier Kinder.

KAKA SÖREN

Beim Waisenhaus war ich wieder einige Male mit dabei, immer nachmittags. Gestern hatte ich meinen ganz persönlichen Triumph! Ich hatte es nie aufgegeben den Kindern meinen Namen beizubringen, ich mag „Severin“ einfach nicht. Kurz vorm Gehen bezeichnete mich plötzlich mein ganz persönlicher Liebling Mwesige als „Kaka Sören“ (Bruder Sören) und einige andere stiegen gleich voll mit ein.

KIRCHENGÄNGE

Ab und zu gehen wir sonntags in die Kirche. Wir finden es richtig, dass wir uns da zumindest manchmal zeigen. Kirche ist einfach sehr wichtig hier in Tansania, in Rulenge ist die Mehrheit katholisch. Die Menschen haben überwiegend ihre schönsten Klamotten an. Die Messe ist durchgehend in Kisuaheli und wir verstehen so gut wie nichts. Aber der Kirchenchor ist einfach klasse, da bekomme ich jedes Mal wieder Gänsehautstimmung. Der Chor wippt mit, achwas, er geht teilweise richtig ab und alle singen lautstark mit. Total schön! Zweimal darf gespendet werden. Solch eine Messe ist ziemlich lang, sie kann durchaus zwei bis drei Stunden gehen, was ziemlich anstrengend sein kann wenn man nichts versteht. Aber danach trifft man oft noch Leute und man kommt ins Gespräch.

BEERDIGUNG

Letztens waren Caro und ich auf der Beerdigung einer Schwester. Das war teilweise wirklich Gänsehautstimmung, der Gesang war ziemlich ergreifend. Am Schluss durfte sich jeder noch persönlich bei der Schwester verabschieden, was für uns etwas komisch war, da wir sie gar nicht kannten. Aber als ich ihr Gesicht sah, war ich trotzdem seltsam ergriffen und den ganzen Tag ging mir dieses Gesicht nicht aus dem Kopf. Father Dagobert, der Headmaster von meiner Schule war auch dabei, Father Didas, Father Sixmund... eigentlich war ganz Rulenge und Umgebung dabei. Nach der Beerdigung waren wir noch zum Essen eingeladen, dort waren nur wichtige Persönlichkeiten zugelassen und es war komisch, dass wir einfach so dabei sein durften.

99 JAHRE

Caro und ich wollten nur mal eben kurz in die Stadt, haben aber wieder jede Menge Leute getroffen. Darunter einen 99 Jahre alten Tansanier, der bei der Marine war im 2. Weltkrieg und teilweise etwas seltsame Anschauungen hatte. Es war aber super interessant sich mit ihm zu unterhalten. Er hat mich während des Gesprächs mehrmals umarmt und wollte uns gar nicht gehen lassen. Danach haben wir wie immer Said besucht, unseren Liebling vom Markt. Er hat uns zum Maiskolben-Essen eingeladen. Dieses Mal war er in seiner muslimischen Tracht, was wirklich eindrucksvoll war.

WAISENHAUS-GESCHICHTEN

Caro und ich malen ziemlich häufig mit den Kindern, da dass eine gute Möglichkeit ist die Kinder unter Kontrolle zu haben. Ich bin nicht gerade der geborene Maler, aber ich gebe mein Bestes! Häuser, Autos und Bäume, das kriege selbst ich noch hin. Aber als ein Kind mich nach einer „Twiga“ (Giraffe) fragte, habe ich mich richtig blamiert. Das ist verdammt nochmal schwierig! Mit den Proportionen hatte ich es noch nie und der Hals einer Giraffe... nunja... ich hab einen Lachanfall über meine eigene Zeichnung bekommen und sie schnell verschwinden lassen. Nie wieder male ich eine Giraffe, das habe ich fürs Leben gelernt!
Ich habe das „Tipp-Spiel“ erfunden, ganz zufällig: Ich hab ein Kind spontan angetippt, es ist zurückgetorkelt, aber gleich wieder angelaufen gekommen, weil es wieder angetippt werden wollte. Plötzlich waren alle Kinder dabei. Ich tippte alle an und es war ein Riesenspaß! Allgemein ist es so, wenn einem gerade nichts einfällt, kitzelt man die Kinder einfach durch, das macht denen immer Spaß...
Mit den Kindern waren wir auch einmal auf dem Markt. Allerdings nur mit fünf Kindern, da wir alle auf einmal schlecht unter Kontrolle halten können. Wir gingen alle zusammen Hand in Hand in ein oder zwei Reihen. Es begann immer wieder zu regnen, aber wir stellten uns einfach kurz unter und dann ging es wieder. Auf dem Markt starrten uns alle hinterher. Die Kinder selber starrten auch und liefen sehr langsam, da sie alles genau betrachteten. Hier merkten wir wieder, wie selten die Kinder aus dem Waisenhaus rauskommenn, sie kennen nicht einmal richtig ihr eigenes Dorf und das ist wirklich nicht sehr groß.
Letztens war die Einweihung eines neues Bereichs vom Waisenhaus. Die Kinder waren super schick angezogen. Es wurden Reden gehalten und viel gesungen. Die Kinder standen wie in einem Chor aufgereiht und waren so was von süß! Unser Highlight war ein Lied, bei dem sich jedes Kind einzeln vorstellen musste. Die Strophe begann immer mit „My name is...“. Hier hat man auch sehr gut die völlig verschiedenen Charaktere der Kinder gesehn. Manche schmetterten lauthals los, andere waren total schüchtern. Ein Kind stand nur da, starrte ins Nichts und bewegte seine Lippen gar nicht. Nach der Einweihung wurde noch kräftig gegessen. Ich habe mich viel mit Schwester Theresa, der Chefin des Waisenhauses unterhalten, das war sehr schön. Sie hat mir viel von ihren Reisen nach Europa und den USA erzählt, das war interessant. Man hört hier allgemein sehr unterschiedliche Meinungen über Europa. Manche sind sehr angetan, andere haben eine kritische Meinung. Es tut aber auch gut, eine wirklich offene Meinung zu hören.
Einmal war ich auch alleine im Waisenhaus, das war wirklich anstrengend. Es ist einfach kaum möglich, die Kinder komplett unter Kontrolle zu haben. Die Wippe ist noch eine ganz gute Möglichkeit, aber da passen die Kinder ja auch nicht alle drauf. Um die Bücher haben sie sich wieder geschlagen. Mit Caro ist es zwar auch sehr anstrengend, aber zu zweit funktioniert ja fast alles besser...
Seit Schulferien sind helfe ich regelmäßig bei Caro im Waisenhaus mit. Im Moment sind auch ältere Kinder da, der älteste ist dreizehn. Mit diesen Kindern können wir auch englisch reden, was echt ein Vorteil ist. Morgens unterrichte ich auch mit. Wir teilen das ein, die erste Stunde unterrichte ich, die zweite dann Caro. Ich habe jetzt schon mehrmals die Uhr unterrichtet. Ich male eine Uhr an die Tafel und mache Beispiele. Nachdem jemand die richtige Uhrzeit gesagt hat, schreiben alle das Beispiel in ihr Heft. Nach einer Zeit habe ich gemerkt, dass die meisten Kinder sich wirklich verbessert haben. Das tut schon gut, wenn man weiß, dass die Kinder wirklich was lernen. Caro macht Mathe und auch das klappt gut. Die älteren Kinder sind richtig lernbereit, sie wollen gar nicht mehr aufhören mit dem Unterricht.
Was auch schön war: Während Caro mit den kleineren Kindern gemalt hat, habe ich mit den älteren „Mensch-ärger-dich-nicht“ gespielt. Ich habe die Kinder zu vier Teams zusammengestellt und ihnen das Spiel erklärt. Einige haben relativ schnell das Interesse verloren, aber andere waren mit Feuereifer dabei. Ein ganzes Spiel haben die Kinder allerdings nicht durchgehalten und so hab ich einfach das Team Rot zum Sieger erklärt, als sie ihre erste Figur im Haus hatten. Das Team hat gejubelt, als wären sie Vizeweltmeister im Curling geworden... Oder so ähnlich.
Wenn man gar nicht weiß was man mit den Kindern machen soll, dann drückt man ihnen einfach die Kamera in die Hand. Da entstehen die tollsten Schnappschüsse.
Mein absoluter Liebling ist Mwesige. Er ist eines der älteren Kinder und bei mir ziemlich anhänglich. Wenn wir ankommen, kommt er meistens sofort auf mich zugelaufen, umarmt mich und lässt mich oft gar nicht mehr los. Die Sprache ist halt das Problem, aber man kann auch ohne viel reden viel Spaß haben. Oft turnen wir einfach nur herum. Mwesige hat das übelste Fotolächeln, er wird bestimmt Model, wenn er mal groß ist.

GOYA GOYA

Goya Goya ist ein anderes Waisenhaus in Rulenge und ich sage es ganz offen: Es ist viel besser als das Waisenhaus in dem Caro arbeitet. Die Schwester haben andere Erziehungsmethoden und schlagen nicht sofort. Der Tagesablauf wirkt mehr durchdacht und geregelter. Die Kinder sind besser angezogen. Das System in Goya Goya ist klasse. Die Kinder sind nach Alter sortiert und unter sich. Was mich aber am meisten beeindruckt hat: Es leben auch ältere Menschen hier. Die haben sich so gefreut, dass wir da waren, uns einen Stuhl hingestellt, obwohl sie selber kaum noch laufen können. Sie wollten uns gar nicht mehr gehen lassen. Mit diesen Menschen würde ich mich gern einmal richtig unterhalten, aber dazu ist mein Kisuaheli leider noch viel zu dürftig. Wir waren jetzt zweimal da und werden jeden Freitag dort arbeiten. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen und ich fühle mich dort wesentlich mehr sinnvoll als in meiner Schule. Für mich wird es das Highlight der Woche sein! Und ich bin jetzt mehr motiviert Kisuaheli zu lernen, an meiner Schule wird ja nur Englisch gesprochen... Das erste Mal waren wir mit Sister Leocardia da, eine absolut sympathische Frau. Sie ist schon älter, aber erstaunlich gut zu Fuß. Sie hat uns unterstützt, dass wir da arbeiten dürfen. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, wo wir die Kinder in Goya Goya zum ersten Mal gesehen haben: Zwei der Kinder kamen auf Caro und mich zugerannt und umarmten uns wie gute alte Freunde. Wenn das keine schöne Begrüßung ist! Da fühlt man sich erst recht bestätigt, dass man hier richtig aufgehoben ist...

SCHULGESCHICHTEN

Doch nun zu meiner Arbeit, die man nicht wirklich als Arbeit bezeichnen kann. Ich verbringe eine gute Zeit mit den Lehrern und den Schülern. So langsam habe ich allerdings das Gefühl alles gesehn zu haben. Die Kategorie „Schulgeschichten“ kommt nicht ohne Grund erst nach der Kategorie „Waisenhaus-Geschichten“. Ich fühle mich verpflichtet auch wirklich etwas zu tun und da fühle ich mich im Waisenhaus echt besser aufgehoben. Sinnvoller. Den Kindern Freude schenken. Und so.
Mit Mr. San Francisco habe ich mehrmals Aufsicht geführt über Examsarbeiten. Da fühlte ich mich wirklich wie auf der anderen Seite. Ich habe viele Tricks wiedererkannt, die ich selber in der Schule angewandt habe. Wenn Schüler beim Schummeln erwischt werden, gibt’s keine Verwarnung, sondern die Arbeit wird sofort weggezogen und der Schüler rausgeschickt.
Mit dem selben Lehrer habe ich dann auch Arbeiten korrigiert, was mir im ersten Moment total seltsam vorkam. Ich war mit ihm zusammen in seinem Office und hab ihn spontan gefragt und er meinte nur „No Problem!“. Da die meisten Fragen Multiple-Choice-Fragen waren, war das Korrigieren kein Problem. So saß ich da mit meinem roten Stift und machte Häkchen oder verbesserte. Irgendwie absurd. Danach hat er mich noch zu sich zum Essen eingeladen und wir haben Fotos geguckt. Dabei entdeckte ich das „Po-Foto“, was ich jetzt nicht näher beschreiben möchte. Wir haben es aber gleich nachgestellt und auch ein Foto gemacht. Das war Comedy Pur!
Ich habe noch zwei sehr nette Schüler kennen gelernt, Nancy und Israela. Gerade mit Nancy kann man sich gut unterhalten und ich hab sie auch einmal in Nathalies Haus eingeladen und ich habe ihr Deutsch beigebracht. Das war total lustig. Ich hab ihr Begrüßungen, Körperteile und Zahlen beigebracht. Das beste war die Zahl „Zehn“, mit der hatte sie am meisten Probleme. Danach haben wir uns noch rausgesetzt, Caro kam von ihrer Arbeit zurück und wir haben gequatscht. Über völlig unterschiedliche Sachen. Über philosophische Dinge. So hab ich ihr versucht zu erklären, dass das Weinen doch manchmal auch gut tut, aber das hat sie irgendwie nicht verstanden. Über Harry Potter haben wir geredet, das war auch toll mal mit einem Tansanier über diese Bücher zu reden. Sie kannte sich richtig aus.
Was noch? Ein Unterricht, der mir noch hängen geblieben ist, ist der von Mr. Ruhinda. Ein sehr netter, älterer Mann. Er ist der älteste Lehrer der Schule, mit Abstand. Die Lehrer sind größtenteils alle von Mitte zwanzig bis Mitte dreißig. Warum sind die Lehrer in Deutschland bloß alle so alt? Warum werden so wenig neue Lehrer eingestellt? Aber gut, das ist ein anderes Thema. Der Unterricht bestand jedenfalls lediglich aus dem Vorlesen einer Novelle. Jeder Schüler kam einmal dran und es zeigte sich schnell, dass manche gut lesen konnten und manche überhaupt nicht. Wenn jemand falsch las wurde ihm auf den Kopf gehauen. Was ich aber positiv fand war der Inhalt der Novelle. Es ging um eine afrikanische Frau, die Busfahrerin war. Sie wurde aber von vielen nicht akzeptiert. Die Botschaft der Novelle war, dass Frauen sehr wohl genauso die Arbeiten der Männer machen können. Das nenne ich mal eine vernünftige Botschaft. Aber es gibt auch Situationen wo ich denke: Warum wird den Schülern so etwas beigebracht?

RENATES STRAßENKINDER

Das Projekt in Ngara haben wir nun auch einmal besucht. Meiner Meinung nach läuft dieses Projekt richtig gut. Wir wurden von den Helferinnen herzlich begrüßt, hier arbeiten Menschen auch aus nichtafrikanischen Ländern mit. Geredet wird in Englisch, Französisch und Kisuaheli. Die Kinder sind in verschiedenem Alter, es sind kleinere dabei, aber auch Jugendliche. Für Renate ist es denke ich das ideale Projekt, man merkt richtig wie sie darin aufgeht. Sie spielt auch Fußball mit den Kids. Das Projekt hätte mir auf jeden Fall auch Spaß gemacht. Renate hat in ihrem Zimmer komischerweise ausgerechnet Pinguine aufgehängt und mir für mein Zimmer auch gleich ein Pinguin-Poster mitgegeben. Pinguine in Afrika, warum nicht?
Nach dem Besuch waren wir wieder auf dem Berg bei Ngara, wo man richtig leckeres Fleisch mit Pilipili essen kann. Das hat auch wieder richtig gut getan. Und wir waren auf dem interessantesten Markt, den ich bis jetzt hier in Tansania gesehen habe. Er befindet sich auf einem Hügel und ist riesig. Dort kann man sich regelrecht verlaufen. Aber unser klassischer Markt in Rulenge ist auch toll, mittlerweile kennen wir fast jedes Geschäft.

HELLO AGAIN, MWANZA

Ja, wir waren Anfang Dezember wieder dort und es tat sehr gut wieder in der Stadt zu sein. Ich finde es super ein Jahr im Dorf zu leben, da ich mein ganzes Leben in der Stadt war. Aber ab und zu muss man halt raus... Wir hatten erneut eine Woche Sprachkurs, wieder beim Hezron und es war schön ihn wieder zu sehen. Wir waren dieses Mal in einem superschicken Hotel, in zwei Doppelzimmern. Ich war zusammen mit Marcus in einem und ich erinner mich sehr gern zurück, wenn wir auf den Betten lagen und wieder herrlich bekloppte Gespräche geführt haben. Das wird uns nie langweilig. Mein persönliches Highlight war das „Longcallen im Pissoir“. Das möchte ich an dieser Stelle dann aber doch nicht weiter ausführen... Wir saßen auch öfter unten draußen bei der Hotelbar und haben einfach gequatscht und den Abend genossen. Manchmal denken wir, unsere bekloppten Gespräche sollten mal aufgezeichnet werden, das sind schon teilweise Themen...
Der Unterricht war draußen auf dem Hotelgelände, ganz entspannt bei einer Cola. War schon interessant, dass wir dieses Mal zu viert waren. Aber wir haben gemerkt, dass Hezron uns nicht mehr viel beibringen konnte, das Wichtigste hatte er uns beigebracht, jetzt heißt es nur noch Vokabeln lernen und da braucht man keinen Lehrer. Aber der Hezron ist ein ganz Lieber und hat sich wirklich Mühe gegeben. Am letzten Unterrichtstag hat er uns in sein Zuhause eingeladen. Er hat uns sogar das Dalla-Dalla bezahlt, um hinzukommen. Wir haben seine komplette Familie kennen gelernt, seine Mutter in ihrem Shop besucht und Chips Mayai gegessen. Auf dem Heimweg hat er uns begleitet, da es dunkel war. Überhaupt, das ist immer so: Der Besuch wird hier in Tansania immer ein Stück nach Hause begleitet, einfach aus Höflichkeit. Ich denke, das werde ich in Deutschland auch so machen, das ist doch eine schöne Geste. Hier begleiten wir unsere Besuche auch mindestens bis zum Gartentor.

ÜBERFALL

Roland, der Schweizer, hatte uns vorgeschlagen auf den Dancing Rock zu gehen. Das ist ein ganz wunderbarer Aussichtspunkt mit einem riesigen Felsen. Hier habe ich einige der schönsten Landschaftsfotos gemacht. Als wir wieder den Weg hinabstiegen, waren wir gezwungen hintereinander zu gehen. Uns begegneten einige Tansanier und wir dachten an nichts böses. Ich ging ganz vorne und das war mein Glück. Wäre ich hinten gegangen, hätte es genauso gut mich treffen können. Ich hörte nur den Aufschrei von Renate und sie kam auf mich zugerannt und war völlig panisch. Hinter mir sah ich nur noch irgendjemanden wegrennen. Jemand hatte versucht in Renates Tasche zu greifen und dabei auch ein Messer in der Hand. Renate rannte weg, hinter ihr war nur noch Marcus. Der Dieb wollte Marcus Tasche, diese wollte er aber zunächst nicht hergeben, worauf der Dieb das Messer benutzte und Marcus leicht am Arm verletzte. Dann flüchtete er mit Marcus Tasche, in der auch seine 800 Euro-Kamera drin war. Wir waren alle total geschockt, nur Roland blieb verhältnismäßig ruhig. Wir fuhren zur Polizei und erklärten was passiert war. Ein extrem bulliger Typ nahm das Protokoll auf, er sah nicht wirklich wie ein Polizist aus. Er wollte jede Einzelheit wissen. Das Amüsante war, dass im selben Raum ein Mensch aus der Psychatrie saß und die ganze Zeit komisches Zeug redete. Wir sahen auch eine Gefängniszelle, die überfüllt war mit Gefangenen. Ich möchte nicht wissen, wie die Zustände da sind und was da teilweise drin abgeht. Nachdem wir fertig waren, sind wir was essen gegangen. Wirklich ablenken konnten wir uns aber alle nicht.
Noch in der gleichen Nacht rief Roland an und meinte, dass die Tasche gefunden worden wäre. Allerdings nicht von der Polizei, sondern von irgendwelchen Tansaniern. So fuhr ich zusammen mit Marcus und Roli wieder zum Aussichtspunkt, allerdings wollten wir auf keinen Fall wieder den Weg hinauf nehmen. Wir waren sehr vorsichtig. Ein Tansanier sprach uns an und führte uns zu den zwei Dieben. Wir erkannten sie sofort wieder. Ich weiß noch, wie ich den einen beim Vorbeigehen gegrüßt hatte, ein paar Sekunden später hatte er sein Messer benutzt... Die Augen dieses Menschen werde ich nie vergessen, das war so ein ganz spezieller Blick... Und dann ging die Diskussion los! Marcus sollte entscheiden, ob die beiden zur Polizei sollen oder ob er ihnen verzeiht. Ich glaube, er war kurz davor sie freizulassen, aber dann schaltete sich (Wortlaut Marcus) eine dicke Mama ein. Sie war außer sich und meinte, dass die beiden auf jeden Fall zur Polizei sollten. Es waren jede Menge Tansanier anwesend und alle nickten. Da hat man gemerkt wer hier das Sagen hat. So fuhren wir also mit den Dieben und zwei Security-Leuten zur Polizei. Das Auto von Roli war vollgestopft. Bei der Polizei angekommen hat ein Polizist den einen Dieb kräftig geschüttelt, der kannte den anscheinend schon. Wir mussten wieder einige Fragen beantworten und dann kurz die Treppe hoch ins Büro vom obersten Polizeichef dort, nur um kurz mit ihm Smalltalk zu führen und die Hand zu schütteln. Der hatte so was von breite Schultern und einen klischeemäßigen Cowboyhut auf. Hach, ich vergess gerade bestimmt einiges, bei der Polizei sind mir so einige Bilder hängen geblieben, die ich nie vergessen werde. Wir begegneten an diesem Tag auch schon wieder dem Menschen aus der Psychatrie, der uns freudestrahlend mit Handshake begrüßt hat. Warum der da immer noch rumlief... Keine Ahnung! Dann dachten wir es wär vorbei und saßen schon im Auto, aber dann wurden wir nochmal zurück in das Büro des einen Inspektors gebeten. Er wolle uns noch einige Fragen stellen. Hier mal zwei als Beispiel: Wie sieht das Schulsystem in Deutschland aus? Freut ihr euch schon auf die Fußball-WM? Keine Ahnung worauf er hinauswollte, wir dachten schon er redet um den heißen Brei herum und will dann Geld. Aber nach zwanzig Minuten konnten wir gehen, ohne irgendwas über den Fall geredet zu haben...
Die Tasche von Marcus war jedenfalls wieder da, nur zwanzigtausend Schilling fehlten, aber das war ihm egal. Er war heilfroh seine Kamera wiederzuhaben. Und ab jetzt bitte keine Überfälle mehr. Ich hatte gerade meine Vorsicht abgelegt, aber nun geh ich nachts bestimmt nicht mehr auf die Straße...

BUS FAHREN

Sowohl hin als auch zurück sind wir mit dem Bus gefahren. Das war schon eine spannende Erfahrung. Nach Mwanza fährt man offiziell sieben Stunden, aber es wurden dann doch über zehn. Nach dem man angekommen ist, ist man so erschlagen als hätte man den ganzen Tag Sport gemacht. Die Busse sind vollkommen überfüllt. Auf dem Hinweg sind wir um fünf Uhr morgens losgefahren. Wir waren in einer seltsamen Stimmung und haben rumgealbert. Ich saß am Fenster, welches durchgehend klapperte und immer wieder aufging. Wir haben uns mit selbstgemachten Plätzchen und Pfannkuchen abgelenkt. Die Rückfahrt war allerdings noch anstrengender. Es sind schon die verschiedensten Menschen im Bus: Da wären Goldgräber, die mit einer Hacke rumlaufen. Oder Security-Menschen, die schön offensichtlich mit einer Waffe rumlaufen zum Schutz vor Überfällen. Direkt neben mir hat sich eine Frau übergeben müssen... Es gab eine Situation, da haben sich die Menschen, die im Mittelgang standen (wohlgemerkt zehn Stunden ohne Pause, Respekt!) , plötzlich auf Kommando gebückt. Dies lag wohl an dem Polizisten, an dem wir vorbeifuhren. Direkt danach erhoben sich alle wieder. Wir vermuteten, dass der Bus gegen jede Vorschrift viel zu überfüllt war und sie deshalb nicht gesehen werden wollten. Eine interessante Methode.

TILAPIA/PIZZERIA

Mittlerweile unser Stammlokal in Mwanza. Wir waren dieses Mal wieder zwei Mal da und ich habe es mir nicht nehmen lassen beide Male wieder Indisch zu essen. Curry ist so wundervoll! Es gibt zwei Sachen, die ich vermisse: Neue Musik und Essen. Caro und ich reden dauernd darüber was wir dann in Deutschland wieder essen wollen. Ich vermisse am meisten meine geliebten Maultaschen...
In der Pizzeria von Mwanza waren wir dieses Mal jeden Tag gegen Mittag. Hier gibt es meinen geliebten Mexican Burger, aber das Mixed Sandwich ist natürlich auch nicht zu verachten! Wenn man Mzungus treffen möchte, dann geht man hierhin. Hier sitzen mehr Mzungus als Tansanier, was uns am Anfang total verwirrt hat. Hier lernt man auch leicht Leute kennen, da man oft zusammen am Tisch sitzt. So haben wir zum Beispiel einen Südafrikaner kennen gelernt, der uns geraten hat sofort Tansania zu verlassen, da wir hier sowieso nicht gebraucht werden. Das haben wir schon oft gehört, auch von der Herta. Sie meinte ja ganz offen, die Tansanier brauchen uns nicht, wir machen das nur für uns selbst. Das haben wir schon häufig diskutiert... ich bin da noch zu keiner festen Meinung gekommen, aber da denke ich schon oft drüber nach. Aber auch Touristen lernt man hier kennen, so z.B. Kai, der nur auf Rundreise war und anscheinend schon viel von der Welt gesehen hat. Mit Mwanza wusste er scheinbar nicht so viel anzufangen, er suchte verzweifelt nach Sachen, die man hier erleben kann. Gut, Mwanza ist nicht wirklich eine Touristenstadt, aber wir genießen es jedes Mal wieder hier zu sein. Wir sind ja auch keine Touristen.
In der Pizzeria sprachen wir auch mit Moses. Aber dazu musst du in den nächsten Absatz springen, werter Blogleser.

MOSES

Ich erwähne mal seinen richtigen Namen, wir haben schon einige Moses getroffen. Aber der in Mwanza war schon ein ganz spezieller. Abends waren wir mit ihm was trinken und zunächst fanden wir ihn alle super sympathisch. Aber im Verlauf des Gesprächs merkten wir, dass er versuchte uns von seiner Religion zu überzeugen. Er war sehr auf sich selbst bezogen und lenkte das Gespräch komplett. Er hatte auch sehr fragwürdige Kommunikationsmethoden. Er erzählte lang und breit etwas und fragte uns dann der Reihe nach nach unserer Meinung. Jetzt sag du was. Und nun du. Am Anfang machten wir noch brav mit, aber am Schluss wurde es uns dann zu blöd. Nach dem Treffen waren wir alle ein bisschen verwirrt und zerstört. Wir waren uns einig, dass Moses zu einer Sekte gehörte und versuchte uns da mit reinzuziehen. Hm, irgendwie kann ich das nicht richtig erklären, man muss glaub ich dabei gewesen sein... wir haben ihn ein paar Tage später jedenfalls nochmal zufällig getroffen und waren sehr abweisend zu ihm. Wir hoffen alle, dass wir ihn nicht wiedersehen.
Aber eine amüsante Sache hatte das Treffen dann doch: Ich bekam einen neuen Spitznamen. Moses bemerkte, dass ich ja gerade sehr nachdenklich wäre und mein „Government“ im Kopf wohl gerade richtig beschäftigt sei. Da hatte er Recht, an dem Abend war ich wirklich nachdenklich, warum möcht ich jetzt hier nicht ausführen. Jedenfalls meinte Moses, dass Isaac Newton ja auch viel nachgedacht hätte und ab dem Zeitpunkt nannte er mich nur noch Isaac. Damit kann ich mich anfreunden!

MWANZA VON OBEN

Ein Platz in Mwanza, der uns von Roland empfohlen wurde. Es gibt ein Hotel, das oben auf dem Dach eine Bar und einen Swimming Pool hat. Den Swimming Pool haben wir noch nicht benutzt, wollen das nächstes Mal aber auf jeden Fall nachholen. Aber auch ohne schwimmen ist es ein schöner Platz: Man kann sich Mwanza von oben angucken und dabei ein Bier/Soda genießen. Ich hatte den Eindruck Mwanza mittlerweile halbwegs zu kennen, aber von oben sieht dann doch wieder alles anders aus.

HERTA KILALA

Tja. Etwas war uns natürlich ganz wichtig. Wir wollten zurück an die Stelle, wo unsere Tansania-Reise begonnen hatte. Wo wir unsere ersten zwei Wochen verbracht hatten. Auf den Hügel von Mwanza, zu Mama Kilala. Aber wir hatten schon vorher erfahren, dass sie im Moment in Deutschland ist. Den Grund hierfür möchte ich nicht in den Blog schreiben. Das Haus führt im Moment Christel, eine ältere Dame aus der Schweiz. Mit ihr hatte ich vorher auch schon telefoniert und erfahren, dass im Moment leider kein Platz für uns sei und wir ins Hotel müssten. Aber besuchen war natürlich trotzdem möglich. Am meisten gefreut hat sich Anisetti, der Hausjunge. Als wir ankamen war er nicht da. Wir waren kurz vorm Gehen und standen schon draußen. Plötzlich kam er angerannt, mit einem Strahlen im Gesicht. Er umarmte uns alle vier gleichzeitig. Es war so schön ihn wiederzusehen, er hatte seinen leuchtend gelben Pulli an und ich musste wieder viel an die ersten zwei Wochen bei Mama Kilala denken. Das kommt mir schon so ewig her vor, dabei sind das erst drei Monate. So saßen wir also in der Küche, tranken Kaffee und alberten herum soweit es ging. Am Schluss machten wir noch ein Knallerfoto zu fünft, eins meiner Lieblingsbilder bis jetzt. Aber während wir da so saßen, merkten wir alle irgendwie das was fehlt. Herta Kilala. Unsere „Mama“. Wir hoffen alle, dass sie beim nächsten Mal wieder da ist.

FAZIT MWANZA

Ja, was soll ich sagen? Es hat gut getan wieder in einer Stadt zu sein, aber irgendwie hab ich Rulenge auch vermisst. Ich mag das Dorf hier total. Die Menschen sind freundlich und mittlerweile fühlt es sich an wie ein zweites Zuhause. Aber ab und zu muss man halt auch raus hier.
Den schönsten Moment von Mwanza hab ich mir für den Schluss aufgehoben. Er war ca. fünf Sekunden lang und klingt für jeden Unbeteiligten erst einmal für nichts Besonderes. Marcus und ich gingen die Straße entlang zurück zum Hotel. Plötzlich fuhr ein Taxi mit geöffneten Fenstern vorbei. Aus dem Taxi dröhnte ein bekannter Hip Hop-Song, „It's a hard knock life“. Marcus und ich hoben jedenfalls spontan unsere Hand nach oben und rappten mit. Der Taxifahrer grinste uns an und hob auch seine Hand. Nach ein paar Sekunden war der ganze „Vorgang“ vorbei. Wir lachten aber noch den ganzen Tag darüber. Das nennt man eine Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen! Es war irgendwie ein friedlicher Moment. Hust! Okay, vielleicht habe ich da auch zu viel rein interpretiert... kurz: Es war ein schöner Moment. Darauf kann man sich doch einigen.
Eine Geschichte, die hier nicht in den Blog gehört ist die von Anna. Aber sie muss auf jeden Fall erzählt werden. Ein andern Mal. Es ist einfach zu abstrus. Erinnert mich dran, wenn ich wieder da bin. Danke!
Jetzt habe ich alle meine Stichpunkte von Mwanza abgearbeitet, fast alle. Einer ist noch übrig: „Liste“. Aber da weiß ich beim besten Willen nicht mehr was ich da erzählen wollte.

MR. ERIC

Ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt. Mr. Eric, ein Lehrer von meiner Schule, hat mich und die anderen für Februar nach Uganda eingeladen. Ich hoffe, das klappt. Jedenfalls kann man sich mit ihm wirklich gut unterhalten. Einmal war ich auch bei ihm zu Hause eingeladen und wir haben das gemacht was man immer macht wenn man irgendwo das erste Mal eingeladen ist: Fotos geguckt. Ich habe mittlerweile schon viele Fotos von tansanischen Freunden gesehn, aber seine Fotos von der Hochzeit waren wirklich interessant. Ich erkannte auch viele andere Lehrer und Father Kitondo, der die beiden getraut hat.
Meine drei Kollegen hat er eher per Zufall kennen gelernt. An einem Nachmittag hatten wir noch Lust auf einen Spaziergang und sind einfach mal in Richtung meiner Schule losgelaufen. Die Landschaft auf diesem Weg ist einfach göttlich, wir liefen in den Sonnenuntergang hinein. Es war wie in einer Traumwelt. Wir gingen bis zu dem Hügel kurz vor meiner Schule und haben uns oben hingesetzt. Dort oben wurde nicht mehr viel geredet, sondern genossen. Aber es wurde dunkel und wir mussten doch zurück. Auf dem Rückweg wurde es stockduster und wenn ich an den Überfall von Mwanza denke, war es Wahnsinn einfach so herumzulaufen. Aber hier ist zum Glück nichts passiert. Plötzlich kam Mr. Eric ganz lässig mit seinem Motorrad vorbei. Er war gut drauf. Ich glaube wenn es mit Uganda klappt werden wir ne Menge Spaß zusammen haben... So lange ist es ja auch gar nicht mehr hin...

AUTO WASCHEN

Ja, richtig gelesen. Das ist eine eigene Überschrift in diesem Blog. Aber ich mach es kurz. Nathalie wäscht regelmäßig ihr Auto und ich habe ihr schon mehrmals zugeguckt und es sah nach einer Menge Spaß aus. Und zwar aus folgendem Grund: Sie lässt immer eine Autotür auf und hört Musik. Und die Boxen dreht sie dabei auf als gäbs kein Morgen mehr. Das hat mir natürlich zugesagt und ich hab mitgewaschen. So schütteten wir also Wasser über die völlig verdreckte Kiste und hörten dabei ABBA und Michael Jackson. Wir ernteten viele sehr verwirrte Blicke der Tansanier, die am Zaun vorübergingen, aber das war uns schnuppe. Das macht einfach nur Laune.

POLE YA SCHEIßE!

Ein ganz spontaner Satz von Nathalie. Sie sollte sich den patentieren lassen. Das Klo macht schon eine ganze Weile Probleme, nach dem Spülen läuft das Geschäft einfach nicht ab. Gestern abend ist dann Wasser richtig rausgelaufen. So sind wir also heute in den Garten, haben das Rohr ausgebuddelt und herumgestochert. Wir waren schon ein klasse Team: Ich stocherte mit einem größeren Ast im Rohr herum, Nathalie füllte mit ihren Händen die wundervoll anzuschauende Soße in einen Eimer und Caro füllte im Haus immer wieder Wasser ins Klo, damit alles besser nachlief. Wir stellten uns aber einfach vor, dass es sich um Schokoladenpudding handelte. Es war schon ein Fest. So klassische Kalauer wie „So eine Scheiße“ oder „Das ist schon Kacke, oder?“ durften selbstverständlich nicht fehlen... Nathalies trockene Bemerkung dazu war dann ganz schlicht: „Pole ya Scheiße!“ Heißt so in etwa „Entschuldigung für die Scheiße“.
Ach ja: Den Abend zuvor haben einige von uns (ich möchte keine Namen nennen, aber ich war es nicht!) ihren „Longcall“ im Garten verrichtet. Eine Person (auch hier nenne ich keinen Namen) ist dann ausgerutscht und im eigenen „Longcall“ gelandet. Das ist Afrika!

MANN MIT KLEID

Ein kleines Bild was ich für mich selber festhalten muss. Wir sind zu fünft in die Bar nebenan gegangen und wollten eigentlich Fußball gucken, irgendein Qualifikationsspiel, ich glaube Ägypten gegen Algerien. Stattdessen zeigten sie aber irgendeine extrem schlechte Soap. Die Hauptfigur war irgendein sehr dünner Mann in einem viel zu großen Kleid, der seltsam mit seinen Armen herumfuchtelte. Wir fanden ihn alle unheimlich und haben teilweise sogar von ihm geträumt danach. Wir wollten unbedingt wissen wie es weitergeht und am nächsten Tag wieder die Soap gucken gehen in der Bar, aber wie das halt so ist... wir habens vergessen.

EINFACH EIN SCHÖNER ABEND

Es ist nicht wirklich viel passiert an jenem Abend. Eigentlich war ich schon so halb im Bett, hab mich aber doch noch einmal aufgerafft. Nachdem wir „Once“ (nur nebenbei: ein klasse Film) geschaut hatten, machten Marcus, Renate und ich uns noch ein Bier auf. Und dann noch eins. Und noch eins. Strom war keiner mehr da und so machten wir uns eine Kerze an. Wir führten herrlich bescheuerte Gespräche bis spät in die Nacht. An folgendes kann ich mich noch erinnern: Wir machen uns Mark Medlocks in die Haare, Oldenburg ist in der Nähe von Altötting und irgendwann zeige ich mein Luftgitarrenspiel. Wir redeten einfach über Gott und die Welt! So um vier Uhr morgens gingen wir dann doch noch ins Bett. Ich habe es schon öfters erwähnt: Es sind diese kleinen, für andere unscheinbare Momente, die das Leben lebenswert machen.

RULENGES POST

Auch ein kleiner Moment. Caro und ich wollten unsere Weihnachtspost zur Post bringen, aber erst beim vierten Versuch hatte diese geöffnet. Und der Ablauf war einfach köstlich. Wir baten um Briefmarken für Deutschland. Nach 5 Minuten hatte sie welche gefunden. Dann holte sie eine Wasserflasche um mit dem Wasser die Briefmarken festzukleben. Als sie die Wasserflasche öffnete, kippte sie erst einmal den Inhalt über Caros Brief. Pole sana! Dann gab es Probleme mit dem Wechselgeld. Sie ging raus und bat jemand anderen darum. Auch das dauerte wieder ca. 10 Minuten. Als wir aus der Post rausgingen, lachten wir uns erst einmal kaputt. Ach ja, auf dem Weg begegneten wir noch einer Schildkröte, das passte irgendwie...
Bitte versteh nicht falsch, werter Blogleser. Das ist keineswegs abwertend gemeint. Aber die Situation, wie wir da standen und eigentlich nur mal eben schnell unsere Post verschicken wollten... das war zu komisch!

EVA

Eine kleine Bemerkung am Rande, weils mich so beeindruckt hat: Ich steh gerade am Gartenzaun, als plötzlich ein „Mzungu“ (Europäer, Weiße) vorbeiläuft. Wohlgemerkt in Rulenge! Das ist eine absolute Seltenheit. Ich war völlig verwirrt, perplex, am Boden zerstört. Nun gut, letzteres nicht wirklich. Eva meinte jedenfalls, sie wäre nur kurz zu Besuch. Sie wunderte sich, dass in einem so kleinen Dorf gleich drei „Mzungu“ wären. Ich meinte nur, dass es genau das wäre, was ich wollte. Raus aus der Großstadt und mal ein Jahr auf einem richtigen Dorf. Ist doch klasse!

KOCHEN

Ich lerne jetzt kochen. Bin da spät dran, aber nun bin ich ganz gut dabei. Total einfach, ich weiß nicht warum ich mich da so lang gegen gewehrt habe. Ist eigentlich immer dasselbe Prinzip. Es sind natürlich nur ganz einfache Sachen, aber ich hatte vor Afrika ja noch nicht einmal Pfannkuchen gemacht. Unsere Standardgerichte sind Nudeln mit Soße, Pommes, Kässpätzle und Pizza. Und ich liebe es Brot zu backen. Bananenbrot ist sehr lecker oder halt ein einfaches Bauernbrot. Vielleicht sollte ich auf meine alten Tage Koch werden?
Bei Bananen fällt mir noch was ein: Meine drei werten Kollegen ziehn mich hier immer auf, dass ich die Bananenfäden abpule. Bin ich wirklich der einzige Mensch, der das macht? Aber egal, ich mach das trotzdem weiter...
Und bei Pfannkuchen fällt mir auch noch was ein: Caro und ich haben einmal ausversehen da falsche Mehl genommen: Ugali (Maismehl). Die Pfannkuchen sahen etwas seltsam aus und genauso schmeckten sie auch. Ach was, das ist eine Untertreibung, sie schmeckten grausam. Einer hat schon extrem satt gemacht. Das Ugali wird auch fürs Hundefutter verwendet, welches ziemlich stinkt, vielleicht fühlen wir uns auch zu sehr daran erinnert...
Beim Thema Essen muss ich unbedingt noch die Sambusa erwähnen, das ist eins unsere Lieblingsessen hier. Ein Vorteil für Rulenge, denn in Ngara gibt’s die nicht. Das sind Teigtaschen mit Fleisch gefüllt, die schmecken extrem gut. Dazu machen wir uns dann immer noch einen Dip aus Tomate, Zwiebel und Pilipili. Herrlich! Mittlerweile ist das fast eine Tradition geworden, wir bestellen die Sambusa samstags und essen sie am Sonntag. Oft sind dann auch Marcus und Renate da, mittlerweile sind sie ja in Ngara (bzw. Buhororo, ein winziges Dorf, noch winziger als Rulenge, sie warten noch auf ihre richtige Unterkunft in Ngara), aber am Wochenende kommen sie häufig zu Besuch. Caro und ich wohnen immer noch bei Nathalie und das wird auch noch eine Weile so bleiben denke ich. Father Didas war zwar einmal hier und meinte ich solle „shiften“ (=umziehen), aber das Thema ist irgendwie im Sande verlaufen und ich bin auch froh drum. Ich würde am liebsten das ganze Jahr in diesem Haus bleiben, aber eine kleine Unsicherheit ist immer drin. Es kann theoretisch jederzeit passieren, dass ich plötzlich umziehen muss.
Huch! Ich sehe gerade, dass das immer noch die Kategorie „Kochen“ ist, dann beende ich mal diesen Absatz...

VISUM

Tja, wir sind mit Touristenvisum eingereist und irgendwie verzögert sich das mit unserem richtigen Visum. Marcus und mein Visum waren schon abgelaufen, aber wir haben es für einen Monat verlängern lassen. Dafür musste ich nach Ngara fahren. Mitfahrgelegenheiten findet man hier echt schnell, ich geh einfach zur Parish und frag die Leute und meistens geht das recht problemlos und kostet auch nichts. Die Menschen sind überwiegend extrem hilfsbereit. So bin ich also mit Father Katama (den ich vorher wohlgemerkt nur mal kurz gesehen hatte) nach Ngara gefahren. Dort bin ich mit Marcus dann zur Behörde und da haben wir uns denke ich etwas daneben benommen. Während ich das Formular ausfüllte hatten wir beide einen Lachanfall und vor allem ich konnte überhaupt nicht aufhören. Der Mensch von der Behörde schaute mich seltsam an und fragte nur trocken „Mr. Sören, what is so funny?“. Und ich erfand schnell etwas über einen Freund, der uns etwas lustiges erzählt hatte. In Wahrheit machten wir uns aber über den Menschen von der Behörde lustig. Schon daneben irgendwie, aber in dem Moment einfach notwendig!
Nachtrag beim letzten Durchlesen des Blogs: Das richtige Visum ist jetzt endlich da.

SÖRENS BLÖDHEIT

Auch die muss mal festgehalten werden! Gerade eben habe ich wieder meine Blödheit bewiesen. Und das gleich doppelt. Caro und ich haben Pommes gemacht und nachdem ich diese aus dem Ofen geholt habe, hab ich das Gas ausgeschaltet. Schon dumm, da wir direkt danach das Brot reintun wollten. Aber gut, ich will den Gasofen also wieder anmachen. Die Streichhölzer sind aber extrem blöd und gehen immer gleich wieder aus, nachdem man sie angemacht hat. Nach dem ca. zehnten Streichholz hab ich den verdammten Ofen endlich angekriegt und ihn vor Freude darüber gleich wieder ausgemacht. Ich weiß nicht wie das über mich kam, aber ich hab den Herd einfach abgedreht. Manchmal bin ich einfach dämlich...

PROPHYLAXE

Habe ich eigentlich schon geschrieben, dass ich doch Prophylaxe nehme? Ich hatte nichts mitgenommen, aber Roman hat mir ganz am Anfang eine Menge Doxycyclin vermacht. Davon nehme ich jeden Tag eine halbe Tablette. Jeden Tag! Wo ich jahrelang nie auch nur irgendeine Tablette genommen habe... aber es ist auf jeden Fall notwendig und ich bin froh drum, da ich von Moskitostichen übersät bin. Ohne die Prophylaxe hätte ich bestimmt schon dreimal Malaria gehabt und da bin ich echt nicht scharf drauf. Das muss jeder für sich entscheiden. Ein paar meiner Kollegen hier haben ihre Prophylaxe mittlerweile abgesetzt.

BERLINER AKZENT

Ich glaube das Thema hatte ich schon einmal im Blog. Aber mittlerweile hat das eine Ausmaße genommen, es ist unfassbar. Marcus und ich berlinern was das Zeug hält und es wird immer absurder. Es gibt Sätze, da packen wir vor jedes Wort den Buchstaben „J“. Am Anfang war es nur so etwas wie „janz jut“ für „ganz gut“. Mittlerweile hauen wir aber auch Sätze raus wie „Juten Jorgen, jie jast ju jeschlafen?“. Das wird nie langweilig, wir lachen dann immer total bekloppt, fast hysterisch. Wir haben uns ja mal die Spitznamen Siegfried und Roy gegeben, neuerdings heißen wir aber Jochen und Jürgen. Warum wohl?

KINDHEITSERINNERUNGEN

Ich finde es toll, über das Leben nachzudenken. Manchmal strengt es auch an, weil ich oft mein Hirn einfach nicht abschalten kann. Man kommt hier auf Dinge, wo man vorher nie dran gedacht hätte, dass man in Afrika daran erinnert wird. So z.B. die Fünf Freunde. Diese Buchreihe habe ich in meiner Kindheit geliebt, ich habe jeden einzelnen Band verschlungen. Nun habe ich in Nathalies Bücherregal einen Doppelband entdeckt und lese ihn gerade. Da fühlt man sich wirklich wieder in die Kindheit zurückversetzt. Ich finde es wichtig, seine Kindheitserinnerungen zu bewahren, richtig erwachsen wird man eh nie.
Sehr schön sind auch die Drei Fragezeichen. Nathalie hat ein paar auf ihrer Festplatte entdeckt und ich hör die immer zum Einschlafen, es gibt kaum was schöneres!

BIER

Das Bier hat auch mal seine eigene Überschrift verdient, oder? Schließlich kam es bis jetzt in jedem Blog vor, denk ich. Mir ist gerade in letzter Zeit einfach aufgefallen, dass ich immer wenn ich nicht mehr weiß was ich reden soll, auf das Thema Bier komme. So frage ich locker fröhlich die Priester, Marktmenschen oder die älteren Schüler, was denn ihr Lieblingsbier sei. Das ist auch immer eine schöne Eröffnung eines Gesprächs, danach kann man sich meistens ganz locker unterhalten. Ach, du trinkst Kilimanjaro? Ich auch, Balimi ist einfach zu stark, da kann ich nicht drei von trinken...
Aber ein Alkoholproblem gibt es hier in Tansania defintiv, das sollte man nicht totschweigen. Letztens hat mich Mr. Massa mal wieder spontan einfach früh abends mit dem Motorrad abgeholt und meinte nur „Tu na tembea!“ (=wir wandern!). Gewandert sind wir allerdings keinen Schritt, sondern wir sind kreuz und quer mit dem Motorrad gefahren und am Schluss in einer Bar gelandet. Dort saßen wir mit drei anderen Tansaniern, Mr. Massa musste aber plötzlich weg und so saß ich alleine mit denen. Sie waren schon sehr nett, allerdings haben sie viel zu viel Bier getrunken und gegen Ende des Abends nur noch Unsinn geredet. Gut, jeder ist mal betrunken, aber es gibt hier einige, die betrinken sich jeden Tag. Und wir haben das Gefühl aus Langeweile. Der eine hat mich dann noch in sein Zuhause eingeladen. Er ist an einem Bein behindert, konnte mit seinem Stock aber trotzdem ziemlich schnell laufen. Bei seinem Zuhause hab ich seine beiden Kinder kennen gelernt, die waren echt süß. Dann hat er mich nach Hause gebracht, was wie schon beschrieben einfach eine nette Geste ist. Spontan hab ich ihn dann auch noch für kurz eingeladen. Das ist eine Freundlichkeit, die bei vielen Deutschen einfach fehlt. Die Tansanier sind überwiegend immer freundlich, versuchen zu helfen. Das kann einem auch manchmal auf die Nerven gehen, ist mir aber wesentlich lieber als die leider zu häufige Arroganz der Menschen in Deutschland. Wir haben oft schon drüber nachgedacht, dass wir bestimmt verwirrt sein werden, wenn niemand mehr auf der Straße grüßt oder einen kurzen Small Talk führen will.

ALLES POSITIV?

Eine Frage, die mir auch schon mehrmals gestellt wurde: Ist hier wirklich alles so toll? Ich schreibe für einige anscheinend zu wenig negatives. Dazu sage ich ganz offen: Klar habe ich auch meine depressiven Phasen wo ich mich frage, ob das wirklich richtig ist was ich hier tue. Aber ich denke das ist normal, dass man so etwas denkt in einer längeren Zeit. Das hat hier im Blog allerdings nichts zu suchen, so was kommt dann in mein Tagebuch, welches ich fast jeden Abend schreibe.

SPENDEN

Ich möchte erneut ganz offen zu Spenden aufrufen. Ich werde vom BMZ unterstützt, allerdings deckt diese Unterstützung nicht alle Kosten ab. Daher möchte ich auch in diesem Blog zum Spenden aufrufen. Ich, bzw. meine Organisation freut sich über jeden Euro.
Wer spenden möchte schreibt mir bitte eine Email und ich gebe die Kontoinformationen weiter.

soeren.segelken@web.de

HALLO DEUTSCHLAND

Am Schluss dieses Blogs möchte ich erst einmal einige Leute persönlich ansprechen:
Mein lieber Vater, das Telefongespräch fand ich schön, auch wenn ich deine Stimme kaum erkannt habe. Man hört sich Weihnachten wieder. Und bitte keine Sorgen mehr machen wegen des Überfalls, du weißt doch, ich hab meistens Glück...
Meine liebe Mutter, dein Paket war ein Knaller. Marcus, Caro, Renate und Nathalie waren alle neidisch und haben erst einmal auch ein Paket bei ihrer Familie bestellt. Der Weihnachtsmann hängt an der Lampe über dem Essenstisch (wahrlich ein Ehrenplatz!) und die Spekulatius habe ich noch nicht gegessen, da bleib ich stark.
Meine liebe große Schwester, danke für deine Karte. War wirklich lustig solch eine „Windel Winni“- Karte hier in den Händen zu halten. Und ich weiß jetzt wie ich dich in Deutschland begrüßen werde. Du träumst aber auch komische Sachen.
Meine liebe kleine Schwester, ich hoff du bist wieder gesund? Bin wirklich gespannt wie du so drauf bist wenn ich wieder da bin. Ich hab jetzt wieder Internet und das nächste Rätsel kommt bald, versprochen! Und kennst du noch unser Kunststück? Ich bin in die Hocke gegangen und du auf meine Oberschenkel. Das mach ich mit den Kindern im Waisenhaus jetzt auch, die finden das super!
Meine liebe Oma, ich hoff du hattest noch einen guten Geburtstag? Danke für das Weihnachtsgeld, das kommt ja immer früher. Dieses Mal kauf ich mir ausnahmsweise keine Musik davon, das wäre schwierig hier.
Alex, du Wurst, unser Schachspiel wurde gelöscht! Wollen wir ein neues starten oder bist du wirklich so busy?
Mick, was macht Bamberg? Läuft das Studium? Ich hab jetzt so gewisse Ideen, was ich studiere nach Tansania, aber du kennst mich ja... ich sag nix!
Robert, wie siehts mit deinen Besuchsplänen aus? Ich fänds super, sag mir nochmal die Termine wann du denn könntest...
Benedikt und Konsorten, wir sehn uns auf dem Zwischenseminar, das wird der Knaller schlechthin!

Sodala, das wars dann. Seid ihr schon in Weihnachtsstimmung? Ich nicht und ich glaub die kommt auch nicht mehr. Renate hat das Haus mit selbstgebasteltem Weihnachtsschmuck dekoriert, wir summen öfters Weihnachtslieder und Plätzchen haben wir auch schon gebacken. Aber dieses klassische Weihnachtsgefühl kommt einfach nicht auf. Ich glaube, Weihnachten fällt dieses Mal einfach flach... aber wirklich vermissen tu ich das bis jetzt nicht.

Song des Tages: Die Ärzte – Junge

(folgende Textzeilen lieben Marcus und ich: „Junge, warum hast du nichts gelernt? Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto... Auto... warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die Werkstatt, der gibt dir ne Festanstellung... wenn du ihn darum bittest...“ - diese Mischung aus Melodie, Text und seltsamem Rhythmus ist einfach herrlich blöd!)

Motto des Tages: „Elefantenköttelkaffee!“

(geschrieben: undefinierbar – 12. Dezember 2009, ins Blog gestellt am 12. Dezember 2009)